"Wir waren eine Ausnahmemannschaft"
Teams | 19. Mai 2013, 02:19 Uhr

"Wir waren eine Ausnahmemannschaft"

"Wir waren in diesem Jahr eine Ausnahme- mannschaft"

Vor der Partie gegen Energie Cottbus (19.05.13) sprach der Berliner Coach Jos Luhukay mit herthabsc.de.
Er ist der Vater des Erfolgs und wird zu Recht als „Königstransfer“ bei Hertha BSC eingestuft. Mit seiner Akribie, Entschlossenheit und seinem Hang zum Perfektionismus hat Jos Luhukay eine schier unbezwingbare Mannschaft geformt, die zuvor aus einem Tal der Enttäuschung und Niedergeschlagenheit kam. Als Motivator und Fußballfachmann hat Herthas Cheftrainer eine Einheit gebildet, die sowohl auf dem Rasen als auch abseits des Platzes als Team funktioniert und deshalb erfolgreich ist.

Aus dem Aufstiegstrainer Jos Luhukay ist am 33. Spieltag der Meistercoach Jos Luhukay geworden. An Zielsetzungen mangelte es dem 49-Jährigen Fußballlehrer in dieser Saison wahrlich nicht. Vom Grundsatz „Das nächste Spiel ist das wichtigste“, über „Wir wollen unbedingt aufsteigen“, bis hin zu „Der Meistertitel soll die Krönung sein“ hielt der Niederländer die Spannung und Motivation bei den Herthanern hoch. Doch Jos Luhukay hat noch lange nicht genug. Vor dem letzten Heimspiel der Saison gegen Energie Cottbus sprach der Erfolgstrainer über den Punkterekord in der Zweiten Liga, eine tolle Saison der Berliner und seine Ziele in der 1. Bundesliga.

herthabsc.de: Herr Luhukay, die Saison ist fast vorüber und nur noch ein Spiel steht aus. Wie fällt das Fazit Ihrer ersten Saison bei Hertha BSC aus?
Jos Luhukay: Die Saison ist sehr gut verlaufen, und es ist sehr positiv, dass wir den Aufstieg so frühzeitig perfekt gemacht haben und uns anschließend auch als Meister gekrönt haben. Die Mannschaft und alle Mitarbeiter haben unglaublich gut dafür gearbeitet, um das zu bewerkstelligen. Es war ein gemeinsames und hartes Stück Arbeit, aber es hat sich gelohnt und wir freuen uns alle, dass wir im nächsten Jahr wieder in der 1. Bundesliga vertreten sind.
herthabsc.de: Sie haben mit Ihrer Arbeit einen unglaublich großen Anteil an dieser fantastischen Saison und genießen eine große Wertschätzung. Änis Ben-Hatira sagte: „Jos Luhukay ist der Superstar im Team.“ Kapitän Peter Niemeyer erklärte, dass man als Spieler für Sie „durch das Feuer geht“. Und der Manager Michael Preetz schwärmte: „Die Arbeit unseres Trainers ist herausragend. Er ist der Schlüssel zum Erfolg.“ Was denken Sie, wenn Sie diese Aussagen hören?
Jos Luhukay: Das ist wirklich schön zu hören und ich freue mich sehr, wenn ich ein solches Lob bekomme. Aber ich gehe damit sehr realistisch um und habe dementsprechend in der gesamten Saison versucht, meine Arbeit so gut wie möglich zu machen und die gemeinschaftliche Leistung umzusetzen. Die Arbeit im Trainerteam, mit der medizinischen Abteilung und vor allem mit meiner Mannschaft waren die Gründe, dass wir etwas Schönes geschafft haben.

herthabsc.de: Die Situation, in der Sie zu Hertha kamen, war keineswegs einfach. Wie ist es Ihnen gelungen, hier in Berlin – einer äußerst kritischen Stadt – alle so zu begeistern?
Jos Luhukay: Aus der Überzeugung heraus, sich Ziele zu stecken, und diese auch beharrlich zu verfolgen. Zudem hatte ich von Beginn an eine genaue Vorstellung, wie ich das mit Hertha BSC angehen möchte. Darüber hinaus ist es uns als Team gelungen, vom ersten Tag an nach vorne zu schauen und die Arbeit positiv aufzunehmen, anstatt in die Vergangenheit zurückzugucken. Wir hatten Vertrauen in uns und das hat sich ausgezahlt.

herthabsc.de: Die Saison die Hertha BSC in diesem Jahr spielt ist einmalig. An welche Momente in der aktuellen Spielzeit denken Sie ganz besonders gerne zurück?
Jos Luhukay: Eigentlich kann man diese Saison nicht auf einen einzigen tollen Moment herunter brechen. Aber wenn ich einen Augenblick herausheben müsste, dann ist es das Heimspiel am 30. Spieltag gegen den SV Sandhausen, als wir letztendlich die große Befreiung erlebten und die Emotionen hochkochten. Es war ein schönes Erlebnis, unseren leidenschaftlichen Fans, die uns die gesamte Saison großartig unterstützt haben – sei es zu Hause oder auswärts – diese Krönung zu schenken. Das war ein Befreiungsschlag für uns alle und ein Moment, an den ich mich gerne zurückerinnern werde.

