
Zwischen Gepard & Richttempo auf Autobahnen
Zwischen Gepard & Richttempo auf Autobahnen

Berlin - Es läuft die 80. Spielminute in der HDI-Arena, als Jos Luhukay noch einmal aufs Ganze geht und mit Ronny und Sandro Wagner seine letzten Offensiv-Optionen zieht, um noch etwas zählbares aus Niedersachsen mit in die Hauptstadt zu nehmen. Eine Spielminute später wird Sandro Wagner von Hannovers Verteidiger Marcelo gefoult - Freistoß für Hertha BSC, aus halblinker Position am Strafraum der Gastgeber. Ronny, bisher ohne Ballkontakt, steht neben Per Skjelbred und Änis Ben-Hatira bereit und nimmt einige Schritte Anlauf.
Sechs Hannoveraner bilden im wahrsten Sinne des Wortes eine Mauer, in der auch der eingewechselte Sandro Wagner und Kapitän Fabian Lustenberger stehen. Die Standardsituationen, die Hertha BSC in der vergangenen Saison noch so ausgezeichnet haben, sind zu einer Standardfrage der Berliner Presselandschaft geworden. Einem Tor von John Anthony Brooks nach einer Ecke am ersten Spieltag gegen Frankfurt stehen einige Fehlschüsse gegenüber. Sieben, acht Schritte Anlauf des Brasilianers, man könnte aus der Torentfernung meinen, man schieße mit Kanonen auf Spatzen, ein Schuss wie ein Strahl, der durch die Mauer hindurch in den Winkel des machtlosen 96-Torhüters Ron-Robert Zieler einschlägt. Tor von Ronny Heberson Furtado de Araùjo - ein 1:1 der Marke 'Tor des Monats'. Jos Luhukay wechselt den Punktgewinn für die Berliner ein. Neben Ronny auch Sandro Wagner, der nicht nur den Freistoß zuvor herausholte, sondern auch die Lücke aufsperrte, durch die die Ronny-Rakete durchstartete.
Einen "Kanonenschlag" ohne Frust
Der Brasilianer jubelt bescheiden, zeigt mit seinen Fingern in den Hannoveraner Nachthimmel, guckt nach oben und bedankt sich bei Gott. Ein Kuss auf den rechten Unterarm und plötzlich verschwindet Herthas Nummer 12 in einer Blau-Weißen Jubeltraube. 119 km/h aus knapp 20 Metern Entfernung machen 33 Meter pro Sekunde oder anders ausgedrückt 0,61 Sekunden, bis der abgefeuerte Schuss im Winkel des 96-Tores einschlägt - unhaltbar. 119 km/h, schneller als die Höchstgeschwindigkeit eines Geparden (~110 km/h) und nur knapp unter der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen. Das Markenzeichen des Brasilianers ist dabei die einmalige Schusstechnik. Ein langer Anlauf à la Roberto Carlos, viel Kraft gepaart mit einer filigranen Eleganz. Ronny lässt den Ball dabei leicht über den Spann auf den Außenrist rutschen und gibt dem Spielgerät so einen Drall mit, der den meisten Torhütern Probleme bereitet. Bereits in der letzten Saison erzielte der Brasilianer fünf direkt verwandelte Freistoß-Tore - eine Qualität, die Hertha BSC auch in der Bundesliga von Nutzen sein könnte.
"Das war ein fantastisches Tor", sagte Jos Luhukay nach dem Spiel, während Michael Preetz den Schuss mit einem "Kanonenschlag" verglich. Seine Teamkollegen schwärmten ebenfalls von dem Freistoß, während Herthas Nummer 12 eher gelassen blieb: "Es war mein schönstes Tor in der Bundesliga. Es war kein Frust im Schuss, sondern das ist einfach meine Art, Freistöße zu schießen. Ich bin glücklich, dass ich der Mannschaft mit dem Tor helfen konnte." Es ist bereits das dritte Saisontor des Brasilianers, die er allesamt als Joker erzielte. Zuvor traf der 27-Jährige gegen Frankfurt und Nürnberg und legte das Tor von Per Skjelbred mit einem weiten Einwurf gegen Freiburg vor. 326 Minuten Einsatzzeit erhielt Ronny bisher in der Bundesliga. Im Schnitt benötigt der Brasilianer 109 Minuten, um an einem Tor der Berliner beteiligt zu sein. In Hannover war es genau eine Spielminute oder besser gesagt 0,61 Sekunden, die den Unterschied zwischen Niederlage und Punktgewinn machten.