Der harte Kerl mit dem weichen Herzen
Teams | 15. März 2013, 18:11 Uhr

Der harte Kerl mit dem weichen Herzen

Der harte Kerl mit dem weichen Herzen

Harte Schale, weicher Kern. Immer wieder gibt es diese irgendwie widersprüchliche, irgendwie aber auch sympathische Konstellation. Auf einen trifft das ganz besonders zu, auf Maik Franz. Der knallharte Abwehrspezialist zeigt sich von einer ganz anderen Seite.
Berlin - Es gibt jede Sorte von Fußballern. Natürlich die Zauberer, die Genies, die Zum-mit-der-Zunge-schnalzen-Akrobaten. Dann die Knipser, die Torjäger, die mit dem Tor-Riecher Gesegneten, die aus einer halben Chance zwei Buden machen. Und dann die Kämpfer, die Malocher, die ihr Herz in beide Hände nehmen. Die ehrlichen Arbeiter, mit denen sich der Fan in der Kurve am ehesten identifiziert, weil er ihnen am meisten glaubt und weil auch die meisten Anhänger richtig schuften müssen, um Anerkennung zu finden. Deshalb auch lieben sie besonders so einen wie Maik Franz.

Nach zwölf Jahren im Profi-Fußball weiß der Abwehrspieler, zu welcher Sorte er gehört: "Es ist doch klar, in welcher Ecke ich stecke. Es gibt welche, die werden nicht wahrgenommen, auch wenn sie vielleicht schon 200 Bundesligaspiele bestritten haben. Es gibt aber auch solche wie den Willi Landgraf, der nie in der ersten Liga gespielt hat, aber der in über 500 Spielen in der Zweiten Liga  immer 100 Prozent gegeben hat und den man deshalb kennt. Und auch Maik Franz kennt man."
"Aus einem Kämpfer machst du keine Zaubermaus"

Nur: Wie kennt man ihn? Als einen, der zuvor bei drei Bundesligisten (VfL Wolfsburg, Karlsruher SC, Eintracht Frankfurt) gespielt hat und nach 192 Erstligaspielen erstens von sich sagt "ich bin kein Fußball-Romantiker" und zweitens "aus einem Kämpfer machst du keine Zaubermaus". Natürlich kennt man ihn als ehrlichen Haudegen, der auch mal über die Stränge schlägt. Der sich schnell mal eine Verwarnung abholt oder vielleicht sogar einen Feldverweis. Der sich im Training schon mal mit einem Kollegen anlegt und erst recht im Spiel kein Kind von Traurigkeit ist. Einer, der sich reinhaut, dass die Schwarte kracht, der dem Gegner nach dem Kampf aber auch ehrlichen Herzens die Hand reicht. Nicht umsonst nennt er sich auf der eigenen Homepage IRONMAIK, Eisen-Maik. Das ist sozusagen nur sein Kampfname. "Training und Spiel sind das eine", sagt er, "alles andere hat damit nichts zu tun." Das sind, und das ist ihm wichtig, zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.

Denn da gibt es auch die ganz andere Seite des Maik Franz. Nein, es ist nicht die moderne Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde, in der sich der angesehene Wissenschaftler und Arzt durch einen selbst erfundenen Trank in einen kriminellen Typen verwandelt. Es ist die einfache Story eines mit 31 Jahren noch immer jungen Mannes, der es durch Fleiß, Beharrlichkeit, Willen, Disziplin und auch ein wenig Glück ziemlich weit nach oben gebracht, der dabei aber eines nie vergessen hat: seine Wurzeln. Und der sein sportliches und privates Glück gern mit anderen teilt oder ihnen zumindest eine Portion davon gönnt. Und das ohne viele Worte zu verlieren. Die "Aktion Kindertraum" in Berlin freut sich über jede Verwarnung, die Maik Franz kassiert, weil er für jede Gelbe Karte den Kleinen, die oft von einer unheilbaren Krankheit gequält werden und die sich einen vielleicht letzten Wunsch erfüllen möchten, eine stolze Summe überweist. "Darüber rede ich gar nicht so gern, denn entweder man macht es oder man lässt es bleiben. Darüber zu reden ist nicht so wichtig." Viel lieber lässt er Taten sprechen, alles andere ist ihm fast peinlich.

