
Club | 12. April 2015, 19:32 Uhr
Minh-Khai trifft Lala Süßkind
Minh-Khai trifft Lala Süßkind

Kuratoriumsmitglied Minh-Khai Phan-Thi im Gespräch mit den Köpfen der Hertha BSC Stiftung. Teil 2 des Interviews mit Lala Süßkind- ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin.
Berlin - Schauspielerin, Moderatorin, Filmemacherin - Minh-Khai Phan-Thi ist das Multitalent der deutschen Medienlandschaft. Dabei schafft sie es immer wieder, ihre große Leidenschaft - Sport in all seinen Facetten - auf spannende Weise in ihr berufliches Aufgabenfeld zu integrieren. Seit zwei Jahren engagiert sie sich als Kuratoriumsmitglied bei der Hertha BSC Stiftung.
Ab sofort ist sie jetzt regelmäßig unterwegs, bei den anderen Kuratoren der Stiftung, den Vorständen, großen Spendern, den Projektverantwortlichen: 'Minh-Khai trifft'. Teil 2 des Interviews mit Lala Süßkind.
Minh-Khai Phan-Thi: Du hast über die rechten Strömungen gesprochen, die auch heute noch oft im Zusammenhang mit Hertha BSC genannt werden. Wie empfindest Du das überhaupt im Fußball- Antisemitismus?
Lala Süßkind: Fußballvereine sind ein Spiegelbild ihrer Stadt, ihres Landes. Du wirst es nie ganz ausmerzen können. Wenn ich mir aber die Ansätze, sich damit auseinanderzusetzen, zu hinterfragen und öffentlich zu machen, anschaue, dann habe ich - vor allem auch bei Hertha - ein gutes Gefühl. Hertha BSC war auch der erste Verein, der die Social Spots, die in Zusammenarbeit mit MANEO produziert wurden und ein Zeichen gegen Homophobie im Fußball setzen, gebracht hat. Ich würde mir wünschen, dass die Spots häufiger gezeigt werden. Vor allem kurz vor Spielbeginn. Die Spots sind so witzig und liebenswert gemacht - ohne böse mit dem Zeigefinger drauf zu zeigen. Und ich wäre froh, wenn sich kein Mensch - ob Sportler oder normaler Arbeiter - outen müsste. Jeder Mensch ist so, wie er ist! Jeder soll so leben und lieben, wie er will und kann. Und dazu trägt Hertha bei. Das finde ich wunderbar. So sollte es sein, so sollte es bleiben und das sollten wir verstärken.
Phan-Thi: Richtig! Bis zur letzten Saison hat noch der israelische Fußballspieler Ben Sahar für uns gespielt. Hast Du den noch kennengelernt?
Süßkind: Nein, leider nicht.
Phan-Thi: Das ist ja schade! Wie ist denn überhaupt die Fußballbegeisterung in Israel? Basketball ist dort ja ein sehr großes Thema.
Süßkind: Ja, Maccabi Tel Aviv ist die Mannschaft. Fußball hat in Israel nicht die Bedeutung wie hier in Deutschland. Definitiv nicht.
Phan-Thi: Warst Du schon einmal bei einem Fußballspiel in Israel?
Süßkind: Nein, nur beim Basketball und beim Tennis.
Phan-Thi: Und wie ist die Sportbegeisterung allgemein in Israel?
Süßkind: Sie ist doch recht hoch. Da Israel viele russische Zuwanderer hat, gibt es inzwischen in den verschiedensten Sportbereichen durch den Zuwachs sehr gute Sportler. Die Sportbegeisterung ist sehr hoch. Es ist ein bewegliches Völkchen.
Phan-Thi: Ich finde einen Satz von Dir sehr schön - du hast gesagt, dass Deine Stadt im Herzen Berlin ist aber Dein Staat Israel.
Süßkind: Ein halbes Herz ist in Israel - ein halbes Herz hier in Berlin. Berlin ist meine Stadt! Ich kam hierher, da war ich ein Jahr alt. Das ist mein Ding!
Phan-Thi: Du hättest Dir auch nie vorstellen können, hier wegzuziehen?
