
Auf der Suche nach der richtigen Balance
Auf der Suche nach der richtigen Balance

Berlin - Der Saisonstart in Hoffenheim verlief wechselhaft. Mal überzeugte die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol mit spektakulärem Offensiv-Fußball und mal ging die TSG gnadenlos unter. Nach 11. Spieltagen stehen drei Siege, vier Unentschieden und vier Niederlagen zu Buche. Unter dem Strich bedeutet das aktuell Tabellenplatz Neun, mit einem Torverhältnis von 26:25, was einen Schnitt von 4,6 Toren pro Spiel macht. Unterhaltsam sind die Spiele mit Hoffenheimer-Beteiligung eigentlich immer.
Vor der Saison wurde der Kader der Kraichgauer nahezu komplett umstrukturiert. Alleine neun Spieler aus der Amateur- und Jugendmannschaft wurden in den Profi-Kader aufgenommen oder hochgezogen. Mit Anthony Modeste (Girondins Bordeaux), Tarik Elyounoussi (Rosenborg Trondheim), Bruno Nazário (Tombense FC), Jiloan Hamad (Malmö FF), Kevin Akpoguma (Karlsruher SC) und Alexander Stolz (vereinslos) wurden sieben weitere Spieler verpflichtet. Der Kader der Turn- und Sportgemeinschaft ist mit einem Durchschnittsalter von 24,2 Jahren der drittjüngste der Bundesliga. Nur der SV Werder Bremen und der SC Freiburg (beide 23,9) verfügen über eine jüngere Mannschaft. Damit setzt der Verein die Politik fort, die nach dem Aufstieg in die Bundesliga eigentlich ausgegeben wurde: Junge und talentierte Spieler bereits früh verpflichten, um sie in Hoffenheim im Profi-Bereich zu etablieren, um nachhaltig sportlich und wirtschaftlich stabil zu sein.
Gisdol und Rosen mit klarer Linie - Starke Offensive und wackelige Defensive
Für das Umdenken in Hoffenheim sind unter anderem Trainer Markus Gisdol und Manager Alexander Rosen verantwortlich, die eine sehr klare Linie vorgeben. Ein Beispiel dafür ist die von Gisdol kurzzeitig eingeführte "Trainingsgruppe 2", in die er Profis wie Tim Wiese, Matthias Jaissle, Matthieu Delpierre, Edson Braafheid und Tobias Weis beorderte, mit denen der 44-jährige Trainer, wie vor der Saison angekündigt, nicht mehr plant. Die Trainingsgruppe hat sich inzwischen aufgelöst, die oben genannten Spieler trainieren und spielen aber dennoch nur in der U23 mit und werden für die Bundesliga-Spiele nicht berücksichtigt. Tim Wiese gab sich mit der Degradierung nicht zufrieden und trainiert seither im "gesonderten Einzeltraining". Diese Maßnahmen sind nicht unbedingt nett, zeigen aber, dass Hoffenheims Trainer klar und offen kommuniziert und zu seinem Wort steht. Im Vergleich zur letzten Saison spielt die Mannschaft solider und auch das Arbeitsumfeld des Vereins ist deutlich ruhiger geworden. In Sinsheim konzentriert man sich, nach den Eskapaden und der schlechten letzten Saison, in der 'Hoffe' zwischenzeitlich elf Spieltage auf einem Abstiegsplatz verbrachte, sich kurz vor Schluss in die Relegation rettete und durch zwei Siege gegen Kaiserslautern in der Bundesliga blieb, nämlich wieder auf den Fußball.
Johannes van den Bergh beschrieb die Hoffenheimer im Kurzinterview mit HerthaTV als "Wundertüte" und Unrecht hat er mit der Aussage nicht. Einem 5:1-Sieg in Hamburg stand zwei Wochen später beispielsweise eine 2:6-Niederlage in Stuttgart gegenüber. "Hoffe" gelang es in dieser Saison bisher nicht in einem einzigen Bundesliga-Spiel ohne Gegentor zu bleiben, auf der anderen Seite verfügt man mit Roberto Firmino (zehn Tore), Anthony Modeste (sechs Tore) und Kevin Volland (fünf Tore) über treffsichere Offensiv-Kräfte, die die nicht immer sattelfesten Abwehrleistungen an guten Tagen kompensieren können. Dennoch bleibt die Defensive wahrscheinlich das zentrale Thema, das 1899-Trainer Gisdol versuchen wird in den nächsten Spielen in den Griff zu kriegen, was dem 44-Jährigen in den letzten drei Spielen bereits phasenweise gelang. Am vergangenen Spieltag gegen den FC Bayern München sah dies über weite Strecken schon sehr gut aus. Hoffenheim ließ gegen den deutschen Rekordmeister wenig Chancen zu und musste sich nur knapp mit 1:2 geschlagen geben. "Wir haben keine Punkte, nur Ansehen gewonnen", äußerte sich der TSG-Trainer nach dem Spiel zur Leistung seiner Mannschaft.
Gisdols taktische Überraschungen
Gisdol schafft es, dass seine Mannschaft des Öfteren gegen nominell stärkere Teams durch taktische Anweisungen gute Spiele abliefert. Der 44-Jährige tüftelt dabei regelmäßig neue Taktiken aus und vermittelt sie der Mannschaft. Vor dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg mahnte der Trainer, dass die Mannschaft eine "ausgeprägte Schwarmintelligenz" brauche und gegen Leverkusen schickte er eine Mittelfeldvariante auf den Platz, die gut in die Problemzonen des Gegners stieß. Gegen Bayern ließ Gisdol eine Art Raum- und Manndeckung auf den Flügeln spielen, die vor allem die linke Angriffsseite der Münchener um Franck Ribéry und David Alaba einschränkte, aber auch im Allgemeinen für Kompaktheit im Spiel der Gastgeber sorgte.
Hoffenheim-Kapitän Andreas Beck sagte dazu, dass es manchmal sehr unkonventionell sei, aber der Mannschaft auch Sicherheit gebe, wenn die taktischen Vorgaben funktionieren. Aus den letzten drei Spielen gegen Leverkusen (1:2), Hannover (4:1) und Bayern (1:2) holte 'Hoffe' drei Punkte, lieferte aber in allen Spielen ordentliche Leistungen ab und verlor teils unglücklich. Hoffenheim ist noch auf der Suche nach der richtigen Balance, tastet sich aber immer weiter an diese heran ...