
Teams | 10. Juni 2013, 19:58 Uhr
20 Jahre „Hertha-Bubis“: Das Achtelfinale
20 Jahre „Hertha-Bubis“: Das Achtelfinale

herthabsc.de zeichnet den Weg der Hertha-Amateure bis ins Pokalfinale 1993 nach. Der Titelverteidiger Hannover 96 musste nach dem 3:4 (1:0) gegen die Nachwuchs-Herthaner die Segel streichen.
Berlin - Es war eine der größten Sensationen in der Geschichte des DFB-Pokals überhaupt. In der Saison 1992/1993 sorgte die Amateurmannschaft von Hertha BSC für Furore und zog als erstes Amateurteam der deutschen Pokalgeschichte in das Endspiel im Berliner Olympiastadion ein. Das Finale gegen Bayer 04 Leverkusen fand am 12. Juni 1993 statt. Vor 20 Jahren schrieben die „Hertha-Bubis“ Fußballgeschichte und herthabsc.de zeichnet die sensationelle Pokalsaison nach.
„Hannover 96 ist die Pokal-Mannschaft der 90er Jahre“, befand damals die Sportreporter-Legende Heribert Faßbender. Unrecht hatte der Sportschau-Moderator mit dieser Aussage – auch wenn sie zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Jahrzehnts ausgesprochen wurde – nicht. Die Bilanz der Niedersachsen, die 1992 sensationell als Zweitligist den DFB-Pokal gewannen, sprach für sich. Neun Partien in Serie waren die Roten im nationalen Vereinspokal unbesiegt und kegelten sieben Erstligisten aus dem Turnier. Am 6. November 1992 fanden sich die 96er allerdings in einer für sie ungewohnten Situation wieder, denn sie reisten als klarer Favorit zum Achtelfinalspiel des DFB-Pokals nach Berlin, wo sie auf die Amateure von Hertha BSC trafen.
„Wir hätten in der Halbzeit heulend in der Kabine sitzen müssen“
„Wenn wir da rausfliegen, sind wir Deppen“, sagte Hannovers Torwart Jörg Sievers im Vorfeld der Partie beim Team aus der Oberliga Nordost. Klare Worte des Keepers. SeinemTrainer war hingegen nicht ganz wohl vor der Aufgabe beim Underdog. „Ich habe ein mulmiges Gefühl“, erklärte 96-Coach Eberhard Vogel, der die „Hertha-Bubis“ zuvor zweimal vor Ort bei ihren Liga-Auftritten beobachtete. Sein Gegenüber Jochem Ziegert ging hingegen mit viel Vorfreude und ohne Druck in das Duell mit dem Titelverteidiger, denn zu verlieren hatte seine Mannschaft nichts. „Die Burschen sollen spielen, wie es ihrem Alter entspricht: rotzfrech und jugendlich unbekümmert“, gab Ziegert seiner Truppe, die ein Durchschnittsalter von 20 Jahren aufwies, mit auf den Weg.
Doch diesmal schienen die Herthaner diese Unbekümmertheit nicht auf den Rasen des Mommsenstadions, in das die Blau-Weißen umzogen, sodass 5.306 Zuschauer dem Spiel beiwohnen konnten. Diese sahen aber in der ersten Halbzeit eine drückend überlegene Gästemannschaft aus der niedersächsischen Landeshauptstadt, die bereits in der 4. Spielminute durch Jochen Heisig in Führung ging. Im weiteren Verlauf war es Hertha-Schlussmann Dirk Heinrichs, der eine fantastische Leistung zeigte und sein Team somit mit dem knappen 0:1-Rückstand in die Pause rettete. „Wir hätten in der Halbzeit heulend in der Kabine sitzen müssen, wenn Hannover nur jede zweite Riesenchance genutzt hätte“, konstatierte Ziegert, der mit dem Auftritt seiner Elf in den ersten 45 Minuten nicht zufrieden war.
