
Ein Blick ins Archiv: Von Mollen und Erbsensuppe
Ein Blick ins Archiv: Von Mollen und Erbsensuppe

Berlin - Fußball, deftiges Essen und ein Bierchen - das ging für viele Menschen wohl schon immer gut zusammen. Im Hertha-Archiv findet sich ein kleiner Schatz, der dies auf ganz besondere Weise unterstreicht: Ein Heft des Gastronomie-Riesen Aschinger mit Fußballkarikaturen und -witzen aus den 1930er Jahren.
Doch wer oder was ist Aschinger? Angefangen hatte die Geschichte in Berlin ausgerechnet 1892, als eine erste "Bierquelle" von den Brüdern Aschinger in Mitte eröffnet wurde - mehr und mehr solcher Bierhallen kamen dazu, später auch Essensangebote. Aschinger entwickelte sich zu einer in der Hauptstadt legendären Gastronomie-Kette, die preisgünstig Bier und einfaches Essen anbot und sich so als Adresse vor allem für ärmere Bevölkerungsschichten etablierte. Besonders berühmt: Kartoffelsalat oder Erbsensuppe. Der Berliner Maler George Grosz erinnerte sich später: "Aschinger war eine Wohltat für hungrige Künstler. Man bestellte einen Teller Erbsensuppe, der kostete 30 Pfennig und war kein Teller sondern eine Terrine. Die Hauptsache aber war: man konnte dazu soviel Brot und Brötchen haben, wie man wollte. War der Brotkorb leer, so kam der Kellner von selbst und füllte nach (…) Was in unsere Taschen verschwand, wurde nicht beanstandet, man durfte es nur nicht so auffällig machen."
Vermutlich wird auch der ein oder andere Hertha-Anhänger in den damaligen Jahren vor oder nach dem Spiel in einem der über 30 Berliner Lokale vorbeigeschaut haben, schließlich fiel die Hochzeit von Aschinger genau in die erfolgreichsten Jahre von Hertha, in denen regelmäßig zehntausende zu den Spielen strömten.
Gastronomie-Konzern erklärt Fußball-Latein
Im von Aschinger publizierten Heft "Hinein zu Aschinger! Fußball-Latein mal andersrum!" jedenfalls nahm der Gastronomie-Konzern die Fußball-Sprache auf die Schippe - zu Begriffen wie "Halbzeit", "Tor" oder "Abseits" ist jeweils eine Karikatur mit Bier oder Essen abgebildet. Auch ein Beispiel dafür, dass der Fußball sich in den 1920er und 1930er Jahren zu einem ein Massenphänomen entwickelte, nachdem er zuvor lange als elitär und bürgerlich abgetan worden war. So überrascht es nicht, dass das Vorwort zum Heft Gottfried Rinderspacher als "Vereinsführer" von Hertha BSC verfasst hat. Das Heft stammt aus der Zeit des Nationalsozialismus, Rinderspacher war zwischen 1936 und 1940 in dieser Funktion tätig: "Als Aschinger vor einigen Monaten anfing, unsere beliebte Fußballsprache durch den Ka..-na, sagen wir, durch den Kartoffelsalat zu ziehen, wußten wir im ersten Moment nicht, was wir dazu sagen sollten. Da er’s aber auf so witzige und versöhnliche Weise getan hat, haben wir uns doch entschlossen, gute Miene zum bösen 'Spiel' zu machen, um so mehr, weil Aschinger aus dem Berliner leben genau so wenig wegzudenken ist wie unser Fußballsport."
Das Restunternehmen von Aschinger hat in den 2000ern Konkurs angemeldet und somit die 125 Jahre nicht geschafft...
(juli/war)