Süßkind: Nein, niemals. Ich habe es probiert. Nach meinem Abitur 1966 war ich bei der zionistischen Jugend und bin dann in der ersten Alija (hebräisch für 'Rückkehr in das Gelobte Land', Anm. der Redaktion), der ersten Auswanderungswelle, nach Israel. Meine Eltern hätten mir damals erlaubt, in Israel zu studieren. Ich bin dann mit 30, 32 Leuten aus Deutschland nach Israel gegangen. Wir kamen mit der 'Moleded' - einem kleinen Schiff - am 1. April in Haifa an und haben dort ein halbes Jahr lang in einem Kibbuz gelebt. Das war die schönste Zeit meines Lebens, die freieste Zeit. Und ich habe dort gemerkt, was ich hier an Berlin habe. Dann habe ich gesagt, dass ich zurückkomme - zu meinen Eltern, meinen Freunden, einfach allem. Aber die Hälfte meines Herzens habe ich dort gelassen. Als ich älter war, habe ich dann von hier aus versucht, dort etwas zu bewegen.
Phan-Thi: Wie muss man sich das vorstellen, in einem Kibbuz zu leben? Viele wissen wahrscheinlich gar nicht, was das bedeutet.
Süßkind: Ein Kibbuz ist eine große Wohngemeinschaft. Früher war es noch so, dass die Kinder ihre Kinderhäuser hatten, in denen sie auch geschlafen haben. Zeit mit den Eltern wurde nur abends verbracht. 1966 gab es das auch in meinem Kibbuz noch. Aber ich kam in eine junge Kibbuz-Familie, die drei kleine Kinder hatte, mit denen ich bis heute noch befreundet bin. Für mich war das Sozialismus pur. Auf dem Papier klang das toll, das in der Realität zu praktizieren, war es dann doch nicht. Wir waren damals jung und knackig. Es gab einen Mann, der die Arbeit eingeteilt hat, denn wir haben neben dem Hebräisch-Studium natürlich gearbeitet. Und dann haben wir mitbekommen, dass uns der Knabe, wenn wir sehr freundlich zu ihm sind, zu der Arbeit einteilt, die wir machen wollten. Und so kann es natürlich nicht funktionieren. Und von der Landwirtschaft alleine konnte auch kein Kibbuz überleben. Bei meinem Kibbuz war es z.B. so, dass die geernteten Früchte mit der Ernte anderer Kibbuzim zusammen in einer Fabrik weiterverarbeitet wurden. Wir hatten auch eine Textilfabrik. Aber die Idee des Kibbuzes in dem Sinne gibt es eigentlich überhaupt nicht mehr. Der Beginn der Kibbuzim war wunderbar aber heute ist es das nicht mehr. Und die Leute gehen auch raus dort. Es ist eben so, dass nicht jeder das machen kann, was er möchte. In unserem Kibbuz lebten z.B. rund 100 Kinder. Stell' Dir vor, 30 von denen möchten Jura studieren. Es ist aber nur Geld und Platz für zwei Kinder da. Deshalb haben viele Kinder die Kibbuzim verlassen und sich in der Stadt verwirklicht. Es hat eben alles seine Zeit. Kibbuzim gibt es auch heute noch vereinzelt, aber halt nicht mehr im ursprünglichen Sinn.
Phan-Thi: Und dann bist Du nach Berlin zurück und hast gesagt: "Hier bin ich!"
Süßkind: Und bleibe ich, ja.
Phan-Thi: Das kann ich gut verstehen. Ich bin seit 2000 in Berlin. Ich habe ja eine ähnliche Geschichte wie Du. Meine Eltern kommen aus Vietnam. Ich bin in Darmstadt geboren und dann vom rot-grünen Hessen in das CSU-regierte Bayern 'ausgewandert', weil meine Eltern dort nach dem Studium Arbeit gefunden hatten. Deshalb bin ich in München groß geworden, musste dann dort auch mein Abitur machen und habe dann angefangen zu arbeiten. Und dann musste ich irgendwann einfach weg! Mich hat München unglaublich eingeengt. Ich bin auch nie ein FC Bayern-Fan geworden. Ich lebe meine Hassliebe so richtig aus.
Süßkind: Meine Tochter lebt in München und hat meiner kleinen Enkeltochter beigebracht (beginnt zu singen) "Zieht den Bayern die Lederhosen aus" (Minh-Khai stimmt ein).
Phan-Thi: Und dann kam ich nach Berlin und habe ein gutes halbes Jahr gestrauchelt mit der Stadt, weil die einfach sehr groß ist.
Süßkind: Und sehr rüde.
