"Jeder Einzelne kann uns wehtun"
Profis | 20. August 2016, 18:10 Uhr

"Jeder Einzelne kann uns wehtun"

"Jeder Einzelne kann uns wehtun"

herthabsc.de hat im Vorfeld des DFB-Pokalspiels (21.08.16) mit Regensburg-Trainer Heiko Herrlich gesprochen.

Berlin - Am Sonntag (21.08.16) startet Hertha BSC in den DFB-Pokal. Die Blau-Weißen treffen um 18.30 Uhr auf den SSV Jahn Regensburg. Vor der Partie sprach herthabsc.de mit Heiko Herrlich. Der mittlerweile 44-Jährige hatte als aktiver Fußballer seine erfolgreichste Zeit bei Borussia Dortmund, mit denen er zweimal Deutscher Meister wurde und 1996/97 die Champions League gewann. Seit Januar 2016 sitzt er beim Jahn auf der Trainerbank.

herthabsc.de: Herr Herrlich, die ersten Schritte als Trainer machten Sie im Jugendbereich. Nach Stationen in Bochum und Unterhaching als Cheftrainer der Profis, nun also Regensburg. Was bewegte Sie zu der Entscheidung, doch wieder vom Jugend- in den Männerbereich zu wechseln?
Heiko Herrlich: Jahn Regensburg hat ein tolles neues Stadion und ein begeisterungsfähiges Umfeld. Letztes Jahr in der Regionalliga hatten wir im Schnitt knapp 6.500 Zuschauer – ein sehr guter Wert. Es war eine schöne Herausforderung für mich, die Mannschaft wieder in die 3. Liga führen zu dürfen. Mittel- und langfristig sehe ich uns als gesicherten Drittligisten. Dieses Jahr wäre es aber natürlich vermessen, etwas anderes als den Klassenerhalt anzupeilen.

herthabsc.de: 2007 gewannen Sie als Trainer den Westfalenpokal, im selben Jahr wurde Ihre U17 des DFB Dritter bei der WM in Südkorea. Mit der SpVgg Unterhaching gewann Sie den Bayerischen Pokal und ermöglichten damit den Einzug in den DFB-Pokal. Wo ordnen Sie den Aufstieg mit Jahn Regensburg in die 3. Liga ein und wie hoch wäre ein Weiterkommen im DFB-Pokal zu bewerten?
Herrlich: Höheres Niveau bedeutet nicht gleich mehr Emotionen. Mit jeder Mannschaft, egal ob es eine Jugendmannschaft oder eine Profimannschaft ist, hast du eine Verbundenheit, eine Beziehung mit den Spielern. Deshalb ist jeder Erfolg etwas Besonderes, weil man tagtäglich mit Menschen zusammenarbeitet, mit denen und für die man sich dann freut. Da ist es nicht entscheidend, ob am Ende ein paar Zuschauer mehr im Stadion waren oder ob ein paar Kameras mehr auf dich gerichtet sind. Deshalb könnte ich jetzt nicht sagen, dass mir das eine mehr bedeutet als das andere. Ein Weiterkommen gegen Hertha wäre auf jeden Fall eine riesige Sensation. Wir gehen als der ganz krasse Außenseiter in die Partie.

herthabsc.de: Marvin Knoll war in der Aufstiegssaison unter Ihnen absoluter Leistungsträger im Mittelfeld, bis ihn Verletzungen bremsten. Die ersten Spiele in der laufenden Drittligasaison absolvierte er auf der Position des Innenverteidigers. Wie sehen Sie den Ex-Herthaner?
Herrlich: Seine angestammte Position liegt natürlich im zentralen Mittelfeld. Da hat er seine größten Stärken, aber ein guter Sechser kann auch ein guter Innenverteidiger sein. Gerade in der Spieleröffnung hat er große Qualitäten, zudem zeichnet ihn seine Zweikampfstärke aus. Er hat die Aufgabe sofort angenommen, als er durch unser Verletzungspech auf die Innenverteidigerposition rücken musste. In den bisherigen Spielen hat er das super gemacht.

herthabsc.de: Nach zwei Jahren Abstinenz ist der Jahn wieder im DFB-Pokal dabei. Bei der letzten Teilnahme scheiterte man in der ersten Runde am 1. FC Union. Wie wichtig ist diese Pokalrunde für Fans und Verein?
Herrlich: Spiele im DFB-Pokal sind Highlightspiele, in denen man sich als kleinerer Verein mit etwas Losglück mit den besten Mannschaften des Landes messen darf. Dieses Glück hatten wir. Wir treffen mit Hertha BSC auf einen Bundesligisten, der eine tolle Saison gespielt und es damit fast bis in die Europa League-Gruppenphase geschafft hat – eine ehrenvolle Aufgabe. Für uns und unsere Fans wird die Partie am Sonntag etwas ganz Besonderes. Wir haben uns das mit der Regionalliga-Meisterschaft im vergangenen Jahr hart erarbeitet. Natürlich wissen wir, wie die Kräfteverhältnisse verteilt sind. Wir wollen uns einfach so gut wie möglich präsentieren.

