
"Mal ein bisschen spinnen und träumen"
"Mal ein bisschen spinnen und träumen"

Berlin - Er ist das Gesicht des Hertha-Echos. Am Donnerstag (02.05.13) steht ein ganz besonderes Jubiläum an: Das Hertha-Echo geht zum 500. Mal über den Äther. Anlass genug, Manfred 'Manne' Sangel zum herthabsc.de-Interview einzuladen. Der Hertha-Echo-Macher blickt zuürck auf 499 Sendungen, zieht ein erstes Saison-Fazit und blickt voraus.
herthabsc.de: Die 500. Sendung des Hertha-Echos steht an. Wir wurde denn eigentlich die Idee geboren, diese Sendung zu machen?
Manfred Sangel: Es hatte mit der damaligen Zeit zutun. Damals befanden wir uns in der damaligen Berliner Oberliga, sind aus der zweiten Liga in Aachen abgestiegen und somit aus dem Fokus der überregionalen Presse ohnehin verschwunden. Damals stand ja auch noch die Mauer, das hieß, wir spielten nur die Oberliga in West-Berlin und hatten quasi keine Auswärtsspiele. Außer der FuWo hat niemand über Hertha berichtet. Ich habe mich dann immer sehr geärgert, dass man eigentlich nicht viel über Hertha erfahren hat und wenn über Hertha berichtet wurde, es eigentlich immer nur negativ war. Und dann dachte ich mir, dass das auch anders gehen muss und habe dann in unserer alten Sendung Berichte über Hertha gebracht und so ist dann die Idee geboren worden.
herthabsc.de: Wie lief es dann, bis die Sendung stand?
Sangel: Das Konzept stand ziemlich schnell. Wir wollten mit Studiogästen zusammenarbeiten, Fußballmusik bringen und ausschließlich das Thema Hertha und die anderen Abteilungen des Vereins behandeln - hauptsächlich aber über die Profis berichten. Ich habe dann mit dem Konzept den damaligen Manager Horst Wolter angesprochen. Die alles entscheidende Frage von Horst Wolter war damals: Was kostet das den Verein? und ich habe als Antwort gegeben: Nüscht! Mit Wolter habe ich ausgemacht, Pressekarten zu bekommen, um berichten zu können. Es war immer schwer an die Karten heranzukommen, obwohl wir damals in der 2. Liga vor nicht allzu vielen Zuschauern spielten und auch das mediale Interesse nicht so groß war.
herthabsc.de: Was hat sich in den Jahren verändert?
Sangel: Konstant ist der Donnerstag als Sendetag, der damals mit Bedacht ausgewählt wurde, weil es damals 1989 keine Fußballspiele am Donnerstag gab. Oft war es so, dass wenn wir auswärts gespielt haben, wir das einzige Medium der Berliner Presselandschaft waren, die von Hertha berichtet haben. Der SFB hat natürlich auch über Hertha berichtet, die haben aber meist nur die Reportage der Kollegen vor Ort übernommen. Das ist heutzutage natürlich ganz anders geworden.
herthabsc.de: Wenn du zurückdenkst, wer waren deine Top-Studiogäste?
Sangel: Mit weitem Abstand ist Rainer Calmund, als damaliger Manager von Bayer 04 Leverkusen, zu nennen. 1993 haben wir das Endspiel der Hertha-Bubis gehabt und im Zusammenhang mit dem Pokalfinale haben wir ein Interview mit ihm vereinbart. Parallel hatten wir den damailgen Hertha-Manager Levin eingeladen und eine zweistündige Pokalendspiel-Sondersendung geplant. Eine halbe Stunde vor der Sendung haben wir erfahren, dass Levin nicht kommt. Parallel haben wir einen Anruf aus dem Hotel bekommen, dass Calmund nicht dort war, wo wir ihn abholen sollten. Aus der Sendung, die prall gefüllt schien, hatten wir plötzlich nichts mehr. Also mussten wir improvisieren. Die Sendung lief zehn Minuten, als plötzlich Calmund in der Tür stand. Er meinte, dass er aus dem Hotel verschwinden musste und dann eben selbstständig zum Studio gefahren ist.
herthabsc.de: Wer hat dich noch beeindruckt?
