
Hinter den Kulissen: Mannschaftstreff Physiokabine
Hinter den Kulissen: Mannschaftstreff Physiokabine

Mallorca – Masseure, Balljungen, Wasserträger, Zuhörer. Stopp, schon falsch: "Wir sind keine Masseure", stellt David de Mel klar. Das was man denkt, was sie machen und das, was sie wirklich machen, ist etwas Anderes. Die Physiotherapeuten von Hertha BSC.
Es ist schon schwer, sie mal für ein paar Minuten alleine zu erwischen, um sie zu fragen, was sie denn den ganzen Tag so machen. Sie arbeiten hinter den Kulissen, man sieht ihre Arbeit als Außenstehender nicht unbedingt. Aber sie arbeiten ganz schön viel und ganz schön lange. Michael Becker, Frederick Syna und David de Mel. Im improvisierten Physiozimmer im Mannschaftshotel sitzen die drei während des Gespräches auf Kisten. Die sind voller Medikamente, Tape- und Verbandmaterial, Gels und Cremes. "Wir haben eine halbe Apotheke dabei", meint Syna. "Bestimmt 50 bis 100 unterschiedliche Medikamente." Die Physios sind rund um die Uhr für die Spieler da – auch im Trainingslager. Um 7.30 beginnen sie, die Spieler zu behandeln, um 23.00 Uhr sind sie mit der letzten Behandlung durch. Jeder Spieler wird jeden Tag behandelt. Für den äußersten Notfall sind sie auch nachts für die Spieler erreichbar. Alles, was die Spieler nehmen, müssen sie vorher mit die Physios absprechen. Während des Trainings sind sie da, versorgen die Spieler mit allem, was sie brauchen. Behalten ihre Patienten im Auge, beobachten, ob der Muskel klemmt und der Verband sitzt. Reden mit den Spielern, fragen den Stand der Dinge ab oder ermahnen sie mit einer Sorgenfalte auf der Stirn zu mehr Vorsicht.
Vertrauensperson Physiotherapeut
Neben der medizinischen Versorgung sind sie große Vertrauenspersonen für die Herthaner, sind nah dran an den Spielern, den Trainern, dem Team – sie sind Teil des Teams. Sie wissen so manches, was sonst niemand weiß. "Was im Behandlungsraum besprochen wird, bleibt hier im Raum", stellt David de Mel klar. Während der Behandlungen herrscht Handyverbot, die Spieler und Physios kommen ins Gespräch. Über Verletzungen, Probleme, aber auch über Privates. Über was sie da reden? "Über Familie, Sport, Vergangenes, Zukünftiges", sagt Becker. Mehr verrät er nicht. "Unsere Physiokabine ist auch immer ein Treff. Wenn drei Leute behandelt werden und dann neue kommen, heißt das nicht, dass die anderen direkt gehen", meint de Mel.
Gesagt...
[>]Das sorgt für eine gute Stimmung im Team und schweißt zusammen![<]

Empfehlungen, keine Entscheidungen
Dass der Chefcoach so locker mit den Physiotherapeuten umgeht, war nicht immer so. Dárdai und de Mel kennen sich schon lange. Früher hat der junge Spieler Dárdai den Physiotherapeuten de Mel anders wahrgenommen als er ihn jetzt sieht. Heutzutage ist die Kommunikation zwischen Spielern und Therapeuten, zwischen Trainern und Therapeuten ist eine ganz andere geworden. "Jeden Abend um 21.30 Uhr bringe ich die Trainer auf den neuesten Stand und sage ihnen, mit wem sie am nächsten Tag rechnen können und mit wem nicht", berichtet Becker. Und dennoch: Der Körper ist unberechenbar, "der Körper vergisst nicht", wie Dárdai gerne sagt. Immer kann es passieren, dass ein Körper anders reagiert als gedacht oder geplant. "Wir behandeln die Spieler nicht ärztlich, wir begleiten sie", sagt Becker. "Wir geben Empfehlungen und Meinungen ab, die ärztlichen Entscheidungen treffen wir nicht", ergänzt Syna.
Anders als damals und immer noch von Spieler zu Spieler sehr unterschiedlich, ist auch ihr Verhalten, ihr Umgang mit Verletzungen. Einige Spieler kämen sehr selten. Sie müssten im Training oder im Spiel ab und zu sogar ausgebremst werden, weil sie es nicht anders kennen, weil wie ein anderes Schmerzempfinden haben, weil sie es so gelernt haben. Es gibt auch die andere Seite: "Junge Spieler, die aus dem Nachwuchsbereich kommen, sind vorsichtiger und sensibler. Sie kommen öfter zu uns und fragen nach Rat", meint Becker. Er wird geschätzt, der Rat der Physios. So sehr, dass auch nach ihm gefragt wird, wenn ein Spieler nicht selbst, sondern ein Familienmitglied krank ist. Eine Frage des Vertrauens. Mental sind sie sehr involviert. Auch mal – aber nicht hauptsächlich – als Masseur, als Balljunge und Wasserträger während des Trainings, als Zuhörer für körperliche und persönliche Probleme. Als Physiotherapeut, als Vertrauensperson. Schluss ist für die Physios nicht, wenn Trainingsschluss ist. Die Beratung, die Betreuung, die Verfügbarkeit, die geht weiter. Auch wenn ihre Arbeit hinter den Kulissen stattfindet, ist sie elementar für das, was davor abläuft.
(lb/City-Press)