Aus dem Lausbub ist ein Mann geworden
Teams | 25. Februar 2013, 12:03 Uhr

Aus dem Lausbub ist ein Mann geworden

Aus dem Lausbub ist ein Mann geworden

Fabian Lustenberger brilliert in dieser Spielzeit auf ungewohnter Position mit starken Leistungen.
Berlin - Andere an seiner Stelle würden mindestens drei Mal auf Holz klopfen. Nur Fabian Lustenberger nicht. Andere würden das sogar mehrmals täglich machen. Doch davon ist der 24-jährige Schweizer noch weiter entfernt als sein Heimatort Nebikon nahe Luzern von Berlin. Und das sind immerhin knapp 1.000 Kilometer. Aber er macht das anders, gesetzter, reifer, einfach erwachsener. Denn aus dem Lausbub ist ein Mann geworden. Dabei hätte gerade Lusti allen Grund dazu, den Moment zu genießen. Denn es läuft wie geschmiert, es läuft so gut wie schon lange nicht bei ihm, wie fast noch nie bei Hertha BSC. "Ich habe 20 Spiele am Stück gemacht, 20 Spiele, in denen wir nicht verloren haben", sagt er, "da können wir als Mannschaft und da kann auch ich als Spieler nicht so viel falsch gemacht haben. Denn 20 Spiele sind schon eine Marke."

Dass es so etwas geben könnte, so eine lange Zeit ohne Verletzungen, solch eine Stabilität, das haben ihm manche nicht zugetraut. Natürlich wurde der Mittelfeldspieler, der er viele Jahre war, oft von Verletzungen zurückgeworfen. Aber zäh wie das Leichtgewicht (70 Kilo bei 1,80 Meter Körpergröße) ist, hat sich der eidgenössische U21-Nationalspieler (EM-Zweiter 2011 hinter Spanien) immer wieder herangekämpft und durchgebissen. "Es ist auch ein bisschen Genugtuung dabei, es denen gezeigt zu haben, die mir die Fähigkeit abgesprochen haben, auf diesem Niveau Fußball zu spielen. 20 Spiele am Stück für einen, der nicht fußballtauglich ist, ist doch ganz gut."

"Unglaublich stabil und konstant"


Ein großes Talent war er schon immer. Auf verschiedenen Positionen einsetzbar auch. Aber dass Lusti seinen Turbo nochmals so zündet, dass ist dann doch eine der positivsten Überraschungen dieser Saison. Zumal noch auf einer ihm völlig neuen Position. Eigentlich war nicht er erste Wahl, als es zu Spieljahresbeginn in der zentralen Abwehr zu personellen Engpässen kam. Eher wähnte sich der 73-malige Bundesligaspieler als Abräumer vor der Abwehr. "Es war am Anfang eine Umgewöhnung", gibt er zu, "es war nicht ganz einfach. In der Vorbereitung hatte ich auch einige Spiele, die nicht ganz so gut waren, aber dann ging es." Inzwischen sagt sogar Trainer Jos Luhukay, der die Idee hatte, Lustenberger ins Abwehrzentrum zu stellen: "Er spielt unglaublich stabil und konstant. Er kann eigentlich alles, er hat sich toll entwickelt. Fabian ist unser Allrounder."

Langsam wird’s zur lustigen Frage, auf welcher Position der Schweizer eigentlich nicht spielen kann. "Ich hätte gesagt Torhüter", meint er und muss selbst ein wenig lachen. Denn auch im Kasten hat er schon gestanden, vor zwei Jahren, ebenfalls in der Zweiten Liga, musste er mal für zehn Minuten ran, weil das Auswechselkontingent ausgeschöpft war und der damalige Torhüter Marco Sejna des Feldes verwiesen wurde. Selbst da war Lusti nicht zu bezwingen. Dann findet sich aber doch noch eine Zone auf dem Rasen, die er noch nicht beackert hat: "Stoßstürmer. Da bin ich auch körperlich nicht veranlagt." Für ausgeschlossen aber hält er selbst das nicht: "Es kann ja sein, dass mich der Trainer in den letzten Minuten nach vorn schickt, wenn es mal nötig sein sollte."