herthabsc.de: Gerade zu Saisonbeginn verlief es allerdings nicht reibungslos.  An welchen Punkten kamen bei Ihnen vielleicht Zweifel auf, dass Ihr „Projekt Hertha“ nicht vollständig aufgehen könnte?
Jos Luhukay: Ich habe nie an unserem Projekt gezweifelt, auch nicht nach dem Pokalaus. Das war ein bitterer Moment, denn wir wollten nicht nur in der Meisterschaft, sondern auch im Pokal Erfolg haben. Rückblickend betrachtet, glaube ich, dass uns diese Niederlage sogar geholfen hat. Nach unserer ersten Niederlage in der Liga am zweiten Spieltag sind wir 21-mal in Folge ungeschlagen geblieben und haben nach 33 Spieltagen nur zwei Niederlagen kassiert, das ist unglaublich beeindruckend.
herthabsc.de: Was zeichnet Ihr Team aus?
Jos Luhukay: Die Mannschaft hat in dieser Saison sehr konstant und sicher gespielt und außer Eintracht Braunschweig sind unsere Konkurrenten zu keinem Zeitpunkt wirklich nah an uns herangekommen. Wir haben sie immer auf Distanz gehalten, was ein Ausdruck der Leistung meiner Mannschaft ist. Außerdem herrscht innerhalb des Teams ein sehr kollegiales Verhalten – sowohl auf als auch neben dem Platz. Der Umgang miteinander war von viel Respekt geprägt und die Jungs verstehen sich sehr gut. Fußballerisch haben wir in erster Linie stets auf die defensive Stabilität geachtet, was sich auch bewährt hat, denn wir haben die wenigsten Gegentore in der Liga gefangen. In der Offensive haben wir dann eine eigene Strategie entwickelt. Wir haben mit frühem Pressing versucht, den Gegner unter Druck zu setzen, um ihn zu Fehler zu zwingen. In Ballbesitz haben wir dann höher gestanden, um unsere Möglichkeiten zu kreieren und zu nutzen. Das ist uns auch gut gelungen, denn wir haben mit Abstand die meisten Tore erzielt. Unsere Bilanz ist schlichtweg fantastisch: Bestes Heimteam – ungeschlagen im Olympiastadion. Erfolgreichste Auswärtsmannschaft. Man darf ruhig sagen, dass wir eine Ausnahmemannschaft in diesem Jahr waren.

herthabsc.de: Aufstieg und Meisterschaft haben die Herthaner bereits perfekt gemacht. Jetzt haben Sie ein neues Ziel ins Visier genommen – den Punkterekord in der Zweiten Liga. Welche Bedeutung hätte es für Sie, alleiniger Rekordhalter zu sein?
Jos Luhukay: Nach dem Aufstieg hatten wir dieses Ziel überhaupt gar nicht im Hinterkopf. Wir wollten dann als Erstplatzierter in die Bundesliga aufsteigen, was uns nun auch geglückt ist. Und jetzt, wo nur noch ein Spiel aussteht, haben wir die Möglichkeit, diesen Rekord zu verbessern. Wir können Geschichte schreiben und haben somit einen letzten Anreiz in dieser Saison, dem wir uns gegen Cottbus stellen. In diesem einen verbleibenden Heimspiel wollen wir unsere Fans nochmal beeindrucken und ich bin davon überzeugt, dass wir es mit der Unterstützung unserer Anhänger auch schaffen werden. Die Leistung meiner Mannschaft verdient jetzt bereits ein Riesenlob, aber dieser Rekord wäre das i-Tüpfelchen einer fantastischen Saison.

herthabsc.de: Dafür benötigt Ihre Mannschaft mindestens ein Unentschieden gegen den FC Energie Cottbus, der zuletzt eine ansteigende Form zu verzeichnen hatte. Was erwarten Sie für ein Spiel?
Jos Luhukay: Ich erwarte einen hochmotivierten und starken Gegner, den wir sehr schätzen und respektieren. Aber wir haben ein Heimspiel, sind zu Hause noch ungeschlagen und wollen das auch unbedingt so beibehalten. Wir hoffen wieder einmal auf eine hervorragende Atmosphäre und Kulisse und ich wünsche mir, dass so viele Fans wie möglich zu uns ins Stadion kommen, sodass es vielleicht ausverkauft sein wird – das wäre ein richtig schöner Abschluss. Ich erinnere mich noch sehr gerne zwei Jahre zurück, als ich als Tabellenzweiter mit dem FC Augsburg am letzten Spieltag beim Spitzenreiter Hertha BSC antreten durfte. Damals war das Stadion rappelvoll und wir haben vor gut 77.000 Zuschauern gespielt. Es ist ein Traum für uns alle, wenn wir eine ähnliche Kulisse nochmal hinbekommen würden.

