
Der richtige Moment
Der richtige Moment

Berlin – 17.55 Uhr: der Moment, als Vedad Ibisevic am Samstagabend (01.10.16) die Mixed Zone im Olympiastadion verließ. 40 Minuten lang hat es gedauert, bis er alle Fragen der Journalisten beantwortet hatte und sich auf den Weg in die Kabine machte. Mit zerrissener Hose, Schweißperlen auf der Stirn und einem breiten Grinsen im Gesicht wanderte er geduldig von einem Medienteam zum nächsten. Er war ein gefragter Mann, der 'Mann des Spiels'. Wieder war es Ibisevic, der Hertha den 2:0 (1:0)-Sieg gegen den Hamburger SV sicherte, wieder schnürte der Bosnier ein Doppelpack – so wie er am liebsten trifft. Aber nicht nur deswegen war der Hertha-Kapitän so glücklich: Am Abend zuvor brachte seine Frau seine Tochter Zejna zur Welt. Genau im richtigen Moment, das Timing ging auf: "Das war ein überragender Zeitpunkt. Ich habe ständig auf die Uhr geguckt und hab immer gedacht: Wann kann ich noch schlafen? Aber das haben sie gut gemacht, ich war um Mitternacht schon wieder im Hotel im Bett", lachte der Bosnier nach der Partie.
Die Geburt seines Kindes gab ihm eine Extraportion Kraft und Motivation für das Spiel: "Jeder, der Kinder hat, weiß, dass es einem nochmal Kraft gibt – heute war ich nochmal mehr motiviert." Das sah man ihm an. Aber nicht nur Ibisevic war motiviert, auch seine Kollegen zeigten von Beginn des Spiels, dass sie auf Sieg spielen wollen. Genauso allerdings aucg wie die Hamburger: Unter Neu-Trainer Markus Gisdol zeigten sich die Gäste aktiver und offensiver als in den Spielen zuvor. Mit Bobby Wood und Ex-Herthaner Pierre-Michel Lasogga bot Gisdol gleich zwei Sturmspitzen auf, sie gingen in die Zweikämpfe und versuchten, Druck nach vorn aufzubauen. "Hamburg war richtig aggressiv, richtig stark. Man hat gesehen, dass sie einen guten Plan hatten. Wir haben den Kampf angenommen", resümierte Niklas Stark.
So gab es in der Anfangsphase gute Gelegenheiten auf beiden Seiten. Erst hatten die Berliner Glück, als Nicolai Müller nach Kopfballvorlage von Lasogga über Rune Jarsteins Kasten köpfte (11.) und als Filip Kostic eine Minute später von der Strafraumgrenze abzog und ebenfalls nur das Tornetz traf (12.). Dann hatten sie Pech mit dem Aluminium: Einmal traf Mitchell Weiser die Latte, nachdem Alexander Esswein, der erstmals in der Startelf stand, nach schöner Vorarbeit auf ihn durchsteckte (15.), dann war es Genki Haraguchi, der seinen Schuss nach einer Ecke an den linken Pfosten setzte (16.).
Die Führung war die verdiente Konsequenz Arbeit der Berliner, die durch defensive Stabilität und guten Möglichkeiten gekennzeichnet war. "Wir haben uns reingekämpft und gute 20 Minuten Druck gemacht. Im richtigen Moment haben wir das Tor gemacht", empfand auch Pál Dárdai. Marvin Plattenhardt brachte den Ball in den Strafraum zu Esswein, dessen Direktschuss zu Ibisevic gelenkt wurde. Und der tat, was ein Stürmer tun muss: Blitzschnell reagieren und kaltschnäuzig einschieben – 1:0 (29.). Die Mannschaft jubelte geschlossen und sendete mit einer Geste einen Gruß an Ibisevics Frau und seine Tochter. Die Hanseaten waren bemüht und kamen mit Lasoggas Freistoß, den Jarstein an das Lattenkreuz lenkte (39.) und einem schnellen Konter über Kostic (45.), den Sebastian Langkamp klärte, zu gefährlichen Möglichkeiten.
Bundesliga-Premiere für Sinan Kurt
Auch die zweite Halbzeit bot den knapp 58.000 Zuschauern im Olympiastadion ein ansehnliches Fußballspiel. Dárdais Elf zog sich etwas zurück, die Hamburger kamen besser ins Spiel, machten mehr Druck nach vorn und boten den Berlinern so Räume zum Kontern. Nachdem Alexander Esswein zwei Hamburger stehen ließ und für Valentin Stocker auflegte, kam der einen Tick gegen HSV-Schlussmann Rene Adler zu spät (57.). Stocker versuchte es nochmals, die Hamburger Abwehr ließ ihn aber nicht durch (59.). Doch dann stimmte abermals das Timing. Stocker setzte sich erneut durch und war im Strafraum durch Albin Ekdal nur durch ein Foul zu stoppen – es gab Elfmeter. Diesen verwandelte Ibisevic zum 2:0 (70.). "In der zweiten Halbzeit haben wir uns einen Tick zurückgezogen, haben auf Konter unser schnellen Spieler gesetzt und das Tor wieder im richtigen Moment erzielt", so der Chef-Coach. Die Hanseaten trafen durch Nicolai Müller ins Berliner Tor – der stand aber bei Lasoggas Vorlage im Abseits (75.). Auch mit Schüssen aus der zweiten Reihe konnten sie an dem dritten Heimsieg im dritten Heimspiel der Herthaner nichts mehr ändern.
Kurz vor Schluss kam der Zeitpunkt für Sinan Kurt: Er ersetzte Esswein und feierte damit seine Premiere im Hertha-Trikot. "Er hat sich sein Debüt verdient. Er arbeitet sehr fleißig und hat eine gute Entwicklung gemacht. Er wird noch weitere Chanen bekommen und dann auch mal längere Zeit eingesetzt", zeigte sich Dárdai zufrieden. Auch er mit einem Grinsen im Gesicht, glücklich mit seiner Mannschaft und dem Timing, das einmal mehr aufging – für Ibisevic persönlich und für seine Mannschaft.
(lb/City-Press)