Der Trainer für den Piloten-Blick
Profis | 8. Juli 2017, 21:54 Uhr

Der Trainer für den Piloten-Blick

Der Trainer für den Piloten-Blick

Torwarttrainer Zsolt Petry über Anforderungen ans Torwartspiel, seine Schützlinge, die Ausbildung bei Hertha BSC und Trainingsgast Klinsmann.
Bad Saarow - Zsolt Petry steht als Gesicht für die Entwicklung der Torhüter bei Hertha BSC. Der Ungar verrichtet seine Arbeit für die Öffentlichkeit zum großen Teil unbemerkt, doch nicht nur beim übrigen Trainerteam ist die Expertise des 50-Jährigen hoch angesehen. Oft erzählt wurde die Geschichte, dass Petry Jarstein in Berlin behielt. Dass der Norweger inzwischen der unumstrittene Stammkeeper der Blau-Weißen ist und nach einer weiteren starken Saison auch von Herthas Anhängern zum 'Spieler der Saison' gewählt wurde, ist ebenso bekannt.

Im Trainingslager der Herthaner in Bad Saarow richtet sich die Aufmerksamkeit auch auf die Position zwischen den Pfosten. Grund genug, einmal am Scharmützelsee mit Zsolt Petry über die Qualitäten guter Schlussmänner, Trainingsgast Jonathan Klinsmann, die Torhüterausbildung beim Hauptstadtclub und die neue Hertha BSC Torwartschule zu sprechen.


herthabsc.de: Zsolt, natürlich werden Torhüter zumeist an wenig Gegentoren gemessen. Für dich als Torwarttrainer: Was macht einen guten Keeper aus?
Zsolt Petry: Der wichtigste Faktor aus meiner Sicht, ist eine stabile erfolgsorientierte Psyche. Dazu kommt ein intelligentes vorausschauendes Torwartspiel, wie es zum Beispiel Jens Lehmann oder René Adler verkörpern. Dazu gehören aktuell natürlich auch Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen. Viele Torhüter reagieren viel mehr, als dass sie agieren und auf das Spiel einwirken. Und als drittes: Genießen! Man muss Freude daran haben, im Tor zu stehen. Das macht für mich einen guten Torhüter aus.

herthabsc.de: Dein Schützling Rune Jarstein ist von den Fans zum 'Spieler der Saison' gewählt worden...
Petry: Dass er die Auszeichnung verdient hat, steht meiner Meinung nach außer Frage. Rune ist ein sehr ehrgeiziger, im positiven Sinne vielleicht ein wenig besessener Spieler, der sich immer verbessern will. Er hat in der letzten Saison wirklich sehr gut gehalten.

herthabsc.de: Siehst du da einen Anteil an Runes starker Entwicklung bei dir?
Petry: Nein, ich habe dabei eher eine Art Vermittlerrolle. Das Spiel gibt im Prinzip vor, wie ein Torhüter spielen muss. Wenn wir noch so tolle Übungen haben, die uns im nächsten Spiel aber nicht weiter bringen, hat niemanden etwas davon. Ich muss daher entscheiden und vermitteln, auf was es für die Torhüter ankommt. Und dementsprechend, die passenden Übungen vorbereiten, damit alle bestmöglich auf die Anforderungen des Spiels vorbereitet sind. Hier bei Hertha habe ich mit Jarstein und Kraft zwei, die sehr offen für diese Inhalte sind, um sich zu verbessern.

herthabsc.de: Wie kann sich Jarstein noch weiter verbessern?
Petry: Ich hoffe, er macht den nächsten Schritt und wird noch ein bisschen gelassener. Dadurch könnte er noch konstanter in seinen Leistungen werden. Heutzutage ist es nicht mehr diese Tunnelblick-Geschichte, bei der du viel zu wenig vom Drumherum mitbekommst - das Torwartspiel ist so viel komplexer geworden, es geht viel mehr um so eine Art Piloten-Blick, bei dem man alles vor einem im Auge behält und auf kleinste taktische Veränderungen reagieren kann.

herthabsc.de: Wie wichtig ist es, mit Thomas Kraft so eine starke Nummer 2 zu haben?
Petry: Ich denke gar nicht so gerne in Rangfolgen - wer ist die Eins, wer die Zwei usw. Es gibt immer einen, der sich das Vertrauen des Trainers verdient hat - die anderen, die nicht spielen können, sind in einer Herausfordererrolle. Thomas hat diese Rolle und Herausforderung angenommen. Damit unterstützt er nicht nur Rune, sondern auch die jungen Keeper. Das ist für mich als Torwarttrainer eine riesen Unterstützung - dafür hat er großen Respekt und Anerkennung verdient.

