"Es ist die wichtigste Partie der Saison"
Teams | 8. April 2013, 18:49 Uhr

"Es ist die wichtigste Partie der Saison"

"Es ist die wichtigste Partie der Saison"

Vor dem Gipfeltreffen der 2. Fußball-Bundesliga am Montagabend (08.04.13) zwischen Hertha BSC und Eintracht Braunschweig sprach Hertha-Linksverteidiger Levan Kobiashvili mit herthabsc.de.
Berlin - Mit einem Alter von 35 Jahren ist Levan Kobiashvili der erfahrenste Spieler bei Hertha BSC. Seit der Winterpause der Saison 2009/2010 trägt der Defensiv-Spezialist das Trikot der Blau-Weißen. In 85 Spielen in der 1. und 2. Fußball-Bundesliga durchlebte der 35-Jährige diverse Höhen und Tiefen in der Hauptstadt. In der höchsten deutschen Spielklasse erhielt der Herthaner mit der Rückennummer drei insgesamt 336 Einsätze auf seinen Stationen beim SC Freiburg, FC Schalke 04 und bei Hertha BSC. Nach seiner Pause kehrte 'Kobi' zur Rückrunde der aktuellen Zweitligasaison zurück und zeigte in seinen bisherigen sechs Partien, bei denen er ausschließlich auf der linken Abwehrseite eingesetzt wurde, starke Leistungen. Vor der Spitzenpartie gegen Eintracht Braunschweig sprach Levan Kobiashvili über sein Karriereende in der georgischen Nationalelf, seine Heimat und die Bedeutung des Braunschweig-Spiels.
herthabsc.de: Du hast in der zurückliegenden Woche dein Karriereende in der georgischen Nationalmannschaft bekannt gegeben. Welche Gründe gab es für deine Entscheidung?
Levan Kobiashvili: Das war die schwierigste Entscheidung in meiner Karriere, einfach tschüss zu sagen und sich von einem Team zu verabschieden, bei dem ich so viele Jahre verbracht und Spiele bestritten habe. Aber ich habe jetzt diese sportliche Entscheidung getroffen und bin rückblickend dankbar für alles.

herthabsc.de: Du hast im Oktober 2011 dein letztes Spiel für Georgien bestritten und erst jetzt deinen Rücktritt erklärt. Warum?
Levan Kobiashvili: Nach dieser Partie war ich nicht mehr dabei, was sportliche Gründe hatte, die ich aber nicht genau benennen kann. Wie jeder weiß, hat auch meine sechsmonatige Sperre mit hineingespielt und ich dachte, dass ich jetzt, nachdem ich wieder spiele, eine Einladung bekomme, was jedoch nicht erfolgte. Daher habe ich für mich diese Entscheidung getroffen, die mir auch menschlich hilft, denn nun kann ich mich auf meine Aufgabe hier bei Hertha BSC konzentrieren und muss nicht immer mit einem Auge auf die Nationalelf schauen.

herthabsc.de: Du hast einhundert Spiele für das georgische Nationalteam bestritten – das ist eine beeindruckende Leistung. An welche Momente aus dieser Zeit erinnerst du dich besonders gerne zurück?
Levan Kobiashvili: Die Frage haben mir auch die georgischen Journalisten zuletzt oft gestellt und ich muss ehrlich sagen, dass für mich jedes Spiel das schönste war – egal ob wir gewonnen oder verloren haben. Das waren Einsätze für die Nationalmannschaft, die mir alle viel bedeuten und bleibende Erinnerungen für mich sind. Ich bin glücklich, dass ich so lange für mein Land spielen durfte und der erste und einzige Spieler bin, der einhundert Partien für mein Land bestritten hat.

