Der Sechs-Punkte-Mann
Teams | 26. November 2014, 16:16 Uhr

Der Sechs-Punkte-Mann

Der Sechs-Punkte-Mann

Selbstironie, Zuverlässigkeit, Zutrauen, entscheidende Aktionen – Marcel Ndjeng verkörpert Attribute, die Hertha BSC gut stehen

Berlin – Warum uns der Fußball so gefällt? Weil der Versuch, den Zufall zu kontrollieren, zu minimieren, weitestgehend auszuschließen, oft sinnlos ist. Und drollig anzusehen. Auf Bundesliganiveau gelingt das den Akteuren meist ganz gut. Manchmal freuen sie sich aber auch, wenn ihnen der Versuch misslingt. Marcel Ndjeng hat das letztens erlebt.

Vier Minuten vor dem regulären Spielende in Köln bekommt Hertha einen vielversprechenden Freistoß. Ndjeng fühlt sich an eine ähnliche Szene aus dem Training erinnert und dementsprechend gut, schießt mit Selbstverständnis - und verliert das gute Gefühl umgehend. „Ich dachte, der wär’ verhauen und wollte mich schon wegdrehen. Der Ball sollte ja eigentlich über die Mauer gehen.“ Er ging dann hindurch. Von Anthony Ujahs Brust abgelenkt tippt er durch Kölns Strafraum, Totenstille im Stadion und bringt Hertha die Führung, den ersten Auswärtssieg der Saison und Marcel Ndjeng sein erstes Bundesliga-Tor seit Februar 2012 (damals noch für Augsburg gegen Hertha). Dem Zufall sei dank.

Sechs Punkte auf dem Konto

Wie auch seine siegbringende Flanke auf Salomon Kalou gegen Wolfsburg. Er habe den Ball flach bringen wollen, erzählte Ndjeng. „Also kam er hoch.“ Streng genommen gehen also sechs der 14 Hertha-Punkte auf das Konto von Ndjeng, der anschließend Späße macht. Wie er diese gelungensten aller misslungenen Aktionen kommentiert, voller Selbstironie, sagt viel aus über seine Karriere. Darüber, wie viel dieser Mann schon gesehen, erlebt, gehört, gezweifelt haben muss im Fußball.

Ndjeng, 32-jährig und im Oktober seiner Karriere, auf der rechten Seite einsetzbar, ist in Bescheidenheit talentiert, Realist. Und als solcher einfach froh, dass sein Trainer Jos Luhukay, ein „persönlicher Glücksfall“, wie Ndjeng ihn nennt, immer wieder auf ihn zählt. Das wurde ihm – auch aufgrund der fast deckungsgleichen Karrierestationen mit Luhukay – oft vorgehalten. So oft, dass er irgendwann sagen musste, er sei sehr wohl Luhukays Spieler, nicht aber sein Sohn.

Wer ihn aufstellt, weiß, was er bekommt

Hertha ist der fünfte Verein, mit dem Ndjeng in der Bundesliga spielt. Nicht überall hat es zu dem Standing gereicht, dass er jetzt in der Hauptstadt hat. Er musste lernen, sich damit zu belasten. „Mal kommt eine Verletzung dazwischen, mal passt es nicht. Und der Markt ist halt eng“, sagt Ndjeng heute. Das klingt fast entschuldigend.

Dabei hat es gute Gründe, dass man ihn mittlerweile einen etablierten Bundesligaspieler nennen darf. Sehr gute sogar: eine gute Ballbehandlung zuvorderst, dann Fleiß und Konzentration, seinen guten Fuß bei Standardsituationen auch. Was man zu schätzen lernt: Wer Marcel Ndjeng aufstellt, der weiß, was er bekommt.

Es gibt Mittel gegen die Bayern

Seine wichtigste Qualität aber: er nimmt sich nicht ernster, als es sein muss. Das geht dieser Branche oft genug ab. Wolfsburg, Beweisstück A. Köln, Beweisstück B. In Augsburg pulte Ndjeng Schiedsrichter Bastian Dankert eine Fliege aus dem Auge: „Er sagte, dass er was im Auge hat. Es muss ihn massiv gestört haben. Ärgerlich, wenn ein Schiedsrichter nichts sieht. Da mache ich sie ihm lieber gleich weg“, sagte Ndjeng. Beweisstück C.

Und was sagt so ein Realist wie Ndjeng über ein Heimspiel gegen einen FC Bayern in der gegenwärtigen Verfassung? Man müsse versuchen, dieses Spiel außerhalb der Gesamtwertung zu sehen, „als Highlight“ quasi. Die Münchener seien momentan wirklich außer Konkurrenz in allen Wettbewerben und unfassbar dominant. Aber? „Wir haben da zwei bis drei schnelle Leute und welche, die den Ball halten können. Das ist unsere Chance, gegnerische Dominanz auch mal ausnutzen.“ Das meint Marcel Ndjeng ganz frei von Ironie.

(ph/dpa)

von Hertha BSC