
Realismus als Markenzeichen
Realismus als Markenzeichen

Mit dem FC Augsburg erwartet Hertha BSC einen Gegner, der sich sportlich enorm entwickelt hat.
In der Spielzeit 2010/11 holte der Verein in der Zweiten Bundesliga mit Trainer Jos Luhukay die Vizemeisterschaft und stieg nach der im Vorjahr misslungenen Aufstiegs-Relegation gegen den 1. FC Nürnberg - hinter Hertha BSC - letztendlich auf. Es war die erste Teilnahme des FC Augsburg in der Bundesliga überhaupt, zuvor spielte die Mannschaft immer in tieferen Ligen. Die erste Spielzeit im Oberhaus des deutschen Fußballs euphorisierte eine gesamte Region. Der süd-west-bayerische Raum fieberte mit dem FC mit, die Freude über den Aufstieg in die Bundesliga war enorm. Neben vielen neuen Vereinsmitgliedern wurde auch ein neuer Rekord an verkauften Dauerkarten aufgestellt. Die Anfangsbegeisterung verflog allerdings immer mehr, als es bis zum neunten Spieltag dauerte, ehe der erste Sieg eingefahren werden konnte.
Aufstieg und Etablierung in der obersten Spielklasse
Doch trotz einer schwachen Hinrunde hielten die Verantwortlichen an Trainer Luhukay fest - dieser zahlte das Vertrauen mit guten Leistungen zurück. Am 33. Spieltag gelang der vorzeitige Klassenerhalt, doch der Niederländer entschied sich am Ende der Spielzeit den FCA zu verlassen. Auf ihn folgte der aktuelle Trainer Markus Weinzierl, der ebenfalls anfängliche Probleme hatte und mit dem Geschäftsführer Sport Stefan Reuter ein neues und bundesliga-unerfahrenes Gespann in der sportlichen Leitung bildete. Trotz großer Abstiegsnöte konnte sich der Klub mit 33 Punkten auf dem fünfzehnten Tabellenplatz retten und somit den Nichtabstieg feiern.
Aufgrund dieses Abschneidens galt der Verein vor Beginn dieser Spielzeit als ein möglicher Abstiegskandidat, konnte sich aber in beeindruckender Weise weiterentwickeln. Die eingespielte und verschworene Mannschaft wurde mit Spielern wie Halil Altintop oder Marwin Hitz punktuell verstärkt, zudem steigerten die bisherigen Stammspieler ihre eigene Leistung. Allen voran die beiden Außenbahnspieler Tobias Werner und André Hahn erlebten eine wahre Leistungsexplosion. Die Mannschaft funktionierte immer besser als Kollektiv - die Handschrift von Trainer Weinzierl machte sich bemerkbar. Der FC spielte mit einem offensiven und intensiven Fußball seine erfolgreichste Hinrunde der Bundesliga-Geschichte und stand über den Jahreswechsel hinweg mit 24 Punkten auf dem achten Rang.

Plötzlich in Sphären des Europapokals
Doch trotz dieses sportlichen Aufschwungs ist bei den Augsburger Verantwortlichen vor allem ein Wort jederzeit präsent: Realismus. "Unser Ziel wird der Klassenerhalt bleiben", äußerte sich Augsburg-Kapitän Paul Verhaegh gegenüber dem Fachmagazin kicker, wohl wissend, dass sich die Mannschaft auf einem wohltuenden Punktepolster befindet. In einigen Phasen der Rückrunde schien das Team aus der Fuggerstadt sogar auf Europapokal-Kurs zu sein, doch aufgrund einer Schwächephase ab dem 25. Spieltag wird der europäische Wettbewerb wohl Wunschdenken bleiben. "Das ist ein Traum", stimmt Abwehrspieler Verhaegh zu und belegt nachdrücklich die Augsburger Bodenhaftung. "Wir sind nicht blauäugig. Wir machen keine verrückten Sachen, wollen aus dem FCA einen stabilen Erstligisten machen. Es kann ganz schnell wieder eng werden."
An diesem Bundesliga-Standort wissen sie genau, woher sie kommen und wie sich der nervenaufreibende Abstiegskampf bis zu den letzten Spieltagen anfühlt. "Hier schätzt das Umfeld die Situation richtig ein und es ist wichtig, dass das auch die Hauptakteure tun", beschreibt Reuter die Augsburger Wesenszüge. Allerdings müssen die Beteiligten auch immer stärker die Kehrseite des sportlichen Erfolgs kennenlernen - die Leistungsträger des Teams werden längst von zahlungskräftigeren Vereinen umworben. Zuletzt wurde bekannt, dass Shootingstar André Hahn zur kommenden Spielzeit zu Ligakonkurrent Borussia Mönchengladbach wechselt. Das aktuelle Team werde laut Manager Reuter aber nicht zerfallen, "das Gerüst wird erhalten bleiben", versicherte der sportliche Leiter und blickt schon wieder in die Zukunft. "Der FCA wird gerade als Plattform für junge Spieler immer interessanter." Doch auch mit diesen potenziellen Neuzugängen wird sich nichts an der Grundausrichtung ändern. In der bayerischen Stadt wird eher Abstiegskampf statt Europa League angesagt sein, Realismus auf Augsburger Art eben.