Phan-Thi: Genau. Alles war so groß und rau. Ich dachte am Anfang, hier werde ich nie glücklich. Aber ich habe mich nach einem halben Jahr verliebt in diese Stadt und jetzt kann ich mir nicht vorstellen, woanders zu leben. Vor allem kann ich hier auch meine vietnamesische Identität viel mehr leben als irgendwo sonst in Deutschland. Ich habe hier meine deutsch-vietnamesischen Freunde, bzw. meine asiatischen Freunde und Menschen, die so aufgewachsen sind wie ich, also hier geboren oder sehr früh nach Deutschland gekommen sind. Ich war auch gleich zu Beginn das erste Mal bei Hertha im Stadion - damals hat Marcelinho, der Zauberer, noch gespielt - und seitdem ist meine Liebe für diesen Verein groß. Deshalb kann ich das gut verstehen. Man darf hier beides sein.
Süßkind: Du darfst hier alles sein!
Phan-Thi: Man darf hier alles leben. Vor allem die Vielfalt.
Süßkind: Und, dass Du Zuspruch findest, wenn Du ihn suchst. Ich liebe Berlin. Ich war vor einiger Zeit zum ersten Mal bei einer Beerdigung in Israel. Man wird dort ohne Sarg beerdigt und es war für mich wirklich grauenvoll. Abends rief mich meine Tochter an und ich habe ins Telefon gebrüllt, dass ich auf jeden Fall in Berlin begraben werden möchte. Meine Tochter dachte in diesem Moment, dass ich spinne. Sie hat mir aber versichert, dass ich begraben werde, wo ich es möchte.
Phan-Thi: Ich weiß genau, was Du meinst. Ich habe da in Vietnam auch schon so einiges erlebt. Bist Du eigentlich erst Hertha-Fan, seitdem Du Kuratoriums-Mitglied bist?
Süßkind: Nee, Hertha BSC ist ja für mich die Mannschaft Berlins. Hertha gehört für mich zu Berlin wie die Abendschau. Das ist für mich meine Identität mit Berlin. Es ärgert mich wahnsinnig, wenn Hertha schlecht spielt.
Phan-Thi: Haben sich in den letzten Jahren eigentlich die Kuratoriumssitzungen sehr verändert? Ich finde ja, dass Herr Schiphorst das immer äußerst charmant macht.
Süßkind: Er macht das nicht nur charmant, er macht es auch voller Hingabe. Alle Kuratoriumsmitglieder machen das mit so viel Herzblut und Seele. Das ist nicht ein Muss sondern ein Ich-will-mich-sozial-engagieren. Diese Sitzungen waren immer locker - doch es wurde auch immer intensiv zugehört. Es gibt ja Vorstandsvorsitzende, die stundenlang referieren und keiner bekommt so richtig etwas mit. So ist es in der Hertha-Stiftung nicht. Da wird debattiert, nachgefragt und auf die Meinung des anderen Wert gelegt. Und das war von Beginn an und ist heute immer noch so.
(thb/thb)
Ab sofort ist sie jetzt regelmäßig unterwegs, bei den anderen Kuratoren der Stiftung, den Vorständen, großen Spendern, den Projektverantwortlichen: 'Minh-Khai trifft'. Teil 2 des Interviews mit Lala Süßkind.
Minh-Khai Phan-Thi: Du hast über die rechten Strömungen gesprochen, die auch heute noch oft im Zusammenhang mit Hertha BSC genannt werden. Wie empfindest Du das überhaupt im Fußball- Antisemitismus?
Lala Süßkind: Fußballvereine sind ein Spiegelbild ihrer Stadt, ihres Landes. Du wirst es nie ganz ausmerzen können. Wenn ich mir aber die Ansätze, sich damit auseinanderzusetzen, zu hinterfragen und öffentlich zu machen, anschaue, dann habe ich - vor allem auch bei Hertha - ein gutes Gefühl. Hertha BSC war auch der erste Verein, der die Social Spots, die in Zusammenarbeit mit MANEO produziert wurden und ein Zeichen gegen Homophobie im Fußball setzen, gebracht hat. Ich würde mir wünschen, dass die Spots häufiger gezeigt werden. Vor allem kurz vor Spielbeginn. Die Spots sind so witzig und liebenswert gemacht - ohne böse mit dem Zeigefinger drauf zu zeigen. Und ich wäre froh, wenn sich kein Mensch - ob Sportler oder normaler Arbeiter - outen müsste. Jeder Mensch ist so, wie er ist! Jeder soll so leben und lieben, wie er will und kann. Und dazu trägt Hertha bei. Das finde ich wunderbar. So sollte es sein, so sollte es bleiben und das sollten wir verstärken.
Phan-Thi: Richtig! Bis zur letzten Saison hat noch der israelische Fußballspieler Ben Sahar für uns gespielt. Hast Du den noch kennengelernt?