herthabsc.de: Du bist der Rekordnationalspieler deines Landes. Welchen Status genießt du in deiner Heimat?
Levan Kobiashvili: Ich habe sehr viele Fans in Georgien, von denen ich viele liebe Anrufe und SMS nach der Bekanntgabe meines Rücktritts erhalten habe. Es ist toll, wie mich die Zuschauer die ganze Zeit unterstützt haben. Das war auch der Grund, warum ich das offiziell bekannt gegeben habe, denn ich wollte mich damit bei allen Fans für ihre Unterstützung bedanken. Ich kann immer nur wieder Danke sagen.
herthabsc.de: Georgien ist ein Land von dem man in Deutschland nicht viel weiß und mitbekommt. Die Geschichte des Landes ist von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt. Welche Meinung hast du zu dieser Vergangenheit?
Levan Kobiashvili: Zum Glück ist der Krieg, der 2008 stattfand, vorbei. Das war eine schwierige Zeit nicht nur für mich persönlich, sondern für das gesamte Land. Glücklicherweise hat sich seitdem eine Menge verändert: Wir haben eine neue Regierung, einen neuen Premierminister und ein besser aufgestelltes politisches Team. Jetzt geht es mit dem Land aufwärts, das wunderschön ist, sodass ich jedem empfehlen kann, Georgien einmal zu besuchen. Wir haben das Meer, wo man einen angenehmen Sommerurlaub verbringen kann. Außerdem haben wir in den Bergen, wie zum Beispiel im Kaukasus, tolle Skigebiete, wo man gut im Winter auf Skiern unterwegs sein kann. Leider habe ich dazu kaum Zeit, da ich in den Wintermonaten immer in Deutschland bin. Aber wenn ich meine Karriere irgendwann beende und nach Georgien zurückgehe, werde ich das definitiv nutzen, worauf ich mich richtig freue. Außerdem ist die georgische Küche hervorragend. Ich bin stolz und glücklich, dass ich aus diesem tollen und schönen Land komme.

herthabsc.de: Lass uns den Blick zurück auf den Fußball richten: Was zeichnet den Fußball in Georgien im Vergleich zu Deutschland aus?
Levan Kobiashvili: Im Allgemeinen ist der Unterschied sehr groß, allein wenn man den Ligafußball vergleicht, sind enorme Differenzen zu erkennen. Georgien ist ein sehr kleines Land, aber trotzdem haben wir viele sehr gute Fußballer in unseren Reihen, die ihr Potenzial auch in den großen europäischen Ligen unter Beweis stellen konnten. Einige meiner Landsmänner haben beim AC Mailand, bei Ajax Amsterdam oder bei Manchester City gespielt – das sind große Adressen im europäischen Fußball. Aber auch hier in der deutschen Bundesliga waren starke Georgier zu finden wie damals in Freiburg, danach auf Schalke, in Karlsruhe oder Bochum. Wir konnten beweisen, dass wir auch Fußball spielen können. Aber leider haben wir in Georgien nicht so viele Möglichkeiten, die gesamte Infrastruktur ist bei Weitem nicht so toll wie hier in Deutschland. Die georgische Nationalmannschaft war auch noch nie bei einem großen Turnier dabei und ich hoffe, dass wir das bald packen. Aber das ist kein leichtes Unterfangen, in der aktuellen Weltmeisterschaftsqualifikation sind wir in einer Gruppe mit Spanien und Frankreich. Für ein Land wie Georgien ist es schwer, sich dort durchzusetzen. Aber vielleicht schlägt unsere Stunde bei der Europameisterschaft 2016, denn da wird die Anzahl der teilnehmenden Länder erhöht.

