
Unterwegs auf eigenen Wegen
Unterwegs auf eigenen Wegen

Berlin - Am kommenden Sonntag (06.04.14) um 17.30 Uhr empfängt Hertha BSC das derzeit spektakulär aufspielende Team aus Hoffenheim. Die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol ist die Torfabrik der Bundesliga: Nach 28 Spielen dieser Saison ist das Team an 125 Treffern beteiligt, was 4,5 Tore pro Begegnung entspricht. Dabei kommen die Kraichgauer auf jeweils neun Siege und Unentschieden, woraus 36 Punkte resultieren. Durch das 3:3 beim FC Bayern München am vergangenen Samstag (29.03.14) zog die Mannschaft an Hertha BSC vorbei und belegt aktuell den neunten Tabellenplatz in der Bundesliga.
Einen bedeutenden Anteil an der offensiven Ausrichtung der Sinsheimer trägt Trainer Markus Gisdol. In größter Abstiegsnot übernahm der in Geislingen an der Steige geborene Coach die Hoffenheimer, die sich vor dem 28. Spieltag der Saison 2012/13 in akuter Abstiegsnot befanden. Von vielen als sicherer Absteiger abgestempelt, gelang Gisdol in den wenigen verbleibenden Spielen eine Aufholjagd. Am 34. Spieltag schob sich das Team an Fortuna Düsseldorf vorbei und landete auf dem Relegationsplatz. Im Hin- und Rückspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern hatten die Kraichgauer keine große Mühe und gewannen beide Partien - somit startete das Team zu Beginn der Spielzeit 2013/14 erneut in der obersten deutschen Spielklasse - in der Liga, für dessen Teilnahme ein langer und mühsamer Werdegang notwendig war.
Kometenhafter Aufstieg aus untersten Spielklassen
Die TSG 1899 Hoffenheim wurde durch die tatkräftige und finanzielle Unterstützung des SAP-Mitbegründers Diemar Hopp erst auf die Landkarte des deutschen Fußballs gesetzt. Dieser hatte sich zum Ziel gesetzt, seinen Heimatverein mit professioneller Jugendarbeit und Finanzspritzen in einem groß angelegten Projekt in den Profifußball zu führen. Nachdem der Verein in den Anfangsjahren ein reiner Turnverein war, wurde in Hoffenheim im Jahr 1920 die Fußballabteilung geschaffen. Doch erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 fusionierten beide Klubs - es entstand der Nachfolgeverein - die Turn- und Sportgemeinschaft 1899 Hoffenheim. Nach jahrzehntelanger Zeit in den unteren Ligen des Vereinsfußballs gelang im Jahr 1991 der Aufstieg in die Bezirksliga Sinsheim. Die von nun an getätigte Unterstützung Hopps sollte sich weiter auszahlen. In den darauf folgenden Jahren gelang Aufstieg um Aufstieg, für die Hoffenheimer ging es bis in die dritte Liga. Dort etablierten sich die Kraichgauer, spielten aber in der Folge nicht ernsthaft um den Aufstieg in die 2. Bundesliga mit.
Nach der Auslagerung der Fußballabteilung in die TSG Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH im Jahr 2005 erhöhte auch Mäzen Hopp seine Investitionen deutlich und verfolgte den eingeschlagenen Weg mit Nachdruck. Zur Spielzeit 2006/07 konnte noch zu Drittliga-Zeiten Trainer Ralf Rangnick für das Projekt gewonnen werden, dem Erfolgscoach gelang mit namhaften Neuzugängen der Sprung in die 2. Liga. Durch die spektakulären Verpflichtungen und den zunehmenden sportlichen Erfolg änderte sich die öffentliche Wahrnehmung - zuvor wurde der Klub aufgrund seiner hervorragenden Jugendarbeit eher wohlwollend betrachtet - von dort an stieg die Kritik an den Maßnahmen des Vereins immer weiter. Ungeachtet davon gelang der sportliche Durchmarsch in die Bundesliga - auch dort setzte sich der Höhenflug fort. Offensiver Tempofußball charakterisierte das Spiel der Hoffenheimer, viele Gegner kamen mit der Geschwindigkeit und Variabilität anfangs nicht zurecht. Dies bescherte den Kraichgauern überraschend die Herbstmeisterschaft. Diese Leistung konnte aber nicht konserviert werden, sodass am Ende der Saison ein respektabler siebter Platz zu Buche stand.

Die Messlatte liegt hoch
Diese erfolgreiche Zeit sorgte dafür, dass die Erwartungen in und rund um Hoffenheim extrem schnell stiegen. Die Profis wurden zu den Auswahlmannschaften ihrer Länder eingeladen, der europäische Wettbewerb war schnell in aller Munde. Nach der Entlassung von Ralf Rangnick im Januar 2011 konnten die Trainer der Folgejahre Marco Pezzaiuoli, Holger Stanislawski und Markus Babbel nie an dessen Erfolge anknüpfen, wurden aber an diesen gemessen. Fast ging es für die Mannschaft sogar zurück in die 2. Bundesliga. Der meist jungen Mannschaft wurde wenig Zeit eingeräumt, sich zu entwickeln und in der obersten Spielklasse zu etablieren. Das aktuelle Führungsduo, bestehend aus Trainer Gisdol sowie dem "Leiter Profifußball" Alexander Rosen, leitete einen Kurswechsel ein und setzt seitdem konsequent auf junge talentierte Spieler, gewährt ihnen Zeit und schenkt den Profis eine Menge an Vertrauen.
Mit Offensivakteuren wie Roberto Firmino oder Kevin Volland wirbelt Hoffenheim aktuell die Liga durcheinander. Lediglich die Schwächen in der Defensive verhindern bisher eine bessere Platzierung, doch Gisdol gibt seiner jungen Abwehrkette Zeit und immer wieder Möglichkeiten, aus den gemachten Fehlern zu lernen. "Hoffenheim muss sich im Spielstil absetzen von anderen, wir müssen unsere eigene Geschichte schreiben", sagte der Trainer gegenüber dem Fachmagazin "kicker". "Die TSG soll sich nicht anstrengen, ein gewöhnlicher Bundesligist zu werden." Bei diesem Klub wurde seit jeher groß gedacht - doch die Zielsetzung für die nähere Zukunft wurde bescheidener formuliert. Der Verein solle die stabile Mitte der Bundesliga erreichen und dafür geeignet sein, immer mal wieder junge Spieler zu integrieren. Zurück zu den Wurzeln könnte man meinen - auf jeden Fall wieder zurück auf eigenen Wegen.