"Hertha ist viel mehr als nur ein Job"
Teams | 21. Juli 2013, 12:28 Uhr

"Hertha ist viel mehr als nur ein Job"

"Hertha ist viel mehr als nur ein Job"

Hertha-Schlussmann Thomas Kraft im Berliner Kurier-Interview.
Berlin - Herthas Nummer 1 feiert am Montag (22.07.13) Geburtstag, Thomas Kraft wird 25 Jahre alt. Im Berliner Kurier gab der große Rückhalt im Tor der Herthaner ein Interview, das wir Euch - mit freundlicher Genehmigung von Andreas Lorenz und dem Berliner Kurier- nicht vorenthalten wollen.

Andreas Lorenz (BERLINER KURIER): Die fiese Frage vorneweg. Der Fußballgott garantiert Ihnen, dass Hertha BSC den Klassenerhalt aufgrund des besseren Torverhältnisses auf Platz 15 schafft. Aber ansonsten verspricht er gar nichts für die neue Saison. Nehmen Sie an?
Thomas Kraft: Nein. Ich will, wir wollen uns das erarbeiten. Wir wollen die richtigen Schritte in der Bundesliga gehen, wollen uns weiterentwickeln. Dabei ist mir egal, ob das am Ende Platz zehn oder 15 wird. Aber wir alle wollen hier etwas aufbauen. Jahr für Jahr.
Lorenz: Noch eine gemeine Frage: Spielen Sie lieber 0:0 oder lieber 3:3 nach zweimaligem Rückstand und einer tollen Aufholjagd?
Kraft: 0:0 natürlich, Sie fragen ja einen Torhüter. Ich habe nichts gegen eine emotionale Aufholjagd, wenn es sein muss. Das kann der Mannschaft viel bringen. Aber lieber ist mir, überhaupt kein Tor zu kassieren, damit es erst gar nicht dazu kommt.

Lorenz: Sie sind einerseits extrem impulsiv, brennen vor Ehrgeiz. Andererseits sind Sie dann wieder ein ganz ruhiger Typ, ein Analytiker, der in der Mannschaft und im ganzen Verein mithilft, die Bodenhaftung zu bewahren. Wie funktioniert dieser Spagat?
Kraft: Diese Art habe ich einfach. Das war schon immer so, ist über die Jahre höchstens ausgereift. Ich gehe Dinge, die mir wichtig sind, mit 100 oder auch 1000 Prozent an. Will immer das Maximale für die Mannschaft, den Erfolg, für mich. Aber man muss Rückschläge auch abhaken können. Nach vorne schauen können.

Lorenz: Erschrecken Sie manchmal vor sich selbst, vor Ihren Ausbrüchen?
Kraft: Nein, es ist einfach ein Teil von mir. Es kann sein, dass ich nach einem Spiel – das muss nicht mal schlecht ausgegangen sein – noch einzelne Situationen verarbeite. Dann bin ich unnahbar, vielleicht unansprechbar. Aber die Verarbeitung läuft schon.

Lorenz: Sind Sie im Privatleben auch so extrem zwischen den Stimmungspolen?
Kraft: Ich glaube, dass ich privat schon anders bin. Auch wenn es Parallelen gibt. Wenn mir ein Glas runterfällt, kann ich mich tierisch aufregen. Oder wenn ich spiele, im Billard gegen meinen Neffen, oder was auch immer, dann will ich gewinnen. Muss ich gewinnen. Aber trotzdem sehe ich zwei unterschiedliche Personen in mir als Sportler und als normaler Mensch.

Lorenz: Als Sie vor zwei Jahren nach Berlin gekommen sind, immerhin vom FC Bayern, hatte man schnell das Gefühl, dass Sie sich in Windeseile mit Hertha BSC und der Stadt identifiziert haben. Ist Hertha-Torhüter zu sein wirklich mehr als ein Job für Sie?
Kraft: Ja, aber das war ziemlich einfach für mich. Die Freundlichkeit im Verein, die Truppe, die Fans, das Trainingsgelände, die Möglichkeiten dieser Stadt – ich hatte sehr schnell das Gefühl als wäre ich schon ewig hier. Es hat seinen Reiz, darauf hinzuarbeiten, mit Hertha in eine gute Bundesliga-Position zu kommen. Der Weg dahin ist eine faszinierende Aufgabe.

Lorenz: Aber nach einem Jahr kam der Abstieg?
Kraft: Das hat uns zurückgeworfen. Massiv zurückgeworfen. Aber es hat nichts an meiner Identifikation mit Hertha geändert, so komisch das klingen mag.

Lorenz: Wie ist diesmal Ihr Gefühl für die Mission Klassenerhalt?
Kraft: Ich hatte auch vor zwei Jahren ein gutes Gefühl, war überzeugt, dass wir das packen. Den Abstieg mitzuerleben und danach die Entscheidungen im Verein, die großen Schritte, durch die der Aufstieg wieder gelungen ist, geben mir wieder Zuversicht. Wir werden das nicht im Durchgehen schaffen. Das wird kein Spaziergang. Aber ich sehe der Bundesliga positiv entgegen.

Lorenz: Wo und wie tanken Sie Kraft für die Bundesliga?
Kraft: Ob man es glaubt oder nicht, es gibt noch Dinge, die über dem Fußball stehen. Ich tanke Kraft in der Familie. Hier in Berlin bei Spaziergängen mit meiner Frau und unseren beiden Hunden. Um den Kopf freizubekommen.

Lorenz: Spüren die Tiere, ob Herrchen nach einem Erfolg oder einem Misserfolg nach Hause kommt.
Kraft: Auf jeden Fall. Wenn ich noch Frust mitbringe, suchen sie bewusst meine Nähe. Aber sie verlangen nichts. Sie sind einfach nur da.

Lorenz: Sie gelten wegen Ihrer Profistationen bei Bayern und Hertha als Münchner oder Berliner, stammen aber aus dem dörflichen Westerwald. Sie trainieren dort im Urlaub auch immer noch mit einem Ihrer Freunde, der Torwarttrainer ist.
Kraft: Stimmt. Die Bindung zu meinem Ursprung, zu meiner Familie und zu meinen langjährigen Freunden ist mir sehr, sehr wichtig. Wenn ich dorthin zurückfahre, nach Daaden, in der Sommer- oder Winterpause, dann denke ich oft: Das ist schon ein krasser Gegensatz. Aber ich brauche das und es tut mir gut, dort zu sein.

von Hertha BSC