Abwärtstrend
Teams | 19. Februar 2014, 01:36 Uhr

Abwärtstrend

Abwärtstrend

Das Einzige, das gleich bleibt ist, dass sich vieles ändert – der VfB Stuttgart im Porträt.

Berlin – Sechs Niederlagen in Folge hat der VfB Stuttgart zuletzt hinnehmen müssen. Doch anders als beispielsweise in Hamburg gehen die Fans nicht auf die Barrikaden und stellen vieles infrage. Einer 1:4-Heimniederlage gegen den FC Augsburg folgte das gleiche Ergebnis bei der TSG 1899 Hoffenheim. Trotz dessen bleiben die zumeist kritischen Stuttgarter Fans verhältnismäßig ruhig. Enttäuschung und Frustration machen sich breit, Aggression oder Wut sind kaum zu vernehmen. "Wichtig ist, dass jeder versteht, dass wir uns in einer prekären Lage befinden. Wir müssen die Dinge, die schieflaufen, intern schonungslos offenlegen, damit wir schnellstmöglich wieder aus dieser Situation herauskommen. Dabei dürfen wir aber nicht die Ruhe verlieren", äußerte sich VfB-Sportvorstand Fredi Bobic nach dem Spiel gegen Hoffenheim.

In 20 Pflichtspielen gab es für die Mannschaft von Trainer Thomas Schneider bereits zehn Niederlagen, nur fünf Mal konnte das Team gewinnen. Zudem schieden die Schwaben in der Qualifikation für die Europa League gegen HNK Rijeka aus und mussten sich im DFB-Pokal dem Rivalen aus Freiburg geschlagen geben. Mit einem Durchschnittswert von einem Punkt pro Spiel scheint auch der Trainer hinter den Erwartungen zurückgeblieben zu sein. Doch die sportliche Führung sieht die Mannschaft in der Pflicht und stellt sich hinter den Trainer. "Ich spüre in seiner Arbeit eine Entwicklung. Man muss cool bleiben im Abstiegskampf. Wer nicht die Ruhe bewahrt, der zerfleischt sich selbst", äußerst sich Bobic mit Blick auf die Bilanz Schneiders. Doch selbst Vereinspräsident Bernd Wahler, welcher zuletzt demonstrativ hinter dem Coach stand, gab Folgendes zu Protokoll: "Auf ewig gibt es in der Bundesliga generell keine Jobgarantie, das wäre völliger Quatsch. Da kennt jeder das Geschäft."

Meisterschaft 2007 als letzter großer Erfolg

Das letzte große Highlight der neueren Stuttgarter Fußballgeschichte stellt der überraschende Meistertitel im Jahr 2007 dar. Mit jungen talentierten Spielern wie Mario Gómez, Serdar Tasci und Sami Khedira konnte das Team um Trainer Armin Veh den Bundesliga-Titel holen. Doch in der Folge konnte die Mannschaft ihren Triumph nicht bestätigen – der Verein zeigte sich mit dem Erreichen des internationalen Geschäfts zufrieden. Anstatt weiterhin auf eigene Talente aus der qualitativ hochwertigen Jugendabteilung zu setzten, sorgte der VfB vielmehr durch die Transfers von Routiniers wie Khalid Boulahrouz oder Jens Lehmann für Aufsehen. Stuttgart verabschiedete sich immer weiter von der eigenen Ausrichtung – dies machte sich auch sportlich bemerkbar. Nachdem im Jahr 2009 der dritte Rang erreicht werden konnte, führte der Weg ab diesem Punkt bergab. Was blieb war ein teurer Kader sowie die weiterhin bestehende Zielsetzung, Spielzeit für Spielzeit im europäischen Wettbewerb zu starten. Doch unter dem selbst auferlegten Sparkurs waren keine großen Schritte mehr möglich, der Verein wirkte wie gelähmt.

Im Juli 2010 übernahm Fredi Bobic als Manager die übergeordnete sportliche Leitung der Schwaben. Seine Aufgabe besteht quasi bis heute darin, die Kosten für den Kader wieder auf ein gesundes Niveau zu senken und zeitgleich die sportliche Leistungsfähigkeit nicht einzubüßen. In der Amtszeit von Bobic konnten die Gehaltskosten von gut 70 auf unter 40 Millionen Euro reduziert werden. Auch die Führungsebene des VfB wurde umstrukturiert. Der ehemalige Präsident Gerd Mäuser, der bei den Fans einen schweren Stand hatte, sowie der mächtige Aufsichtsratschef Dieter Hundt räumten ihre Posten. Das sportliche Führungstrio besteht aktuell aus dem neu gewählten Präsidenten Bernd Wahler, dem Vorstand Sport, Fredi Bobic, sowie dem langjährigen Vorstand Finanzen und Verwaltung, Ulrich Ruf.

Hohe Fluktuation in jüngerer Vergangenheit

Auch bei der Beschäftigung von Trainern und Profis ist in den letzten Jahren eine Inkonstanz zu erkennen. Seit dem Jahr 2010 standen Christian Gross, Jens Keller, Bruno Labbadia sowie aktuell Thomas Schneider an der Seitenlinie – zeitweise haftete den Schwaben sogar der Spitzname "die Untrainierbaren" an. Doch auch im Kader herrscht eine hohe Fluktuation. Neben einigen Konstanten wie Sven Ulreich, Georg Niedermeier, Christian Gentner oder Cacau gab es in den vergangenen Jahren ebenso viele Neuzugänge wie Abgänge, stets mit dem Wissen im Hinterkopf, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vereins nicht zu überspannen. Obwohl vor dieser Saison vermeintliche Leistungsträger wie Mohammed Abdellaoue und Daniel Schwaab verpflichtet wurden sowie junge, talentierte Profis wie Moritz Leitner oder Timo Werner zum Team stießen, läuft es bei den Schwaben sportlich einfach nicht rund.

"Wir sind eine Mannschaft und glauben an uns. Es gilt jetzt weiter hart an uns zu arbeiten", sagte Defensivakteur Arthur Boka nach der sechsten Niederlage in Folge in Hoffenheim. Auch Trainer Thomas Schneider ist um eine sachliche Debatte bemüht: "Ich glaube, es ist aber auch ein Stück weit menschlich, dass das Selbstvertrauen bei einer solchen Niederlagenserie leidet. Uns fehlt die Leichtigkeit. Entscheidend wird sein, dass wir den Jungs Möglichkeiten an die Hand geben, wie wir wieder aus der Situation herauskommen." Trotz der Misere ist es bei den Stuttgarter Fans bislang ruhig geblieben – auch weil viele ihrer Forderungen erfüllt wurden. So setzt der VfB wieder stärker auf die eigenen Talente, hat einen Trainer aus dem Nachwuchsbereich an der Seitenlinie installiert und zudem die kritisch gesehene Führungsriege um den ehemaligen Präsidenten Gerd Mäuser umstrukturiert. Der selbst ausgerufene Umbruch in Stuttgart hält also an. Nur ist den Beteiligten auch klar, dass auch Ergebnisse folgen müssen. "Es ist absolut verständlich, dass die Fans enttäuscht sind. Wir brauchen ihre Unterstützung im nächsten Spiel gegen Hertha BSC aber umso mehr", bemüht sich Fredi Bobic die Fans mit ins Boot zu holen. Die Mannschaft jedenfalls scheint die prekäre Lage auf Tabellenplatz 15 begriffen zu haben. So fasst es Martin Harnik kurz aber treffend zusammen: "Noch haben wir alles selbst in der Hand."

Bildergalerie: Hertha BSC - VfB Stuttgart

von Hertha BSC