Erfolg durch konstante Flexibilität
Teams | 6. März 2014, 11:38 Uhr

Erfolg durch konstante Flexibilität

Erfolg durch konstante Flexibilität

Der kommende Gegner, der 1. FSV Mainz 05, besitzt seine ganz eigene Erfolgsformel.

Berlin - Am kommenden Sonntag (09.03.14) um 17.30 Uhr tritt Hertha BSC beim 1. FSV Mainz 05 an. In der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz nimmt der Klub eine besondere Bedeutung ein. Der erstmalige Aufstieg in die Fußball-Bundesliga gelang dem Verein zur Spielzeit 2004/05 unter dem damaligen Trainer Jürgen Klopp. Drei Spielzeiten hielt sich Mainz, welche in diesem Zeitraum im Stadion am Bruchweg spielten, in der ersten Liga, ehe im Jahr 2007 der Gang in die Zweitklassigkeit angetreten werden musste. Während dieser Zeit bekam der Verein wegen seiner Nähe zu den Feierlichkeiten rund um die "fünfte Jahreszeit" den Spitznahmen "Karnevalsvereins" aufgedrückt. Diese anfangs despektierlich gedachte Bezeichnung machten sich die Mainzer aber schnell in humoristischer Art zu eigen. Der Fangesang "Wir sind nur ein Karnevalsverein" wurde zum Ausdruck eines besonderen Selbstverständnisses.

Der gesamte Klub hat den Anspruch, mehr als ein reiner Fußballverein zu sein. So ist Mainz beispielsweise der erste klimaneutrale Klub der Bundesliga, zudem werden viele sozial-gesellschaftliche Projekte initiiert und unterstützt, was Mainz 05 zuletzt einen Integrationspreis des DFB einbrachte. "Wir wollen mehr sein als ein Mainzer Bundesligaklub, wir wollen ein Gesellschaftsfaktor in dieser Stadt sein. Wir sind uns unserer Verantwortung sehr bewusst", sagte Präsident Harald Strutz zu dieser Auszeichnung. Zudem zeichnet sich der Verein durch Kontinuität und Zusammenhalt aus. "Mainz 05 ist eine große Familie, hier unterstützt jeder jeden. Als Mannschaft und Verein sind wir eine große Gemeinschaft und die Beziehung zu den Fans ist sehr eng und emotional", beschreibt Offensivspieler Nicolai Müller seinen Klub. Beachtlich ist die Konstanz der Führungsriege: Präsident Harald Strutz ist seit 1988 im Amt und somit der Dienstälteste der Liga, Christian Heidel übernahm im Jahr 1991 das Management des Klubs und leitet seitdem dessen sportliche Geschicke. "Es geht um Vertrauen, um Verständnis, Respekt und fairen Umgang. Wenn das alles da ist, kann man auf allen Ebenen viel Sicherheit geben", erklärt Präsident Strutz und ergänzt: "Das ist unser Erfolgsgeheimnis".

Trainer Thomas Tuchel bringt den Erfolg

Denn trotz eines Rückschritts, dem Abstieg in die zweite Fußball-Bundesliga im Jahr 2007, gab es im Verein kein Stühlerücken, wie es in anderen Klubs häufiger der Fall ist. Die Mainzer wussten, wo sie hinwollten, und erreichten ihr Ziele mit der Rückkehr in die Bundesliga. Der damalige Coach Jörn Andersen führte die Rheinland-Pfälzer 2009 zurück in die höchste Spielklasse, musste allerdings bereits vor dem Start der Bundesliga-Saison gehen. Die Mainzer reagierten dabei nicht etwa auf fehlenden sportlichen Erfolg, vielmehr hatten der norwegische Trainer und die Vereinsführung eine zu unterschiedliche Auffassung von dem, wie sich Mainz weiterentwickeln solle. Es übernahm der bisherige U-19-Coach Thomas Tuchel, der nie zuvor im Profifußball gearbeitet hatte. Doch diese mutige Entscheidung sollte sich rentieren. In seiner Premieren-Saison erreichte der junge und akribisch arbeitende Trainer den neunten Tabellenplatz und geriet trotz vieler negativer Prognosen nie in Abstiegsnot.

Auch in der folgenden Spielzeit stellte sich Erfolg ein. Die Mannschaft schloss die Saison auf dem fünften Tabellenplatz ab und qualifizierte sich erstmals in dessen Geschichte für die Europa-League. Zudem zog der Klub mit den rot-weißen Vereinsfarben in die moderne und 34.000 Zuschauer fassende Coface-Arena um. Der Erfolg weckte auch die Begehrlichkeiten der Konkurrenz. Junge und talentierte Spieler wie André Schürrle oder Lewis Holtby verließen die Mannschaft, die sich daraufhin in den folgenden Spielzeiten zunehmend in der Bundesliga etablierte und jeweils den 13. Tabellenplatz erreichte. Vor dem Beginn der aktuellen Spielzeit 2013/14 musste der Verein erneut den Abgang eines wichtigen Spielers hinnehmen. Adam Szalai wechselte zu Schalke 04 - doch im Gegensatz zu den Jahren davor wurde in Mainz deutlich kräftiger in neues Personal investiert.

Mainz besticht durch Variabilität

Neben gestanden Spielern wie Shinji Okazaki oder Joo-Ho Park wurden auch gezielt vielversprechende junge Spieler wie Johannes Geis oder Offensivakteur Sebastian Polter in die Mannschaft eingebaut. Die Verpflichtung von Ja-Cheol Koo im Winter 2014 war der Mainzer Rekord-Transfer, der Profi galt als absoluter Wunschspieler von Thomas Tuchel. Diese gestiegenen aber gezielten Investitionen werden im Nachhinein durch den sportlichen Erfolg legitimiert. Nach 23 Spieltagen steht die Mannschaft mit 37 Punkten auf dem sechsten Tabellenplatz. Der Spielstil des Teams ist durch Variabilität und Anpassungsfähigkeit gekennzeichnet. Es gibt eine klare Marschroute, welche vom Trainerteam aufgestellt wird. Bei dieser passen sich die Spieler dem jeweiligen Gegner an und agieren dabei eher reagierend, als das diese selbst die Initiative ergreifen.

Dennoch hat Trainer Tuchel in seiner Mannschaft Stützpfeiler und baut um diese herum von Woche zu Woche eine Startelf zusammen, die seiner Meinung nach den kommenden Gegner am besten Paroli bieten kann. Da aus dieser Taktik Erfolg resultiert, hat sich der Übungsleiter einen Namen in der Bundesliga gemacht - nicht wenige rechnen früher oder später mit seinem Abgang zu einem vermeintlich Top-Klub. Doch dies sind Zukunftssorgen von gehobener Qualität. Der Verein kann auf eine intakte Mannschaft mit funktionierendem Trainerteam sowie einer konstanten und etablierten Vereinsführung zählen. Zudem identifizieren sich die Menschen der Region mit ihrem Klub. Aktuell wird Mainz 05 nicht mehr geringschätzig als "Karnevalsverein" bezeichnet - vielmehr wird dem Klub Respekt für die eigene Leistung entgegengebracht und diese Begriffsbestimmung verwendet, wenn wieder ein viel umjubelter Erfolg eingefahren werden konnte, wie es zuletzt beim 1:0-Auswärtssieg in Leverkusen der Fall war. Belächelt wird der Verein nicht mehr - die Mainzer scheinen endgültig in der Bundesliga angekommen zu sein.

von Hertha BSC