herthabsc.de: In der Nationalelf hast du deine Karriere beendet, bei Hertha BSC bist du aber noch voll in Action und hast dich in den letzten Partien in der Startelf etabliert. Wie verlief die Anpassung an den Spielbetrieb nach deiner Pause?
Levan Kobiashvili: Das war wirklich nicht leicht, aber die gesamte Vorbereitung, das Trainingslager und die Testspiele, die wir bestritten hatten, haben mir gut geholfen und das war toll für mich. Ich musste erst einmal wieder meinen Rhythmus finden, denn ich habe zwar durchgängig trainiert, aber die Spielpraxis ist etwas ganz anderes und die hat mir gefehlt. Zu Beginn der Rückrunde bekam ich die Chance bei Kurzeinsätzen und plötzlich spiele ich von Anfang an. Das freut mich riesig und alleine nur deswegen hat es sich gelohnt, weiterzumachen. Ich wollte nicht aufgeben. Jetzt ist die Zeit wieder gekommen, dass ich Fußball spielen darf und diese Momente genieße ich.
herthabsc.de: Hertha hat eine hervorragende Ausgangslage für den Aufstieg in die 1. Bundesliga. Fußballer lassen sich nicht gerne auf Rechenspiele ein, aber Hand aufs Herz: Welchen Plan hast du dir zurechtgelegt, um die letzten Punkte einzufahren?
Levan Kobiashvili: Auf der einen Seite wollen wir so schnell wie möglich den Aufstieg perfekt machen, aber auf der anderen Seite sind wir Sportler, die mit dieser Situation professionell umgehen müssen. Wir sind noch nicht aufgestiegen, sondern lediglich auf einem guten Weg. Wie viele Spiele wir noch gewinnen oder Punkte sammeln müssen, weiß ich auch nicht. In erster Linie haben wir alles selber in der Hand, zudem ist alles auch abhängig von den Resultaten der Gegner. Die Verfolger haben auch ein schweres Programm in den letzten Partien vor sich und wenn sie Punkte liegen lassen, während wir gewinnen, kann das noch zwei, drei oder vier Spiele dauern, bis wir als Aufsteiger feststehen. Aber das kann niemand vorhersehen – ich auch nicht. Zunächst konzentrieren wir uns auf das nächste Spiel, das meiner Ansicht nach die wichtigste Partie der gesamten Saison ist.

herthabsc.de: Heute kommt es zum großen Spitzenduell in der Zweiten Liga gegen euren ärgsten Verfolger Braunschweig. Was wird der Schlüssel zum Erfolg gegen Eintracht sein?
Levan Kobiashvili: Braunschweig hat eine richtig gute Mannschaft. Es ist kein Zufall, dass sie dort oben in der Tabelle stehen. Die Vorfreude von unserer Seite aus ist riesig, denn wir spielen an einem Montagabend unter Flutlicht vor vielen Zuschauern im Stadion und vor den Fernsehern. Der Schlüssel zum Erfolg wird wie zuletzt unsere starke Defensive sein. Wir benötigen zunächst die Stabilität und im Angriff sind wir gegen jede Mannschaft immer für das eine oder andere Tor gut. Das können wir auch gegen Braunschweig.

herthabsc.de: Mit einem Sieg gegen Braunschweig könntet ihr einen ganz wichtigen weiteren Schritt in Richtung Erstklassigkeit gehen, da sich die in der Tabelle nachfolgenden Teams Köln und Kaiserslautern die Punkte an diesem Spieltag gegenseitig wegnahmen. Mit einem Alter von dann 36 Jahren könntest du nochmal in der höchsten deutschen Fußballliga spielen. Was denkst du über diese Vorstellung?
Levan Kobiashvili: Ich hoffe auch das so etwas passiert, allerdings denke ich da nur an das mannschaftliche Ziel. Wir wollen als Team aufsteigen und da ist es nicht von Belang, ob Levan Kobiashvili nächstes Jahr erneut in der 1. Bundesliga spielt, sondern Hertha BSC soll wieder erstklassig sein. Diese Einstellung vertritt jeder Spieler in unserer Mannschaft und wir haben stets bewiesen, dass wir eine gute Truppe zusammenhaben. Es sind alles tolle Typen in unseren Reihen, die eine hohe Qualität und gute Mentalität besitzen. Aus diesem mannschaftlichen Verbund heraus wollen wir demnächst hören: Hertha BSC ist aufgestiegen.

von Hertha BSC