herthabsc.de: Mit Marius Gersbeck und Nils Körber spielen zwei weitere Torhüter diese Spielzeit auf Leihbasis in der dritten Liga. Welche Überlegungen stecken dahinter?
Petry: Ein Grund ist dabei der Reifeprozess. Wichtig ist, das Können mitzubringen, aber du brauchst eben auch eine starke ausgeglichene Psyche. Die Erfahrungen, die man durch so einer Leihe mitnimmt, sind dafür unschätzbar. Wenn man sich auf einem Parkett wie in der Dritten Liga durchsetzt, kann man das auch in der Bundesliga. Durch die Spielpraxis können sich beide weiterentwickeln - wir sind schon gespannt, was sie mitbringen. Wir schätzen beide sehr.
herthabsc.de: Aktuell trainiert Jonathan Klinsmann zur Probe mit. Welchen Eindruck hast du bisher gewonnen?
Petry: Da kommen wir wieder auf die psychische Komponente zurück: Wenn man ihn beobachtet, strahlt er Ruhe und Selbstvertrauen aus. Bisher macht er einen sehr guten Eindruck. Er hat einen sehr guten rechten Fuß und ist auch technisch und athletisch auf einem guten Niveau. Er ist leichtfüßig, hat eine gute Sprungkraft - beim Stellungsspiel könnte er noch etwas aktiver sein. Wir schauen ihn uns hier im Trainingslager weiter an und werden dann entscheiden, wie wir weiter vorgehen.

herthabsc.de: Du warst lange Zeit aktiver Torwart und trainierst jetzt die nächsten Generationen. Welche Entwicklungen siehst du?
Petry: Das Torhüterspiel entwickelt sich immer mehr in das Gesamtspiel hinein - weg vom Einzelkämpfer und hin zum elften Spieler einer Mannschaft. Das ist auch meine Aufgabe, sie im Training auf diese Anforderungen vorzubereiten - wir bauen deshalb so oft es geht Situationen ein, wie ein Torhüter auch im Spiel mit seinen Mitspielern interagiert.

herthabsc.de: In Oranienburg spielte erst Thomas Kraft, in der zweiten Halbzeit Dennis Smarsch rechts in der Abwehrkette. Ist das genau dieser Entwicklung zuzuschreiben?
Petry: Auch schon zu meiner Zeit haben wir als Torhüter in solchen Testspielen gerne mal im Feld gespielt, meistens als Innenverteidiger. Natürlich schult das die fußballerischen Fähigkeiten, aber vor allem auch die Entscheidungsgeschwindigkeit. Wenn man im Feld spielt, ist man viel unmittelbarerer ins Spiel eingebunden und muss schneller Entscheidungen treffen. Das ist eine unheimlich wichtige Komponente im Torwartspiel.

herthabsc.de: Im Tor rücken einige Talente nach. Smarsch ist mit im Trainingslager, dahinter lauern mit Leon Schaffran und Luis Klatte Junioren-Nationalspieler. Wie siehst du die Torhüterausbildung allgemein im Verein?
Petry: Ich bin sehr froh, dass ich bei Hertha BSC Teil dieser Entwicklung bin. Wir haben vor zwei Jahren mit der großen Unterstützung von unserem Akademieleiter Benjamin Weber und Michael Preetz unser Torwarttrainerteam von den Profis bis zum Nachwuchs konzeptionell neu strukturiert. Auch davor war die Arbeit schon erfolgreich, was man an Sascha Burchert, Marius Gersbeck oder Nils Körber sieht. Unser Ziel ist es jetzt, dass wir in den nächsten Jahren den ein oder anderen Torwart an die Profis heranführen können.

herthabsc.de: Als weiteren Baustein gibt es seit neuestem die Hertha BSC Torwartschule. Was hat es damit auf sich?
Petry: Wir haben häufiger schon über dieses Thema gesprochen und uns dann einmal zusammengesetzt. Das Thema Torwartschule ist ein sehr vielfältiges. Wir wollten ein Angebot schaffen, damit Torhüter ein gutes Training bekommen. In einem zweiten Schritt wollen wir aber auch die Torwarttrainer weiterbilden, entweder bei uns oder in den Vereinen. Der Bedarf, unter kompetenter Anleitung zu trainieren, ist in einer Stadt wie Berlin in jedem Fall da. Das haben wir nicht zuletzt schon bei den sehr gut besuchten Ferienschulen bei Hertha BSC gesehen. Durch dieses Angebot können sich die jungen Kicker weiter entwickeln und vielleicht irgendwann mal auch für uns interessant werden. Wir sind sehr froh, dass es mit der Torwartschule jetzt los geht und freuen uns sehr, dass auch die Anmeldezahlen bisher sehr gut sind.

Alle Informationen zur Hertha BSC Torwartschule gibt's unter herthabsc.de/torwartschule

(war/City-Press)

von Hertha BSC