Ein Blick ins Archiv: Horwitz über Sporternährung
Club | 15. Juli 2017, 15:06 Uhr

Ein Blick ins Archiv: Horwitz über Sporternährung

Ein Blick ins Archiv: Horwitz über Sporternährung

Mit Anekdoten, Geschichten und Kuriositäten aus Herthas Historie fiebern wir dem 25. Juli entgegen.

Ein Blick auf heutige Trainingslager von Hertha BSC zeigt, welch umfangreiche Planung im Spitzensportbereich mittlerweile notwendig ist. Ein Stab von Co-, Assistenz- und Fitnesstrainern, Teamärzten und Therapeuten ist für die Leistung, aber auch für die Gesundheit der Spieler von Hertha BSC verantwortlich. Dass dazu auch Ernährungspläne gehören, ist heute selbstverständlich.

Als die Mannschaft ihre wohl erfolgreichsten Jahre mit der sechsmaligen Teilnahme am Endspiel um die Deutsche Meisterschaft hatte, war es der Mannschaftsarzt Dr. Hermann Horwitz, der sich diesem Thema annahm und damit ein wichtiges Stück Pionierarbeit leistete. Die Ergebnisse damals waren selbstverständlich noch ganz andere, wie ein Erfahrungsbericht von Hermann Horwitz aus der Fußball-Woche zeigt (s.Foto).

Während seiner Tätigkeit, die in der Saison 1923/24 begann, war Horwitz als ehrenamtlicher Mannschaftsarzt auch immer häufiger bei den Auswärtsspielen dabei. Weil nur dann die Mannschaft geschlossen zum Spiel anreiste, konnte er auch nur hier Einfluss auf die Ernährung nehmen und bekam dabei den anfänglichen Widerstand der Mannschaft zu spüren. Als er eine leichte Mahlzeit aus Lamm bzw. Huhn mit viel Reis vorschlug, schimpfte vor allem der Spieler Max Fischer dermaßen, dass Horwitz sich gezwungen sah, beim nächsten Spiel wieder den Spielern selbst die Wahl zu überlassen. Der Erfolg aber und das gesteigerte Wohlbefinden der Spieler gaben ihm schließlich doch recht, wie Max Fischer lachend zusammenfasste: “Doktor, voriges Mal wollten wir alle kein Reis essen, heute wo wir wählen durften, haben sie alle Huhn mit Reis bestellt” - fortan die Standardmahlzeit vor Spielen, auch während der Meisterspielzeiten von 1930 und 1931.

Abstinenz vor dem Spiel

Dem teilweisen Verbot von Zigaretten und Alkohol stand die Mannschaft etwas offener gegenüber, auch wenn sie wegen des Zeitgeistes ein striktes Verbot durch Dr. Horwitz wohl kaum akzeptiert hätte. Er agierte schließlich zu einer Zeit, in der Nikotin, Kaffee und auch Schokolade als leistungssteigernd beworben wurden. Dennoch konnte er durchsetzen, dass zumindest in der Umkleidekabine nicht geraucht wurde und die Spieler auf Alkohol vor dem Spiel verzichteten.

Anders als heute gab es keine isotonischen Sportgetränke: Für die Halbzeitpause empfahl Dr. Horwitz, besonders an heißen Tagen, warmen Kaffee. Während des Spiels reichte er den Spielern nasse Schwämme, Eiswürfel und Zitronenscheiben zur Erfrischung. Und zur Entspannung nach dem Spiel waren ein Grog und eine Zigarette gestattet. Horwitz erkannte früh, dass die Spieler nicht nur für ihre Physis ausreichende Ruhephasen benötigen, auch die Psyche war ein für ihn wichtiges Thema, wie seine Beobachtungen zum Lampenfieber der Spieler Sobek und Domscheit zeigen.

Mit seinen Ideen formte Dr. Horwitz das Bild dieser wohl erfolgreichsten Hertha-Mannschaft mit. Er war wegen dieser sportärztlichen Kompetenz im Verein hoch geachtet.

Deportation nach Auschwitz

Im September 1938 jedoch wurde er mit dem Verweis “Nichtarier” von Hertha BSC ausgeschlossen. Er war seit 1933 fortwährend der antisemitischen Diskriminierung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Diese fand ihren traurigen Höhepunkt, als Dr. Hermann Horwitz als Jude 1943 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und dort später ermordet wurde.

Auf das Schicksal von Hermann Horwitz machte erstmals Dr. Daniel Koerfer im Buch “Hertha unter dem Hakenkreuz” aufmerksam. Viele neue Informationen zu seinem Leben, seinem Schaffen bei Hertha BSC und seiner Verfolgung sind dank der Recherchen einiger Hertha-Fans in einem kleinen Buch (“Dr. Hermann Horwitz - Eine Spurensuche”) zusammengefasst. Beide Publikationen können ab 26.07. im Fanshop in der Geschäftsstelle und im Museumsshop des Stadtmuseums Berlin erworben werden.

Dieser Beitrag ist ein Gastbeitrag des Projekts “Dr. Hermann Horwitz - Eine Spurensuche”.

(juli/war)

von Hertha BSC