Besuch der Familie zu fast jedem Heimspiel


Seine Vielseitigkeit ist sein größter Trumpf. Doch darum macht Lusti überhaupt kein Aufhebens. "Ich habe immer gesagt, ich spiele da, wo ich der Mannschaft am meisten helfen kann, ob als Rechtsverteidiger wie mal gegen Union oder vor der Abwehr wie gegen Aue. Ich bin froh, dass ich gesund bin und dass es für mich persönlich und für die Mannschaft gut läuft." Die stabile Gesundheit ist es aber nicht allein, die den wahrscheinlich vielseitigsten Spieler im Team von Trainer Jos Luhukay so stark macht, so stabil, so geradeaus. Es ist tatsächlich auch der Reifeprozess, den Lustenberger in seinen mittlerweile fünfeinhalb Jahren in Berlin durchlief.

Gerade einmal 19 Jahre jung war er, als er 2007 aus Luzern nach Berlin kam. Sein Heimatort Nebikon zählte damals exakt 2.172 Einwohner, ein Ort, in dem jeder jeden kennt und auch grüßt. Dann kommt so ein junger Mensch, fast noch ein Kind, in eine Vier-Millionen-Einwohner-Metropole und soll durchstarten. Daran sind schon viele zerbrochen, Lusti nicht. "Natürlich ist es schwer, über Nacht allein in der Fremde zu sein und auf eigenen Füßen zu stehen. Zu Hause wurde von der Mama die Wäsche gewaschen und das Essen gekocht. Aber hier musste ich erst einmal meinen eigenen Rhythmus finden, mir einen eigenen Plan aufstellen. Geholfen hat mir. dass ich oft Besuch von meiner Familie hatte." Mutter Monica war da und Vater Hans, auch Bruder Simon, selbst ein talentierter Fußballer. "Fast zu jedem Heimspiel hatte ich Besuch, das hat es mir ziemlich einfach gemacht."

Jonas Jan - "Das Schönste, was mir passiert ist"


Inzwischen hält es Lusti schon das sechste Jahr in Berlin aus, im Profigeschäft fast schon eine halbe Ewigkeit. Und viel erlebt hat er auch, von einer Fast-Meisterschaft bis hin zum zweimaligen Abstieg aus der Bundesliga eine wirre Achterbahn der Gefühle. Auch das Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern gehört zu den Höhepunkten. "Es wird ein ganz wichtiges Spiel", weiß er, "natürlich wollen wir gewinnen, aber selbst bei einem Unentschieden halten wir Lautern auf Distanz und wahren unsere Serie. Das wäre ganz wichtig für den Kopf." Wieder also solch ein Abend im Reifeprozess des jungen Mannes, wie schon so viele Tage in seiner zweiten Heimat. "Die Zeit hier hat mich stark geprägt, sowohl von sportlicher als auch von privater Seite her", sagt er, "ich habe mich im fußballerischen und im sozialen Bereich gut weiterentwickelt. Und ich habe hier jetzt meine eigene kleine Familie."

Seine Monique hat er kennengelernt und noch prägender ist die Geburt von Jonas Jan im August 2011. Obwohl der Kleine anderthalb Jahre ist, kann Lusti sein Glück noch immer kaum fassen: "Ich sage immer wieder, das ist das Schönste, was mir passiert ist. Der Kleine steht an erster Stelle." Und das mit aller Konsequenz. "Natürlich denkt man an manchem Morgen, och, jetzt würdest du aber gern noch eine Stunde liegen bleiben, aber man bekommt von dem Kleinen so viel zurück, das entschädigt für alles." So still Fabian Lustenberger seine Erfolge verarbeitet, bei allen Turbulenzen kühlen Kopf bewahrt und lieber auf Distanz geht, die herrlichen Stunden mit Monique und Klein Jonas Jan genießt er in vollen Zügen. Das zeigt, dass der Lausbub tatsächlich erwachsen geworden ist.

von Hertha BSC