Süßkind: Nein, leider nicht.
Phan-Thi: Das ist ja schade! Wie ist denn überhaupt die Fußballbegeisterung in Israel? Basketball ist dort ja ein sehr großes Thema.
Süßkind: Ja, Maccabi Tel Aviv ist die Mannschaft. Fußball hat in Israel nicht die Bedeutung wie hier in Deutschland. Definitiv nicht.
Phan-Thi: Warst Du schon einmal bei einem Fußballspiel in Israel?
Süßkind: Nein, nur beim Basketball und beim Tennis.
Phan-Thi: Und wie ist die Sportbegeisterung allgemein in Israel?
Süßkind: Sie ist doch recht hoch. Da Israel viele russische Zuwanderer hat, gibt es inzwischen in den verschiedensten Sportbereichen durch den Zuwachs sehr gute Sportler. Die Sportbegeisterung ist sehr hoch. Es ist ein bewegliches Völkchen.
Phan-Thi: Ich finde einen Satz von Dir sehr schön - du hast gesagt, dass Deine Stadt im Herzen Berlin ist aber Dein Staat Israel.
Süßkind: Ein halbes Herz ist in Israel - ein halbes Herz hier in Berlin. Berlin ist meine Stadt! Ich kam hierher, da war ich ein Jahr alt. Das ist mein Ding!
Phan-Thi: Du hättest Dir auch nie vorstellen können, hier wegzuziehen?
Süßkind: Nein, niemals. Ich habe es probiert. Nach meinem Abitur 1966 war ich bei der zionistischen Jugend und bin dann in der ersten Alija (hebräisch für 'Rückkehr in das Gelobte Land', Anm. der Redaktion), der ersten Auswanderungswelle, nach Israel. Meine Eltern hätten mir damals erlaubt, in Israel zu studieren. Ich bin dann mit 30, 32 Leuten aus Deutschland nach Israel gegangen. Wir kamen mit der 'Moleded' - einem kleinen Schiff - am 1. April in Haifa an und haben dort ein halbes Jahr lang in einem Kibbuz gelebt. Das war die schönste Zeit meines Lebens, die freieste Zeit. Und ich habe dort gemerkt, was ich hier an Berlin habe. Dann habe ich gesagt, dass ich zurückkomme - zu meinen Eltern, meinen Freunden, einfach allem. Aber die Hälfte meines Herzens habe ich dort gelassen. Als ich älter war, habe ich dann von hier aus versucht, dort etwas zu bewegen.
Phan-Thi: Wie muss man sich das vorstellen, in einem Kibbuz zu leben? Viele wissen wahrscheinlich gar nicht, was das bedeutet.
Süßkind: Ein Kibbuz ist eine große Wohngemeinschaft. Früher war es noch so, dass die Kinder ihre Kinderhäuser hatten, in denen sie auch geschlafen haben. Zeit mit den Eltern wurde nur abends verbracht. 1966 gab es das auch in meinem Kibbuz noch. Aber ich kam in eine junge Kibbuz-Familie, die drei kleine Kinder hatte, mit denen ich bis heute noch befreundet bin. Für mich war das Sozialismus pur. Auf dem Papier klang das toll, das in der Realität zu praktizieren, war es dann doch nicht. Wir waren damals jung und knackig. Es gab einen Mann, der die Arbeit eingeteilt hat, denn wir haben neben dem Hebräisch-Studium natürlich gearbeitet. Und dann haben wir mitbekommen, dass uns der Knabe, wenn wir sehr freundlich zu ihm sind, zu der Arbeit einteilt, die wir machen wollten. Und so kann es natürlich nicht funktionieren. Und von der Landwirtschaft alleine konnte auch kein Kibbuz überleben. Bei meinem Kibbuz war es z.B. so, dass die geernteten Früchte mit der Ernte anderer Kibbuzim zusammen in einer Fabrik weiterverarbeitet wurden. Wir hatten auch eine Textilfabrik. Aber die Idee des Kibbuzes in dem Sinne gibt es eigentlich überhaupt nicht mehr. Der Beginn der Kibbuzim war wunderbar aber heute ist es das nicht mehr. Und die Leute gehen auch raus dort. Es ist eben so, dass nicht jeder das machen kann, was er möchte. In unserem Kibbuz lebten z.B. rund 100 Kinder. Stell' Dir vor, 30 von denen möchten Jura studieren. Es ist aber nur Geld und Platz für zwei Kinder da. Deshalb haben viele Kinder die Kibbuzim verlassen und sich in der Stadt verwirklicht. Es hat eben alles seine Zeit. Kibbuzim gibt es auch heute noch vereinzelt, aber halt nicht mehr im ursprünglichen Sinn.