Sangel: Ein anderer toller Gast unserer Sendung war Hans Meyer als damaliger Trainer vom Chemnitzer FC, der sich für unser Hertha-Echo entschieden hat und damit gegen eine Sendung der damaligen Nummer Eins in der Radiolandschaft 100,6. Die beiden, Hans Meyer und Rainer Calmund würde ich schon als die besondersten Gäste in unserer Show bezeichnen. Aber jeder, der bei uns im Studio war, war ein gern gesehener Gast. Es gab gute Sendungen durch gute Studiogäste.
herthabsc.de: Wen hattet ihr denn in den Jahren vorm Mikrofon?
Sangel: Es gibt so viele tolle Studiogäste, so viele tolle Telefonate mit Hoeneß, Beckenbauer, Allofs, Lemke. Damals war es noch einfacher, an die Leute heranzukommen. Selbst Jürgen Klopp vom FSV Mainz haben wir noch am Telefon gehabt. Aber auch alles, was bei Hertha Rang und Namen hat oder hatte, hatte kaum eine Chance, sich unserem Mikrofon zu entziehen, egal ob am Platz oder im Studio. Seit 1989 gibt es auch kaum einen Trainer, der nicht im Studio war, selbst Michael Skibbe, der ja rekordverdächtig kurz da war. Auch fast alle Manager waren bei uns. Es ist schwieriger geworden, aber eher an externe Gesprächspartner zu kommen, weil sie viel mehr abgeschottet werden. Früher war es einfacher. Ich habe in Kaiserslautern im Mittelkreis gestanden und ein Interview gemacht, ich habe beim Pokalspiel in Meppen neben der Trainerbank gesessen und habe in der Pause der Verlängerung ein Interview mit unserem Trainer gemacht. Alles Dinge, die heute kaum noch vorstellbar sind.
herthabsc.de: Das Hertha-Echo ist auch auswärts meist dabei. Was ist dir da in Erinnerung geblieben?
Sangel: In der Champions League in Mailand war es auch schon schwierig aufgrund der ganzen Regularien. Das war auch ein Tag, an dem wir Sendung hatten. Wir hatten mit dem damaligen Pressesprecher Felder abgemacht, dass wir vor dem Spiel im Stadion noch ein Interview machen, aber ich stand vor dem Stadion und kam nicht in den Innenraum, obwohl es noch weit vorm Spiel war. Felder habe ich nicht erreicht, der aber auch nichts hätte machen können. Und plötzlich stand ein Typ neben mir in einem wirklich feinen Zwirn und hat mich in einem ausgesprochen guten Deutsch angesprochen, ob er mir behilflich sein könne. Ich habe ihm die Situation geschildert und er hat mich daraufhin mitgenommen. Die Ordner haben sofort Platz gemacht, ich weiß aber bis heute nicht, wer das war. Am Ende standen wir im Innenraum und er meinte: Ich glaube, das müsste reichen, oder? Das war wirklich sensationell und dann habe ich auch noch Co-Trainer Bernd Storck ans Mikrofon bekommen. Das hatte schon was, weil es aufregend war und ich den Druck der Livesendung hatte.
herthabsc.de: Sind denn auch immer alle Interviewgäste gekommen, die zugesagt hatten?
Sangel: Mit Artur Wichniarek hatte ich auch ein besonderes Erlebnis. Wir hatten ausgemacht, wann er in die Voltastraße kommen sollte. Die Sendung lief, aber wer nicht kam war Artur. Also habe ich ihn aus dem Studio angerufen und ihn gefragt, wo er denn sei und er meinte: Na endlich, er stünde schon die ganze Zeit vor dem Gebäude und hupte, aber niemand käme raus. Da hat sich dann herausgestellt, dass er bei mir zur Hause vor der Tür stand und nicht vor dem Studio. Maik Franz war auch eingeladen, stand aber auf der Seestraße im Stau. Da haben wir das Interview einfach per Telefon gemacht.
herthabsc.de: Als absoluter Kenner von Hertha BSC - Wie schätzt du die bisherige Saison ein?
