
"Der Schieber lebt noch!"
"Der Schieber lebt noch!"

Berlin – Ein kleines Handzeichen, eine flinke Körpertäuschung und ein platzierter Abschluss ins Eck. Danach ein kurzes Grinsen – und direkt wieder im Angriffsmodus. Julian Schieber läuft im Training der Herthaner rund. Auch während der Länderspielpause lehnt sich der 27-Jährige nicht zurück, sondern hängt sich in jeder Einheit rein. Dem Angreifer ist die Spielfreude anzumerken – nach seiner langen Verletzungspause und dem beschwerlichen Weg zurück zu alter Form, sendete er mit dem 2:1-Siegtreffer im Bundesliga-Auftaktspiel gegen den SC Freiburg ein Signal: Ich bin wieder da.
Mit herthabsc.de hat Schieber über das Gefühl nach dem Tor, sein Hobby in der Natur und die anderen Stürmer im Team gesprochen.
herthabsc.de: Julian, bis am Mittwoch (31.08.16) war das Transferfenster offen. Überall gab es am ‚Deadline Day‘, wie Medien diesen Tag genannt haben, Liveticker und Berichte über Spielerwechsel. Wie verfolgst du solche Tage?
Julian Schieber: Ich bin inzwischen ein paar Jahre im Profigeschäft dabei und so extrem interessiert es mich nicht mehr, auch wenn ich die Wechsel natürlich registriere. Früher hieß es auch nicht ‚Deadline Day‘, da schloss einfach das Transferfenster. (lacht)
herthabsc.de: Den Fußball hast du zum Beruf gemacht. Daneben gibt es aber noch eine andere Leidenschaft. Du gehst angeln! Wie kam es zu diesem Hobby?
Schieber: Das ist noch gar nicht so lange her. Ich habe während der Verletzung 2015 angefangen, zu angeln. Als ich in Donaustauf - eine sehr ländliche Gegend in Bayern - in der Reha war, hat mich meine Familie besucht und ich hatte ein paar freie Tage. Auf dem Hof war ein Angelteich und wir haben dort aus Spaß einfach mal geangelt. Danach habe ich mich mehr mit dem Thema befasst und meinen Angelschein in Berlin gemacht. Jetzt bin ich ein leidenschaftlicher Hobbyangler, aber ich hatte schon vorher ein Aquarium, das ich auf jeder Station mitgenommen habe. (schmunzelt)
herthabsc.de: Du bist nicht der einzige Angler in der Mannschaft...
Schieber: Alexander Baumjohann und Marvin Plattenhardt sind meine Angelkumpanen. Baumi angelt schon etwas länger, Platte haben wir erst davon überzeugt. Wenn wir es schaffen, machen wir alle drei oder vier Wochen einen Ausflug, Therapeut Michael Becker ist auch immer wieder dabei. Platte hat bisher noch keinen Fisch gefangen. (lacht) Langsam verzweifelt er schon ein bisschen. Beim nächsten Mal muss er es schaffen...
herthabsc.de: Deine Eltern führen in deiner Heimat unweit von Backnang in Familientradition eine Baumschule. Kommt daher deine Verbundenheit zur Natur?
Schieber: Als ich noch in Stuttgart gespielt habe, haben wir meine Mitspieler auch schon mal mit Weihnachtsbäumen versorgt. Aber es stimmt schon, ich suche mir gerne ruhige Flecken, um ein wenig runterzukommen und abzuschalten. In Wäldern, auf Wiesen oder Seen. Ich bin oft mit meiner Familie an der frischen Luft. Als Fußballer legen wir unseren Fokus jede Woche von Spiel zu Spiel, dazwischen trainieren wir und versuchen, immer unsere beste Leistung abzurufen. Das ist schon eine Drucksituation, von der jeder einen Ausgleich braucht. Manche gehen gerne essen, sind in der Stadt unterwegs. Bei mir ist es die Natur.
herthabsc.de: Stichwort Drucksituationen: Wie sehr hat es dich beschäftigt, dass du seit 554 Tagen ohne Bundesliga-Tor geblieben bist?