Phan-Thi: Und dann bist Du nach Berlin zurück und hast gesagt: "Hier bin ich!"
Süßkind: Und bleibe ich, ja.
Phan-Thi: Das kann ich gut verstehen. Ich bin seit 2000 in Berlin. Ich habe ja eine ähnliche Geschichte wie Du. Meine Eltern kommen aus Vietnam. Ich bin in Darmstadt geboren und dann vom rot-grünen Hessen in das CSU-regierte Bayern 'ausgewandert', weil meine Eltern dort nach dem Studium Arbeit gefunden hatten. Deshalb bin ich in München groß geworden, musste dann dort auch mein Abitur machen und habe dann angefangen zu arbeiten. Und dann musste ich irgendwann einfach weg! Mich hat München unglaublich eingeengt. Ich bin auch nie ein FC Bayern-Fan geworden. Ich lebe meine Hassliebe so richtig aus.
Süßkind: Meine Tochter lebt in München und hat meiner kleinen Enkeltochter beigebracht (beginnt zu singen) "Zieht den Bayern die Lederhosen aus" (Minh-Khai stimmt ein).
Phan-Thi: Und dann kam ich nach Berlin und habe ein gutes halbes Jahr gestrauchelt mit der Stadt, weil die einfach sehr groß ist.
Süßkind: Und sehr rüde.
Phan-Thi: Genau. Alles war so groß und rau. Ich dachte am Anfang, hier werde ich nie glücklich. Aber ich habe mich nach einem halben Jahr verliebt in diese Stadt und jetzt kann ich mir nicht vorstellen, woanders zu leben. Vor allem kann ich hier auch meine vietnamesische Identität viel mehr leben als irgendwo sonst in Deutschland. Ich habe hier meine deutsch-vietnamesischen Freunde, bzw. meine asiatischen Freunde und Menschen, die so aufgewachsen sind wie ich, also hier geboren oder sehr früh nach Deutschland gekommen sind. Ich war auch gleich zu Beginn das erste Mal bei Hertha im Stadion - damals hat Marcelinho, der Zauberer, noch gespielt - und seitdem ist meine Liebe für diesen Verein groß. Deshalb kann ich das gut verstehen. Man darf hier beides sein.
Süßkind: Du darfst hier alles sein!
Phan-Thi: Man darf hier alles leben. Vor allem die Vielfalt.
Süßkind: Und, dass Du Zuspruch findest, wenn Du ihn suchst. Ich liebe Berlin. Ich war vor einiger Zeit zum ersten Mal bei einer Beerdigung in Israel. Man wird dort ohne Sarg beerdigt und es war für mich wirklich grauenvoll. Abends rief mich meine Tochter an und ich habe ins Telefon gebrüllt, dass ich auf jeden Fall in Berlin begraben werden möchte. Meine Tochter dachte in diesem Moment, dass ich spinne. Sie hat mir aber versichert, dass ich begraben werde, wo ich es möchte.
Phan-Thi: Ich weiß genau, was Du meinst. Ich habe da in Vietnam auch schon so einiges erlebt. Bist Du eigentlich erst Hertha-Fan, seitdem Du Kuratoriums-Mitglied bist?
Süßkind: Nee, Hertha BSC ist ja für mich die Mannschaft Berlins. Hertha gehört für mich zu Berlin wie die Abendschau. Das ist für mich meine Identität mit Berlin. Es ärgert mich wahnsinnig, wenn Hertha schlecht spielt.
Phan-Thi: Haben sich in den letzten Jahren eigentlich die Kuratoriumssitzungen sehr verändert? Ich finde ja, dass Herr Schiphorst das immer äußerst charmant macht.
Süßkind: Er macht das nicht nur charmant, er macht es auch voller Hingabe. Alle Kuratoriumsmitglieder machen das mit so viel Herzblut und Seele. Das ist nicht ein Muss sondern ein Ich-will-mich-sozial-engagieren. Diese Sitzungen waren immer locker - doch es wurde auch immer intensiv zugehört. Es gibt ja Vorstandsvorsitzende, die stundenlang referieren und keiner bekommt so richtig etwas mit. So ist es in der Hertha-Stiftung nicht. Da wird debattiert, nachgefragt und auf die Meinung des anderen Wert gelegt. Und das war von Beginn an und ist heute immer noch so.
(thb/thb)