Sangel: Für mich ist das wichtigste, dass es den Beteiligten - und da ist das Trainerteam um Jos Luhukay ganz vorne zu nennen - gelungen ist, aus allen ein wirkliches Team zu formen und geholfen hat, die letzte Saison so gut zu verarbeiten. Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie bereit ist, auch mal einen Schritt mehr zu machen - vor allem auch den Schritt mehr für den Mitspieler. Es gab sicher viele, die nach unserem Ausscheiden im Pokal gegen Worms gedacht haben, dass es wieder so eine schwierige Saison wird. Aber Jos Luhukay hat genau an den richtigen Stellschrauben gedreht, dass jeder einzelne kapiert, dass die Gesamtheit das Wichtige ist, wo sich jeder unterzuordnen hat. Ich glaube, er hat die Veranlagung ein Trainer bei Hertha zu sein, der länger bei uns ist. Was er auch erstaunlich schnell geschafft hat ist, die Mechanismen der Berliner Medienlandschaft zu realisieren, denn ich glaube, dass daran schon einige Trainer bei uns gescheitert sind.
herthabsc.de: Jetzt steht tatsächlich schon eure 500. Sendung an. Wie groß ist die Aufregung?
Sangel: Ich wurde schon gefragt, ob ich Valum intus hätte, denn ich wirke jetzt noch ausgesprochen ruhig, aber wer weiß, ob das nicht die Ruhe vor dem Sturm ist. Ich freue mich drauf - es ist aber schon eine andere Vorfreude. Wir fahren noch mal ins Studio, um Vorbereitungen zu treffen und ich habe mir auch schon Notizen gemacht. Aber meistens werfe ich dann eh wieder alles um (lacht).
herthabsc.de: Worauf können sich die Hörer denn am Donnerstag freuen?
Sangel: Worauf ich besonders gespannt bin ist die Neuaufführung des wohl ältesten Hertha-Liedes 'Blau-weiße Hertha, du spielt einfach wunderschön'. Lothar Heinze singt dieses Lied, der seit 1949 Mitglied dieses Vereins ist und zudem Archivar. Vor allem ist er derjenige, der hauptverantwortlich ist, dass dieses Lied am Donnerstag gespielt werden kann, weil er einer der einzigen alten Herthaner ist, der den Liedtext kannte. Dieses Lied ist Geschichte pur. Es haben die Schlachtenbummler auf dem Nachhauseweg vom Halbfinale in Leipzig im Zug 1930 gedichtet.
herthabsc.de: Was ist anders zu einer 'normalen' Sendung?
Sangel: Wir senden nicht aus dem Hörfunkstudio, sondern aus einem TV-Studio, die Technik muss da also funktionieren und am Ende gibt es nichts schöneres, als wenn ich den Sendefahrplan, der schon seit etwa 14 Tagen feststeht, nach 5 Minuten zerreißen darf, weil alles anders ist. Dann kann es nur eine gute Sendung werden. Und wenn wir uns trotzdem an den Sendefahrplan halten, wird es auch eine gute Sendung.
herthabsc.de: Welchen Traum hast du für die nächsten 500 Sendungen?
Sangel: Der Aufstieg in die 1. Liga ist ja ein Etappenziel, aber natürlich ist mein Traum, mit den Profis ins Pokalendspiel im heimischen Olympiastadion zu kommen. Herthaner zu sein heißt ja nicht immer, realistisch zu sein. Man kann ja auch mal ein bisschen spinnen und träumen. Und wenn es nicht passiert, geht die Welt auch nicht unter, aber das wäre schon eine schöne Geschichte. Und wenn, vielleicht nicht zur 502., sondern meinetwegen zur 550. oder 600. Sendung, Jos Luhukay als Hertha-Trainer nochmal ins Studio kommt, wäre es doch auch nicht verkehrt. Aber jetzt heißt das Ziel, nachdem der Aufstieg feststeht, dass wir diese Meister-Felge in der Hand halten wollen. Das nächste, viel wichtigere Ziel ist, bevor da ganz andere Träume zum Tragen kommen, ein gesicherter Platz in der Bundesliga, mit dem wir uns da wieder etablieren. Und wenn wir die nächsten zehn Jahre wieder zwischen Platz 14 und Platz 10 spielen müssen, soll mir das Recht sein.