Elf spektakuläre Minuten
Und es wurde zunächst nicht besser. Im Gegenteil. Die 96er erhöhten unmittelbar nach Wiederanpfiff durch Jörg Kretzschmar auf 2:0 (48.). Das Spiel schien gelaufen, der Traum von der großen Sensation drohte wie eine Seifenblase im Wind zu zerplatzen. So dachte man. Aber was folgte, waren die wohl spektakulärsten elf Minuten in der Geschichte der zweiten Mannschaft von Hertha BSC. Der Anschlusstreffer durch Oliver Holzbecher per Kopfball (55.) weckte Hoffnungen, die beim 2:2 von Ayhan Gezen noch mehr aufkeimten. Gezen schloss einen starken Konter eiskalt ab, indem er Sievers umdribbelte und den Ball ins Tor schob (61.). Als dann Andreas Schmidt den Lattenabpraller nach Sven Kaisers Kopfball zum 3:2 abstaubte, wollten die Fans ihren Augen nicht trauen (66.). Das Spiel gegen den Cupverteidiger war mit einem frenetischen Zwischenspurt gedreht. Doch die Hannoveraner steckten ihrerseits nicht auf und glichen durch André Sirocks zum 3:3 aus (74.). Wer dachte, dass die Moral der Jung-Herthaner nach diesem Rückschlag gebrochen war, hatte weit gefehlt.
Andreas Schmidt machte die „Sensation im Mommsenstadion“, wie die Berliner Presse titelte, perfekt. Aus vierzehn Metern Torentfernung zog Schmidt drei Minuten vor dem Abpfiff in zentraler Position ab und ließ Sievers keine Abwehrchance. Pokalhelden wurden geboren und die Rede vom Wunder machte sich breit. Hertha-Coach Jochem Ziegert musste nach der nervenaufreibenden Pokalschlacht erst einmal tief durchatmen: „Ich habe erst mit dem Schlusspfiff an den Sieg geglaubt.“ Hannover 96 – der Titelverteidiger – musste seine Segel im Achtelfinale beim Berliner Drittligisten streichen. Die „Deppen“ aus Hannover, um es in den Worten von Jörg Sievers zu kleiden, waren der zweite Zweitligist, der das Aus gegen die Hertha-Amateure hinnehmen musste. Im Viertelfinale wartete ein noch größeres Kaliber auf die Ziegert-Elf: Bundesligist 1. FC Nürnberg.
Das Spiel im Stenogramm:
Hertha BSC Amateure - Hannover 96 4:3 (0:1)
Aufstellungen:
Hertha BSC: Heinrichs - Meyer - O. Schmidt (83. Höpfner), Nied - Lehmann, A. Schmidt, Holzbecher, Topcu (58. Milinkovic), Kolczyk - Kaiser, Gezen
Hannover 96: Sievers - Wojcicki - Sundermann, Klütz - Ellermann, Daschner (73. Bicici), Sirocks, Kretzschmar, Schjönberg - Heisig (63. N. Weiland), Djelmas
Tore: 0:1 Heisig (4.), 0:2 Kretzschmar (48.), 1:2 Holzbecher (55.), 2:2 Gezen (61.), 3:2 A. Schmidt (66.), 3:3 Sirocks (74.), 4:3 A. Schmidt (87.)
Zuschauer: 5.306
Spielort: Mommsenstadion, Berlin
„Hannover 96 ist die Pokal-Mannschaft der 90er Jahre“, befand damals die Sportreporter-Legende Heribert Faßbender. Unrecht hatte der Sportschau-Moderator mit dieser Aussage – auch wenn sie zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Jahrzehnts ausgesprochen wurde – nicht. Die Bilanz der Niedersachsen, die 1992 sensationell als Zweitligist den DFB-Pokal gewannen, sprach für sich. Neun Partien in Serie waren die Roten im nationalen Vereinspokal unbesiegt und kegelten sieben Erstligisten aus dem Turnier. Am 6. November 1992 fanden sich die 96er allerdings in einer für sie ungewohnten Situation wieder, denn sie reisten als klarer Favorit zum Achtelfinalspiel des DFB-Pokals nach Berlin, wo sie auf die Amateure von Hertha BSC trafen.
„Wir hätten in der Halbzeit heulend in der Kabine sitzen müssen“
„Wenn wir da rausfliegen, sind wir Deppen“, sagte Hannovers Torwart Jörg Sievers im Vorfeld der Partie beim Team aus der Oberliga Nordost. Klare Worte des Keepers. SeinemTrainer war hingegen nicht ganz wohl vor der Aufgabe beim Underdog. „Ich habe ein mulmiges Gefühl“, erklärte 96-Coach Eberhard Vogel, der die „Hertha-Bubis“ zuvor zweimal vor Ort bei ihren Liga-Auftritten beobachtete. Sein Gegenüber Jochem Ziegert ging hingegen mit viel Vorfreude und ohne Druck in das Duell mit dem Titelverteidiger, denn zu verlieren hatte seine Mannschaft nichts. „Die Burschen sollen spielen, wie es ihrem Alter entspricht: rotzfrech und jugendlich unbekümmert“, gab Ziegert seiner Truppe, die ein Durchschnittsalter von 20 Jahren aufwies, mit auf den Weg.
