Endlich!
Teams | 31. Dezember 2012, 11:38 Uhr

Endlich!

Endlich!

Levan Kobiashvili darf nach schmerzlichen 1.800 Pflichtspielminuten wieder ins Geschehen eingreifen.

Berlin – „Es ist gut, dass 2012 endlich vorbei ist. Das war nicht mein Jahr – und auch nicht das von Hertha BSC“, resümiert Herthas Routinier ein bitteres Jahr, auf das er liebend gern verzichtet hätte. Der Georgier war nach dem Relegationsspiel in Düsseldorf einer Tätlichkeit gegen Schiedsrichter Wolfgang Stark bezichtigt und im Anschluss mit einem halben Jahr Sperre belegt worden. „Sieben Monate ohne Fußball, das war die schlimmste Zeit meiner Karriere. Ich habe die Spiele runter gezählt, die ich verpasse. Jetzt sind wir endlich bei null!“

Kobiashvili beteuert bis zum heutigen Tage seine Unschuld, Hertha BSC steht hinter seinem Spieler und legte ihm trotz der Sperre im Sommer einen neuen Zweijahresvertrag vor. Rückendeckung, die der Spieler zu schätzen weiß. „Das war eine tolle Geste, weil der Verein damit gezeigt hat, dass er mir glaubt.“

Familie und Bootsführerschein zur Ablenkung

Die Partien seiner Mannschaft musste der Linksfuß vorerst trotzdem seitlich des Spielertunnels auf der Tartanbahn verfolgen, entwickelte dort aber ein tiefergehendes Verständnis für die Fans. „Ich habe zum ersten Mal richtig gemerkt, was Hertha den Fans bedeutet, wie sehr sie mit uns leiden. Vorher wusste ich das gar nicht, weil ich immer auf dem Platz stand.“

Die lange Sperre hatte bei allem Leid einen zweiten positiven Nebeneffekt: Eine glückliche Familie. Denn noch nie hatte Kobi an den Wochenenden so viel Zeit mit seiner Familie verbringen können. Zeit, die sie zu nutzen wussten: „Wir haben alles Mögliche unternommen, haben Ausflüge gemacht, sind ins Tropical Island gefahren. Inzwischen kennen wir das ganze Berliner Umland.“ Auch einer persönlichen Leidenschaft konnte sich Herthas Nummer 3 widmen und verwirklichte den langgehegten Traum eines Bootsführerscheins. „Ich liebe das Wasser und hatte die Zeit dazu. Das ist nichts Weltbewegendes, aber ich habe etwas Neues gelernt. Navigation zum Beispiel hat mich sehr interessiert.“

336 Bundesligaspiele

Der schwere Vorwurf der Tätlichkeit gegen einen Unparteiischen nagte trotz aller Ablenkung und gestaltete Alltag wie Außerdarstellung schwierig. „Nach außen hin habe ich versucht, stark zu sein. Innerlich sah es manchmal anders aus. Ich liebe den Fußball, das ist mein Leben. Es hat einfach etwas gefehlt. Es gab auch Tage, da wollte ich nicht zum Training fahren, weil ich mich gefragt habe: Wozu eigentlich?“, beschreibt Kobi Überlegungen, die Fußballschuhe im Alter von 35 Jahren einfach an den Nagel zu hängen.

Die Entscheidung, dass es das nicht gewesen sein kann, traf er bewusst. So wollte Defensivakteur seine seit 1998 währende Bundesliga-Laufbahn nicht beenden und hatte ein Ende durch Sperre auch nicht verdient: In seinen 336 Bundesligaspielen (für Freiburg, Schalke und Hertha) wurde der vornehmlich als Verteidiger eingesetzte Linksfuß gerade dreimal vom Platz gestellt, zweimal davon mit Gelb-Rot.

Fußballer des Jahres in Georgien, Vizemeisterschaften, CL-Hattrick

Nicht nur hinsichtlich der Fairness ist Kobiashvili ein verdienter Spieler: Der 76-fache georgische Nationalspieler und zweimalige Fußballer des Jahres im Balkanstaat (2000 und 2005) sammelte in der Bundesliga 31 Tore und 35 Assists, wurde dreimal deutscher Vizemeister, stand im Pokalendspiel 2005 (1:2 gegen den FC Bayern) und gewann 2006 den Ligapokal.

Auch auf europäischer Bühne ist Herthas Senior kein unbeschriebenes Blatt. Er absolvierte sechs Spielzeiten in der Europa League, deren zwei in der Champions League und erlebte im November 2005 seine ganz persönliche Sternstunde: Beim 3:0 gegen den PSV Eindhoven erzielte Kobi alle drei Schalker Treffer in der Vorrundenpartie der Königsklasse.

Reichlich Aufstiegserfahrung

„Ich bin gesund, habe immer trainiert, bin also zumindest fit“, meldet sich der 35-Jährige zum Dienst zurück, gibt sich aber bescheiden. „Ich habe und will mit Sicherheit keine Bonuspunkte, weil ich 15 Jahre Bundesliga gespielt habe. Ich habe noch von keinem Trainer Geschenke bekommen. Wenn ich gespielt habe, dann weil ich das verdient hatte.“ Mit Fabian Holland, Felix Bastians und Shervin R. Fardi hat Cheftrainer Jos Luhukay drei weitere potentielle Linksverteidiger zur Auswahl, Kobiashvili ist fraglos der routinierteste dieser Gruppe, sieht seine Position aber mittlerweile gelassen. „Ich weiß selbst wie alt ich bin, so dass ich nicht mehr jedes Spiel machen kann und muss.“

Für die angestrebte Rückkehr ins Fußball-Oberhaus wird er ein wichtiges Puzzleteil bleiben. Zumal Kobi bisher bereits drei Aufstiege feiern konnte (zwei mit dem SC Freiburg, einen mit Hertha BSC). „Wenn wir aufsteigen und ich noch mal in der Bundesliga spielen darf, bin ich glücklich. Auch wenn es nur ein einziges Spiel sein sollte, hat es sich schon gelohnt.“

von Hertha BSC