Das Rauschen des Aufbruchs
Teams | 3. März 2015, 17:06 Uhr

Das Rauschen des Aufbruchs

Das Rauschen des Aufbruchs

Der Freitag und der VfB Stuttgart sollten zeigen, wieviel Dárdai/Widmayer nach vier Wochen in Hertha steckt.
Berlin - Was ein Fazit nach einem Monat Dárdai/Widmayer bei Hertha BSC verkompliziert ist vor allem: ein Fazit. Die bloße Schilderung der vergangenen vier Wochen hinterlässt für Außenstehende ein unstetes Bild.

Was in Mainz nach gerade zweitägiger Vorbereitung im ersten kollektiven Aufatmen (2:0) mündete, wurde gegen Freiburg (0:2) merkwürdig beiläufig verspielt. In Wolfsburg (1:2), gegen die laut Dárdai "beste", mindestens aber formstärkste Mannschaft der Liga hielt das Glück nicht ausreichend Hof. Unlängst bröckelte im Knie Julian Schiebers ein Stück Knorpel, damit bei der Mannschaft Fundament weg, Dárdai rief einen Sieg gegen die Augsburger Tabellenoberen zur Pflicht aus. Das Kampfspiel nahm einen genauso guten (1:0) wie glücklichen Ausgang für die Hauptstädter.

Wie bitte soll man jetzt einordnen, was nach nunmehr fünf Spielen und einem Monat am Freitagabend einer Einordnung bedürfte?



"Wir machen im Training einen Schritt nach vorn", hob Dárdai am Dienstag hervor, "das sieht deutlich besser aus als in den vergangenen Wochen." Der Fortschritt drückt sich langsam auch in der Tabelle aus. Dárdai holte aus vier Spielen immerhin sechs Punkte, Hertha steht auf Rang 14. Nicht messbar sind die Veränderungen im Mannschaftsgemüt. Dárdai, vielleicht selbst noch mehr Spieler als Trainer, setzt auf die Selbstbestimmung seiner Spieler und einen Mannschaftsrat. Dem gehören neben Fabian Lustenberger, Thomas Kraft, Per Skjelbred, Peter Niemeyer, Valentin Stocker und Julian Schieber auch Spieler an, die zuletzt Nebenrollen spielten. Siehe Sascha Burchert, siehe John Heitinga.
Mit Gemeinschaft und langer Leine gegen die Hemmung. "Warum sollte ich Verbote einführen, solange alles funktioniert", fragte der Ungar unmittelbar nach seinem Amtsantritt. Es war eine rhetorische Frage.

Gegen Augsburg wirkte seine Mannschaft einheitlich im Auftritt, gut ausbalanciert im Spielvortrag. Angeführt von einem gewohnt umtriebigen Per Skjelbred, dank eines Peter Niemeyer, den Dardai "seit langem nicht mehr so gut" sah, konnte man getrost von Dynamik sprechen, von Struktur und Körpersprache, der Dárdai-Disziplin schlechthin. "Die Spieler können doch alle was", sagte Widmayer unter der Woche dem Tagesspiegel. Gut war vor allem aber, zu wissen, was man nicht kann. Die Hausherren überließen den Augsburgern auf tiefem Geläuf das Spiel, spielten irgendwie auch ohne den Ball nach vorn.

Das geht nur über eine nächste Dárdai-Tugend, die Körperlichkeit. "Die Jungs haben drei Woche sehr hart an allem, was mit Schnellkraft und Spritzigkeit zu tun hat, gearbeitet", sagt der Trainer. Das ging an, einige Male über die Schmerzgrenze, grundsätzlich aber gut: man sah, wie sich die blau-weiße Laufmaschinerie in ein Spiel fressen, seinem Gegner zusetzen kann. Hertha lief nach der Laufbestleistung des Spieltags in Wolfsburg auch gegen Augsburg mehr als der Gegner, fast sieben Kilometer gar. Das Rauschen des Aufbruchs.
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Die Spieler können doch alle was!
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-Rainer Widmayer


Die zaghafte Euphorie teilen sich beide Trainer seit Anbeginn ihrer Zusammenarbeit auf - Widmayer euphorisiert den Schenckendorffplatz, wenn er während der kurzweiligen Trainingsformen wie närrisch Spieler einweist und korrigiert. Dárdai unterhält mit seiner prägnanten Außendarstellung. Dergemäß sind auch die Umstellungen vor dem Spiel in Stuttgart kein Problem. Wichtig ist Dardai vor allem das Zutrauen, ein Jammern wird es bei ihm nicht geben. Er hat einen proppenvollen Kader, den er zu schätzen und wohl langsam auch zu kennen scheint.

Gegen Augsburg vertraute er auf Änis Ben-Hatira, der trotz lediglich dreier Trainingstage merklich Bambule machte, er wechselte in Marcel Ndjeng sowohl den Vorvorlagengeber, als auch in Jens Hegeler den Vorlagengeber ein. Dárdai bewies auch Geduld mit Salomon Kalou, die sich in einem späten Tor typischer Stürmermanier bewies.

Nun fallen gegen Stuttgart besagte Stabilisatoren Niemeyer und Skjelbred wegen Gelbsperren aus. Peter Pekarik wird wegen seines Nasenbruchs vermutlich nur mit einer Maske auflaufen können. Mit dem langfristigen Ausfall Julian Schiebers geht "ein großer Verlust an Schnelligkeit und Torgefahr" einher, wie Dárdai befand.

Gleichzeitig habe er aber ebenso "bissige Jungs" in der Hinterhand. Das Trainerteam wird im wichtigsten Spiel der nächsten Wochen neu justieren müssen. Wie die Mannschaft damit umgeht, dürfte einen Monat Dárdai/Widmayer spätestens am Freitagabend fazitfähig machen.

(ph/citypress)
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Da warten jede Menge bissige Jungs.
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-Pál Dárdai

von Hertha BSC