herthabsc.de: In der 3. Liga sind Sie nach vier Spieltagen ungeschlagener Tabellenführer – und das als Aufsteiger. Warum überrascht Sie das nicht und auf was für ein Team trifft Hertha BSC am Sonntag?
Herrlich: Wir haben in den ersten vier Spielen in der 3. Liga gute Leistungen gebracht und sind natürlich froh, dass sich das auch auf unserem Punktekonto niederschlägt. Es wäre aber der größte Fehler, sich am vierten Spieltag über einen Tabellenplatz zu freuen. Wenn man die vergangenen Partien ganz analytisch betrachtet, muss man zugeben, dass jedes Spiel auch anders hätte ausgehen können. Wenn der Gegner in bestimmten Momenten getroffen hätte, dann hätten wir vielleicht verloren oder nur einen Punkt geholt. In der ein oder anderen Situation hatten wir auch das Glück auf unserer Seite. Nichtsdestotrotz waren die Ergebnisse unter dem Strich verdient. Für Sonntag erwarte ich mir, dass wir alles geben und als Team auftreten. Ganz unabhängig vom Ergebnis ist mir wichtig, dass einer für den anderen kämpft.

Gesagt...

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Für uns und unsere Fans wird die Partie am Sonntag etwas ganz Besonderes.
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-Heiko Herrlich

herthabsc.de: Der Pflichtspielauftakt lief für Hertha BSC nicht wie erhofft. Inwiefern könnte das Aus in Europa das Spiel am Sonntag in irgendeiner Form beeinflussen?
Herrlich: Das kann man so und so sehen. Im Negativfall könnte es sein, dass man resigniert. Das kann ich mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dafür hat Hertha zu viel Qualität in ihren Reihen. Ich denke nicht, dass sie nach dem Ausscheiden in den Europa League-Playoffs die Köpfe hängen lassen werden. Vielmehr gehe ich davon aus, dass eine 'Jetzt erst Recht'-Stimmung aufkommt, dass die Konzentration nun also umso mehr auf der Bundesliga und dem DFB-Pokal liegt.

herthabsc.de: Hertha-Trainer Pál Dárdai sieht die Heimmannschaft im Pokal im Vorteil. Wie sehen Sie die Rollenverteilung am Sonntag?
Herrlich: Hertha ist mit der vorhandenen großen sportlichen Qualität ganz klar in der Favoritenrolle. Das kann auch gar nicht anders sein, wenn ein ambitionierter Erstligist gegen einen Drittligaaufsteiger antritt. Es ist ein Spiel 'David gegen Goliath', unsere Chance liegt bei einem Prozent. Eine Sensation wäre nur dann möglich, wenn wir 110 Prozent leisten und die Berliner einen ganz schlechten Tag erwischen. Zudem bräuchten wir das Glück auf unserer Seite. Dass der Ball im richtigen Augenblick vom Innenpfosten rein, beziehungsweise raus springt.

herthabsc.de: Welche Qualitäten haben Sie bei den Herthanern festgestellt? Wovor bzw. vor wem werden Sie ihre Spieler warnen?
Herrlich: Hertha BSC hat als Erstligist eine hohe fußballerische Qualität, das zieht sich durch den gesamten Kader. Ich möchte deshalb gar keinen Spieler besonders hervorheben. Jeder einzelne kann uns weh tun. Als Mannschaft sind sie gerade im Umschaltspiel nach eigener Balleroberung stark und brandgefährlich. Darauf müssen wir uns einstellen. Wenn wir den Ball verlieren müssen wir hellwach sein und gut verteidigen.

herthabsc.de: Was für eine Partie erwarten Sie in der Continental Arena?
Herrlich: Wir wollen alles geben und mit unseren wenigen Mitteln so lange wie möglich dagegenhalten. Dabei geht es nicht nur darum, dass wir defensiv gut stehen, sondern wir werden auch versuchen den ein oder anderen Nadelstich zu setzen. Für alle Beteiligten wird es ein ganz besonderes Spiel, auf das wir uns sehr freuen.

(jr/ssv)

von Hertha BSC