Schieber: Ich weiß ja, dass diese lange Dauer auch mit meiner Verletzung zusammenhing. Aber natürlich verspürt man als Stürmer immer den Druck, Tore schießen zu müssen. Das war in meinem ganzen Fußballerleben so - und damit kann ich umgehen. Dennoch ist es wichtig, regelmäßig zu treffen, bevor das Geraune losgeht oder man selbst ins Grübeln kommt. Aber mit dem Alter, ich bin ja nun auch schon 27 (schmunzelt), bin ich etwas ruhiger geworden. Ich habe den Leistungsdruck stärker empfunden, als ich es aus dem Nachwuchs- in den Profibereich schaffen musste.
herthabsc.de: Umso schöner muss es sich für dich angefühlt haben, am vergangenen Wochenende den 2:1-Siegtreffer gegen den SC Freiburg erzielt zu haben – und das in der 95. Minute...
Schieber: Es war das erste Bundesliga-Spiel und ein wichtiges Tor - nicht nur für mich, sondern für den ganzen Verein. Das hat man an der Reaktion der Spieler, der Bank und den Zuschauern gemerkt. So ein Treffer, nach so einem Spielverlauf, löst irgendwie andere Emotionen aus als ein 3:0. Ich bin Stürmer, Tore schießen ist meine Aufgabe. Und im Endeffekt war es nur ein Tor. Aber natürlich war es für mich nach dieser Verletzung und der Zeit, in der ich mich zurückgekämpft habe, toll. Dieses Gefühl: 'Der Schieber lebt noch! Auf ihn kann man sich wieder verlassen.' Ich hoffe, dass es für mich ein Startschuss war. Ich will diese Saison oft treffen, und im Idealfall viele Spiele für uns entscheiden!
herthabsc.de: Im Angriff stehen bei Hertha BSC neben dir noch Vedad Ibisevic, Salomon Kalou und Sami Allagui im Kader. Ihr seid Konkurrenten, flachst aber viel miteinander. Was zeichnet euch aus?
Schieber: Mit Vedad habe ich schon in Stuttgart zusammengespielt. Für mich ist er nach wie vor einer der besten Stürmer der Bundesliga, der die Dinger eiskalt verwandelt. Er ist ein Führungsspieler, ein Kämpfer, der immer da ist und in keinem Training verlieren will. Salomon verfügt natürlich über große Erfahrungswerte, hat in seiner Karriere viel erlebt. In der Bundesliga gibt es kaum jemanden, der so schnelle Richtungswechsel draufhat und so ein Auge für den Mitspieler hat. Mit Sami habe ich mich während der Reha viel ausgetauscht, irgendwie schweißt so eine Phase zusammen. Auch er ist jetzt wieder fit und trainiert wie ein Weltmeister. Ich mag es einfach, mit den Jungs zusammen zu spielen. Wir sind teilweise unterschiedliche Spielertypen, aber ergänzen uns ganz gut. Deshalb kann man sich auch immer etwas von ihnen abschauen.
herthabsc.de: Seit Anfang der Rückrunde hat dich das Trainerteam um Pál Dárdai nach deiner komplizierten Verletzung wieder an die Mannschaft herangeführt. Die Sommervorbereitung hast du komplett durchgezogen. Wie groß ist das Vertrauen in den eigenen Körper?
Schieber: Die Jungs waren mir in den vergangenen Monaten noch einen Schritt voraus, weil sie mehr Power hatten und dadurch einfach handlungsschneller waren. Aber jetzt bin Ich wieder da, wo ich hingehöre und in einer Verfassung, in der ich der Mannschaft helfen kann. Das war nach der langen Verletzung nicht auf Anhieb der Fall, auch wenn ich es mir gewünscht habe. Da hat mir einfach noch der Rhythmus gefehlt.
herthabsc.de: Nach dem Spiel im DFB-Pokal und dem Bundesliga-Auftakt steht direkt eine Länderspielpause an. Wie empfindest du das spielfreie Wochenende?
Schieber: Ich finde es schade, dass es jetzt schon wieder eine Pause gibt. Hoffentlich bringt das unseren Rhythmus nicht zu sehr durcheinander. Aber es ist natürlich nicht einfach, alle Spiele auf allen Ebenen in einen Rahmenkalender zu legen, daher müssen wir mit dieser Situation so gut wie möglich umgehen.
(fw/City-Press)
Gesagt...
[>]Jetzt bin ich in einer Verfassung, in der ich der Mannschaft helfen kann.[<]