
Typisch norwegisch? Gelassenheit!
Typisch norwegisch? Gelassenheit!

Ruhepol im Hertha-Tor: In vier seiner neun Bundesliga-Spielen blieb Rune Jarstein ohne Gegentreffer.
Berlin – Im Internet gibt es viele Gerüchte. Dort tummeln sich die abwegigsten Theorien und wildesten Spekulationen. Doch ab und an tauchen zwischen diesen Gerüchten Meldungen auf, die einen Funken Wahrheitsgehalt haben. So auch im Fall von Rune Almenning Jarstein. Mit ein paar Klicks erfährt man, dass Herthas Schlussmann als Jugendspieler fast einmal bei Bayern München gelandet wäre. Ein Probetraining soll er damals beim deutschen Rekordmeister bereits absolviert haben. Doch wie viel Prozent Wahrheit steckt hinter dieser Behauptung? "Bayern hat loses Interesse an mir bekundet, aber ich habe nie in München vorgespielt", sagt der Norweger.
Seine Karriere startete Jarstein deshalb nicht in Süddeutschland, sondern in seiner norwegischen Heimat. In mehr als elf Jahren absolvierte er weit über 200 Ligaspiele für Odds BK, Rosenborg Trondheim und Viking Stavanger - bis es ihn im Januar 2014 zu Hertha BSC verschlug. Berlin war seine erste Station im Ausland. In der Hauptstadt musste sich der norwegische Nationaltorwart (38 Länderspiele) erst einmal an das neue Umfeld gewöhnen. "Es war ein großer Schritt für mich. Die Sprache, die Mitspieler und die Art und Weise, wie hier gespielt wird – das war alles neu. Ich hätte nicht gedacht, dass die Eingewöhnung so lange dauert", gesteht Jarstein.

Die Ausstrahlung verbessert
Speziell in seiner Anfangszeit hielten viele Beobachter den Schlussmann für zu ruhig und zurückhaltend. "Aber Pál Dárdai hat mir anfangs sehr geholfen und mir immer wieder gesagt, dass ich an meiner Ausstrahlung arbeiten muss", sagt Jarstein, der sich die Worte des Trainers zu Herzen nahm. Mit der Zeit hallten seine Anweisungen für seine Vordermänner immer lauter und klarer über den Schenckendorffplatz. In den Pflichtspielen allerdings kam Jarstein nicht an Thomas Kraft im Tor der Herthaner vorbei. "Jeder Profi will spielen, aber die Mannschaft steht an erster Stelle. Jeder muss seine persönlichen Interessen zurückstellen", zeigt sich der 31-Jährige verständnisvoll. Dennoch war die Situation für ihn nicht immer einfach. Deshalb setzte er sich im Sommer mit einem Wechsel auseinander.
Was dann passierte, zeigt wieder einmal, wie schnell es im Fußball gehen kann: Im Sommer übernahm Zsolt Petry den Posten als Torwarttrainer. Der Ungar war es, der Jarstein von einem Verbleib überzeugte. Als sich im September Thomas Kraft an der Schulter verletzte, schlug Jarsteins große Stunde. Der Norweger rückte zwischen die Pfosten – und erledigte seine Aufgabe von Anfang an mit Bravur. In vier seiner neun Bundesliga-Partien blieb er ohne Gegentor, im DFB-Pokal sicherte er in Frankfurt den Einzug in die nächste Runde. "Von Spiel zu Spiel ist mein Selbstvertrauen gestiegen. Jetzt fühle ich mich viel sicherer", sagt der Torwart. "Gerade in den engen Partien fühlen sich meine Mitspieler besser, wenn ich als Keeper eine gewisse Ruhe ausstrahle."
Der erfahrene Ruhepol
Die Zweifler in Berlin sind ohnehin längst verstummt. Inzwischen ist Jarsteins Ausstrahlung sein großes Faustpfand. "Rune ist ein echter Wettkampf-Typ, der Ruhe ausstrahlt. Er ist ein Gewinn für uns", lobt Pál Dárdai seinen Schützling. Die jüngsten Komplimente hat dieser ebenso registriert wie die anfängliche Kritik. Doch der Norweger ist zu lange im Geschäft, um sich davon in irgendeiner Art und Weise beeinflussen zu lassen. "Ich habe in meiner Karriere schon einiges erlebt", sagt er mit einer Portion typisch norwegischer, allgemeinhin wohl auch skandinavischer Gelassenheit. Das ist verständlich: Er weiß, dass es aktuell für ihn läuft. "Ich bin die Nummer eins und würde das auch gerne bleiben. Ich möchte weiterhin gute Leistungen bringen, um es dem Trainer so schwer wie möglich zu machen, mich aus dem Tor zu nehmen."
Apropos präsentieren. Im Internet kursieren nicht nur Gerüchte, dort gibt es bekanntermaßen auch Videos. Eins davon zeigt Jarstein so, wie ihn seine Kritiker aus seiner Berliner Anfangszeit sicher nicht erwartet hätten: als Temperamentbündel. "Ich habe nie behauptet, dass ich nicht temperamentvoll bin", verrät Jarstein lachend, angesprochen auf die Szenen, in denen er seine Handschuhe schon einmal wild gestikulierend und wütend auf den Rasen wirft. "Damals war ich noch ein bisschen jünger und habe mich manchmal zu schnell aufgeregt. Das hat sich in den vergangenen Jahren verändert", sagt er. "Meine Handschuhe würde ich jetzt nur noch aus Freude wegschmeißen."
(fw/City-Press)
[>]Ich habe nie behauptet, dass ich nicht temperamentvoll bin![<]