Doch diesmal schienen die Herthaner diese Unbekümmertheit nicht auf den Rasen des Mommsenstadions, in das die Blau-Weißen umzogen, sodass 5.306 Zuschauer dem Spiel beiwohnen konnten. Diese sahen aber in der ersten Halbzeit eine drückend überlegene Gästemannschaft aus der niedersächsischen Landeshauptstadt, die bereits in der 4. Spielminute durch Jochen Heisig in Führung ging. Im weiteren Verlauf war es Hertha-Schlussmann Dirk Heinrichs, der eine fantastische Leistung zeigte und sein Team somit mit dem knappen 0:1-Rückstand in die Pause rettete. „Wir hätten in der Halbzeit heulend in der Kabine sitzen müssen, wenn Hannover nur jede zweite Riesenchance genutzt hätte“, konstatierte Ziegert, der mit dem Auftritt seiner Elf in den ersten 45 Minuten nicht zufrieden war.
Elf spektakuläre Minuten
Und es wurde zunächst nicht besser. Im Gegenteil. Die 96er erhöhten unmittelbar nach Wiederanpfiff durch Jörg Kretzschmar auf 2:0 (48.). Das Spiel schien gelaufen, der Traum von der großen Sensation drohte wie eine Seifenblase im Wind zu zerplatzen. So dachte man. Aber was folgte, waren die wohl spektakulärsten elf Minuten in der Geschichte der zweiten Mannschaft von Hertha BSC. Der Anschlusstreffer durch Oliver Holzbecher per Kopfball (55.) weckte Hoffnungen, die beim 2:2 von Ayhan Gezen noch mehr aufkeimten. Gezen schloss einen starken Konter eiskalt ab, indem er Sievers umdribbelte und den Ball ins Tor schob (61.). Als dann Andreas Schmidt den Lattenabpraller nach Sven Kaisers Kopfball zum 3:2 abstaubte, wollten die Fans ihren Augen nicht trauen (66.). Das Spiel gegen den Cupverteidiger war mit einem frenetischen Zwischenspurt gedreht. Doch die Hannoveraner steckten ihrerseits nicht auf und glichen durch André Sirocks zum 3:3 aus (74.). Wer dachte, dass die Moral der Jung-Herthaner nach diesem Rückschlag gebrochen war, hatte weit gefehlt.
Andreas Schmidt machte die „Sensation im Mommsenstadion“, wie die Berliner Presse titelte, perfekt. Aus vierzehn Metern Torentfernung zog Schmidt drei Minuten vor dem Abpfiff in zentraler Position ab und ließ Sievers keine Abwehrchance. Pokalhelden wurden geboren und die Rede vom Wunder machte sich breit. Hertha-Coach Jochem Ziegert musste nach der nervenaufreibenden Pokalschlacht erst einmal tief durchatmen: „Ich habe erst mit dem Schlusspfiff an den Sieg geglaubt.“ Hannover 96 – der Titelverteidiger – musste seine Segel im Achtelfinale beim Berliner Drittligisten streichen. Die „Deppen“ aus Hannover, um es in den Worten von Jörg Sievers zu kleiden, waren der zweite Zweitligist, der das Aus gegen die Hertha-Amateure hinnehmen musste. Im Viertelfinale wartete ein noch größeres Kaliber auf die Ziegert-Elf: Bundesligist 1. FC Nürnberg.
Das Spiel im Stenogramm:
Hertha BSC Amateure - Hannover 96 4:3 (0:1)
Aufstellungen:
Hertha BSC: Heinrichs - Meyer - O. Schmidt (83. Höpfner), Nied - Lehmann, A. Schmidt, Holzbecher, Topcu (58. Milinkovic), Kolczyk - Kaiser, Gezen
Hannover 96: Sievers - Wojcicki - Sundermann, Klütz - Ellermann, Daschner (73. Bicici), Sirocks, Kretzschmar, Schjönberg - Heisig (63. N. Weiland), Djelmas
Tore: 0:1 Heisig (4.), 0:2 Kretzschmar (48.), 1:2 Holzbecher (55.), 2:2 Gezen (61.), 3:2 A. Schmidt (66.), 3:3 Sirocks (74.), 4:3 A. Schmidt (87.)
Zuschauer: 5.306
Spielort: Mommsenstadion, Berlin