Über den Wolken
Teams | 27. November 2015, 14:59 Uhr

Über den Wolken

Über den Wolken

Sebastian Langkamp ist der zuverlässige Stabilisator in Herthas Viererkette - mit beiden Beinen auf dem Rasen. Aber beinahe hätte er eine andere Bestimmung gefunden...

Berlin - Sebastian Langkamp hält den Steuerknüppel in beiden Händen. Vorsichtig zieht er ihn Zentimeter für Zentimeter auf sich zu. Dann hebt das Flugzeug ab - und lässt die Startbahn und den Kontrollturm des Flughafen Berlin-Tegel am Boden zurück. "Ich hatte schon immer den Traum, ein Flugzeug zu fliegen", sagt Langkamp, während er im Cockpit der Boeing 737 die Instrumente aufmerksam beobachtet. Die Maschine ist an diesem Nachmittag auf dem Weg nach Schönefeld. Allerdings nicht zum ehemaligen DDR-Flughafen, sondern zum Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg.

Spätestens hier beginnt der aufmerksame Leser zu stutzen. Seit wann hat der 'Willy Brandt-Airport' seine Pforten geöffnet? Und vor allem: Seit wann ist Sebastian Langkamp Pilot? Die Erklärung ist ganz einfach: Für die rbb-Sendung 'Sportplatz' (der Sender organisierte und realisierte dankenswerterweise diesen Trip) tauschte Herthas Innenverteidiger für ein paar Stunden den Fußball mit dem Steuerknüppel. Der 27-Jährige fliegt natürlich kein echtes Flugzeug. Mit einem Kamerateam des Regionalsenders drehte er Flugszenen in einem Simulator in Berlin-Wedding nach. "Ich wollte als kleiner Junge Fußballer oder Pilot werden. Es hat total Spaß gemacht, einmal in einem Cockpit zu sitzen", freut sich der Abwehrspieler. "Doch ich stehe lieber auf dem Fußballplatz."

Turbulenzen und Umwege

Auch wenn, frei nach dem Reinhard-Mey-Klassiker 'Über den Wolken' die Freiheit grenzenlos ist: Eine falsche Wahl hat der junge Langkamp sicher nicht getroffen, als er sich für den Fußball entschied. In seiner Vita stehen 102 Erstliga- und 50 Zweitligapartien, zehn Pokalspiele und mehrere Einsätze in deutschen Junioren-Auswahlmannschaften. "Es ist eine Phrase, aber es gibt doch nichts Schöneres, als sein Hobby zum Beruf zu machen. Ich bin absolut zufrieden mit dem bisherigen Verlauf meiner Karriere", sagt Langkamp.

Seine Laufbahn verlief allerdings nicht unbedingt gradlinig: Nach zwei Vize-Meisterschaften mit der A-Jugend von Bayern München wurde er aussortiert, ein Kurz-Intermezzo beim Hamburger SV endete nach wenigen Monaten und nach seinen ersten Bundesligaspielen stieg er mit dem Karlsruher SC ab. „Es ist inzwischen eine alte Kamelle, dass Hermann Gerland mir in München gesagt hat, dass ich es maximal bis in Liga drei schaffe", amüsiert sich Langkamp über die Aussage. Doch das war nicht immer so. "Damals hat mich das schon beschäftigt. Ich habe dem Fußball so viel untergeordnet, das sollte nicht alles umsonst gewesen sein. Deshalb wollte ich es nicht nur den Leuten beweisen, die mir das nicht zugetraut haben. Ich wollte es vor allem mir selbst beweisen."

Route nach Berlin

Der Pilot Langkamp hätte sicher von Turbulenzen in der Startphase gesprochen. Seinen Weg pflastern auch weitere unplanmäßige Zwischenlandungen. Immer wieder stoppten ihn Verletzungen und ließen ihn teils mehrere Monate pausieren. "Ich habe gelernt, damit umzugehen", sagt der großgewachsene Athlet, der 2011 zum FC Augsburg wechselte und wieder Bundesliga-Luft schnupperte. "Fußballer sind auf ihren Körper angewiesen, und wenn der Körper nicht mehr mitspielt, ist es nicht von Vorteil, es zu erzwingen.“ Einen nicht unerheblichen Anteil an dieser Sichtweise hat das verletzungsbedingte Karriereende seines vier Jahre älteren Bruders Matthias. „Dadurch ist mir vieles bewusst geworden. Er hat mir den Tipp gegeben, darauf zu achten, auch ein Leben neben dem Fußball zu haben", sagt Langkamp. Gemeinsam mit den eigenen Erfahrungen ist das der Grund, warum er gewisse Dinge locker sieht, wenn andere verkrampfen.  

Das Reiseziel des Abwehrhünen war im Sommer 2013 Hertha BSC. Die Landung in Berlin verlief für Langkamp ohne größere Probleme. "Ich habe mich bei Hertha von Anfang an wohlgefühlt", sagt der Leistungsträger, der in den vergangenen zweieinhalb Jahren die feste Größe in der Innenverteidigung der Blau-Weißen geworden ist. Das gilt auch für die Stadt. "Ich habe Berlin und die vielen Kieze, die leckeren Restaurants und die verschiedenen Kulturen sehr schätzen gelernt", sagt der gebürtige Münsteraner. Viele verschiedene Ecken der Stadt schaut er sich gerne mit dem Rad an. Zwar blieb Langkamp auch an der Spree nicht ganz verletzungsfrei, doch kam er nach jeder Pause gestärkt zurück. Sein Ehrgeiz ist ohnehin geblieben. "Mit 27 bin ich zwar nicht mehr der Jüngste, aber immer noch in einem Alter, in dem ich mich noch verbessern kann", sagt er.

Für Langkamp ist Berlin viel, viel mehr als nur ein Zwischenstopp. Vor wenigen Monaten verlängerte er seinen Vertrag bis 2019. "Ich bin sehr zufrieden, dass wir den gemeinsamen Weg weiter gehen werden und denke, dass wir uns als Team noch weiterentwickeln können", hatte er seinen Entschluss im August begründet. Monate später sieht er sich bestätigt. "Wir haben eine gute Mischung in der Mannschaft und haben einen Schritt nach vorne gemacht." Mit einem Druckabfall rechnet die Defensivkraft nicht. "Wir haben uns mit 23 Punkten eine gute Ausgangsposition geschaffen, aber wir dürfen jetzt nicht nachlassen. Wir wollen so schnell wie möglich so viele Punkte wie möglich holen. Dafür müssen wir weiter konzentriert arbeiten." Arbeiten, um eine Bruchlandung zu vermeiden. In diesem Punkt wären sich der Fußballer und der Pilot Langkamp einig.

Übrigens: Im Cockpit hätte er bei weitem nicht so viel Spaß gehabt wie auf dem Rasen: Es blieb eben nur der Kindheitstraum - mit zunehmendem Alter verstärkte sich bei Langkamp die Höhenangst...

(fw/HerthaBSC, City-Press)

Gesagt...

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Mit 27 bin ich zwar nicht mehr der Jüngste, aber immer noch in einem Alter, in dem ich mich noch verbessern kann.
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-Sebastian Langkamp

von Hertha BSC