herthabsc.de: Das Cottbus-Spiel soll für lange Zeit die letzte Partie in der 2. Fußball-Bundesliga von Hertha BSC sein. Was stimmt Sie optimistisch, dass sich Ihr Team langfristig etabliert?
Jos Luhukay: Nachdem wir jetzt den ersten Schritt gemeinsam bewerkstelligt haben, wollen wir nun auch den zweiten in Angriff nehmen. Das bedeutet, dass wir mit unseren Möglichkeiten und in unserem Rahmen eine qualitativ starke Mannschaft formen müssen. Was wir uns in diesem Jahr erarbeitet haben, wollen wir auch weiterhin fortsetzen. Wir haben einen Prozess durchschritten, was die nötige Zeit und ein Stück Geduld gebraucht hat. Nun wollen wir an diese Entwicklung anknüpfen, indem wir weiterhin an unserer mannschaftlichen Geschlossenheit, der Bereitschaft und dem unbändigen Willen festhalten und unseren Stil fortsetzen. Wenn uns das gelingt, werden wir weit kommen. Zusätzlich wird aber auch die individuelle Qualität gefragt sein, um in der Ersten Liga das Durchsetzungsvermögen zu entwickeln.
herthabsc.de: Welche Rolle wird Ihre Mannschaft in der kommenden Saison in der Ersten Liga spielen?
Jos Luhukay: Ich hoffe, dass wir eine Überraschungsrolle spielen können. Wir haben uns in diesem Jahr sehr viel Respekt, Wertschätzung und Anerkennung in Fußball-Deutschland erarbeitet, sodass wir unser Image verbessern konnten. Daran müssen wir anknüpfen und ich denke, dass Hertha eine sehr gute Zukunft hat. Wir wollen uns in der 1. Bundesliga etablieren, was wieder ein sehr großes Ziel ist, das wir positiv angehen werden.

herthabsc.de: Dank des zeitig realisierten Aufstiegs konnten die Planungen für die neue Saison bereits vorangetrieben werden. Am Dienstag wurde der erste Neuzugang bekannt gegeben. Sie kennen Sebastian Langkamp bereits aus Ihrer gemeinsamen Zeit beim FCA. Welches Potenzial sehen Sie bei Ihm?
Jos Luhukay: Grundsätzlich müssen wir bei der Kaderzusammenstellung kreativ sein und gezielt nach Verstärkungen suchen. Sebastian ist in einem sehr guten Fußballeralter und hat bereits in der Ersten Liga Erfahrungen gesammelt. Er ist ein typischer Innenverteidiger, der robust, körperlich präsent und kopfballstark ist und zudem über ein gutes Stellungsspiel verfügt. Außerdem wird er charakterlich gut in die Mannschaft passen. Wir gehen in keiner Weise ein Risiko ein, da ich ihn bereits gut kennengelernt habe. Aber es ist nicht nur so, dass ich Spieler zu Hertha hole, mit denen ich in der Vergangenheit zusammengearbeitet habe. Aber es macht die Sache schlichtweg einfacher, denn unser Rahmen ist begrenzt und daher muss es bei einer Neuverpflichtung passen. Erstens müssen die Spieler vertraglich frei sein, zweitens muss es finanziell machbar sein und drittens müssen die Spieler auch die nötige sportliche Klasse besitzen. Die erste Unterschrift eines neuen Spielers haben wir jetzt und wir hoffen, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen den Kader noch schlagkräftiger aufstellen können, sodass wir guten Mutes in die Erste Liga starten werden. Wir haben also noch ein bisschen Arbeit vor uns.

herthabsc.de: Man merkt es Ihnen an, dass Sie vor Vorfreude auf die Erste Liga förmlich sprudeln. Am 23. Juni steht der Trainingsauftakt nach der Sommerpause an, bis dahin darf man die Seele durchaus etwas baumeln lassen. Wie werden Sie den Urlaub verbringen?
Jos Luhukay: Ehrlich gesagt, bin ich bei meiner Urlaubsplanung immer sehr spät dran und auch in diesem Jahr haben wir noch nichts geplant. Aber ich denke, dass wir eine Woche oder zehn Tage in den Urlaub gehen werden – aber das reicht mir auch, denn ich bin kein Mensch, der großartig verreisen muss, um sich zu entspannen. In diesem Jahr war ich wieder eine lange Zeit von meiner Familie getrennt, sodass ich vor allem die Zeit zu Hause genießen werde und dort Familie und Freunde besuche. Die vier Wochen werden wieder ganz schnell vergehen und ich weiß, wie ich bin, denn ich werde mich dann bereits wieder riesig auf meine Arbeit freuen. Ich möchte dann wieder mit der Mannschaft auf dem Platz stehen und das Thema Erste Liga angehen.

von Hertha BSC