Einer, der über Mittelkreis und Eckfahne hinausdenkt

Er ist aber auch einer, der sich an Dingen erfreut, über die andere womöglich nicht einmal nachdenken. "Ich war in den USA und habe es sehr genossen, dass dort Freunde etwas organisiert hatten. Ich bin unheimlich gern in Kroatien und ich werde nie vergessen, wie ich mit Freunden aus Georgien in der Ukraine war. Ich habe in all den Jahren als Profi viele nette Menschen kennengelernt und coole Kollegen. Es sind Dinge, die kann man sich nicht kaufen, die mich aber glücklich und zufrieden machen." Maik Franz denkt über Strafraum und Elfmeterpunkt, Mittelkreis und Eckfahne weit hinaus. "Ich habe viel Glück gehabt in meinem Leben. Jeder, der in unserer Kabine sein darf, der in so einem tollen Stadion wie unserem spielen darf vor 30.000, 50.000 oder sogar 70.000 Zuschauern, ist ein Glückspilz."
Warum denkt gerade einer wie er so? Warum ist das gerade für einen wie ihn so wichtig? Für diesen rustikalsten Typen unter den Rustikalen, der manchmal so spielt, als gebe es kein morgen? "Es ist eine Frage der Erziehung", sagt Franz, "ich bin meinen Eltern unendlich dankbar, was sie für mich getan haben. Sie haben mir das Sportinternat in Madgeburg ermöglicht, obwohl wir es finanziell nicht so dicke hatten. Sie haben alles für mich gemacht." So ist er bodenständig geblieben, behält stets eine feste Bindung zu Mutter Marion und Vater Reinhard, zu Bruder Michael und auch zu seinen Freunden und Kumpels zu Hause im beschaulichen Langenstein, dem nicht einmal 2000-Seelen-Nest am Rande des Harzes, das seit 2010 zu Halberstadt gehört. "Familie ist für mich enorm wichtig", sagt er, "sie und meine Freundin Eva haben mir auch viel Rückhalt gegeben, als ich so lange verletzt war."

"Ich werde jedes Spiel noch mehr genießen"

Gerade hatte er sich von einem Kreuzbandriss aufgerappelt, da fiel er durch eine schwere Schulterverletzung aus. Seit Sommer 2011, seit Beginn seines Engagements bei Hertha BSC, hat der Defensivspieler lediglich zwölf Punktspiele (sieben in der Bundesliga, fünf in der Zweiten Liga) absolviert. Dabei ist er gekommen, um noch einmal durchzustarten. Doch eine Erfolgsgeschichte geht anders. Aber das ist nicht schlimm für Maik Franz. Der ist mit sich im Reinen und öffnet auch deshalb ein wenig sein Innerstes: "Natürlich ist es hart, so lange verletzt zu sein. Da gehst du täglich vier, fünf Stunden in die Reha, verzichtest auf Urlaub, kannst eigentlich den Spaß, der in der Kabine herrscht, schon nicht mehr hören, weil du ja nicht spielen kannst." Das ist für einen Sportler, der heiß ist auf den Wettkampf, die reinste Hölle. Die muss es sein, wenn sogar einer wie Maik Franz so gelitten hat und der sonst von sich sagt, ein "Daueroptimist" zu sein.
Aber auch oder gerade bei einem Kämpfer und Malocher wie ihm muss vor dem Erfolg der Schweiß in Strömen fließen. In diesem Sinne hat sich Eisen-Maik zurückgearbeitet ins Team, er hat beim 4:2 gegen den MSV Duisburg gespielt ("Es ist ein Riesengeschenk, wieder in diesem Stadion und vor diesen Fans zu spielen, es ist einfach unbeschreiblich.") und wird womöglich in der Partie bei 1860 München in der Startelf stehen. "Allein vielleicht wieder in München zu spielen und meiner Mannschaft helfen zu können, dafür hat sich die ganze Schinderei gelohnt", ist er froh, die Zeit der Leiden endlich hinter sich zu lassen. Der harte Kerl mit dem ziemlich weichen Herzen hat sich für die Rückkehr ein völlig neues Ziel gesetzt: "Ich werde jedes Spiel und jeden Moment noch mehr genießen."

200 Bundesligaspiele als Hausnummer

Das soll aber erst die kleine Belohnung sein für all die Mühen. Die große soll mit dem Aufstieg kommen und mit weiteren Jahren in der Bundesliga. "Ich habe immer gedacht, Maik, wenn du mal 200 Bundesligaspiele geschafft hast, dann bist du einer, das ist eine Hausnummer." Acht Spiele fehlen ihm noch. "Die und noch einige mehr will ich mit Hertha packen und – das war mir bislang nicht vergönnt – vielleicht einen Titel gewinnen. An den Meistertitel denke ich da nicht, aber warum sollten wir es nicht bald mal im Pokal zu etwas bringen!?" Mit dem wäre das Glück für Maik Franz dann endgültig perfekt.

von Hertha BSC