Der Fleißarbeiter
Profis | 6. April 2018, 15:56 Uhr

Der Fleißarbeiter

Der Fleißarbeiter

Rune Jarstein ist seit Jahren der Ruhepol zwischen den Pfosten von Hertha BSC. Seine starken Leistungen hängen auch mit Veränderungen zusammen, die er seit seiner Ankunft in Berlin vorgenommen hat.
Berlin –  Der Umzug aus dem norwegischen Stavanger nach Berlin war für Rune Jarstein ein großer Einschnitt. Raus aus der beschaulichen Heimat, rein ins große, laute Berlin – die Stadt, mit den unbegrenzten Möglichkeiten zwischen reinem Chaos und purem Glück. "Für uns war das damals ein großer Schritt, in ein neues Land mit einer neuen Sprache und einer neuen Kultur zu ziehen", sagt der Schlussmann, der seit 2014 mit seiner Frau und seinen beiden Mädchen in der Hauptstadt wohnt. Wie groß die Umstellung für den bodenständigen Skandinavier war, verdeutlich eine Zahl sehr eindrucksvoll: Stavanger ist mit rund 130.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Norwegens, allein im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf leben mehr als 330.000 Menschen. "Ich genieße das bunte Treiben, die verschiedenen Facetten von Berlin sehr", lässt der Herthaner keinen Zweifel daran, dass er sich an der Spree pudelwohl fühlt.

Dass Berlin wie eine zweite Heimat für Jarstein geworden ist, liegt aber auch an Hertha BSC. Dem Verein, bei dem er seit September 2015 als Nummer 1 zwischen den Pfosten steht – und als diese überzeugt. Dabei wäre fast alles anders gelaufen: Die Geschichte Jarsteins, der mit seiner Reservistenrolle nicht zufrieden war und Berlin nach einem Jahr fast schon wieder den Rücken gekehrt hätte, wurde oft erzählt. Doch als Thomas Kraft sich verletzte, nutzte der norwegische Nationalspieler seine Chance. Auch weil Torwarttrainer Zsolt Petry als großer Förderer des Norwegers gilt. "Rune hat sich absolut hervorragend entwickelt. Das ist kein Geheimnis. Er gehört zu den besten Torhütern der Liga, hat eine gute Strafraumbeherrschung und ist auch fußballerisch einer der Besten", sagt Pál Dárdai. Nur sieben Gegentore in der Rückrunde, der beste Wert aller Bundesligisten, bestätigen die Aussage des Fußballlehrers. "Das Kompliment gebührt der ganzen Mannschaft. Ich fühle mich auf dem Platz sehr sicher und weiß, dass ich mich auf die Jungs in der Defensive verlassen kann. Wir haben viel an unserer Verteidigung gearbeitet, auch die Monate davor, aber in 2018 zahlt sich unsere Arbeit aus", sagt der Schlussmann.

Mehr Training und eine umgestellte Ernährung

Für Jarsteins hervorragende Entwicklung gibt es einige bemerkenswerte Faktoren. Da wäre zum einen die bereits erwähnte produktive Zusammenarbeit zwischen dem Torhüter und seinem Coach. "Zsolt Petry ist nicht nur ein guter Torwarttrainer, sondern auch ein feiner Mensch. Man kann immer mit ihm reden. Auf dem Platz sieht er als Torwarttrainer vieles und variiert dementsprechend die Trainingseinheiten. Es macht einfach viel Spaß und das ist wichtig", lobt Jarstein den 51-Jährigen. Von der täglichen Arbeit profitiert der 1,90m-Hühne aber auch aus einem anderen Grund. "Der Konkurrenzkampf pusht mich. Wir haben mit Thomas Kraft und dahinter Jonathan Klinsmann und Dennis Smarsch gute Torhüter. Ich muss immer meine Leistung bringen, um weiter zu spielen", weiß Jarstein, der dennoch betont, welch tolles Verhältnis innerhalb dieser kleinen Trainingsgruppe herrscht. "Wir verstehen uns gut. Als ich zu Jahresbeginn verletzt war und Thomas gespielt hat, habe ich mich gefreut, dass er seinen Job so gut gemacht hat."

Diese kollegiale Einstellung ist ein Charakterzug, den Jarstein auszeichnet. Aber nicht der einzige. Mitspieler, Physiotherapeuten und Mitglieder des Trainerteams loben seit Jahren die Professionalität  des Herthaners, der Woche für Woche Sonderschichten mit den Athletiktrainern Henrik Kuchno und Hendrik Vieth absolviert. Drei- bis viermal geht die Nummer 22 in der Woche in den Kraftraum. "Nach dem Spiel laufe ich ein bisschen. Sonst achte ich darauf, dass ich das Pensum immer variiere und den ganzen Körper beanspruche. Ich denke, das gehört zum Profifußball dazu", so der Schlussmann. Nach seinem Wechsel an die Spree hat er außerdem seine Ernährung umgestellt. Sein großer Traum ist es, noch einige Jahre auf hohem Niveau zu spielen. "Ich möchte spielen, bis ich 40 bin. Momentan fühle ich mich gut und schließlich habe ich nur eine Karriere – die muss ich genießen", verrät der 33-Jährige. "In meinem Alter beenden manche Feldspieler ihre Karriere, für einen Torhüter bin ich verhältnismäßig noch nicht so alt. Es ist schwierig zu sagen, welches das ideale Torwart-Alter ist, aber Erfahrung kann auf jeden Fall nicht schaden." Auf eine Erfahrung hätte Jarstein in der laufenden Spielzeit auf jeden Fall verzichten können. Auf das 2:4 gegen Borussia Mönchengladbach im Hinspiel im November. "So viele Gegentore habe ich in der laufenden Saison noch nicht bekommen." Eine Wiederholung am Samstag (07.04.18) im Rückspiel würde Jarstein nur ungern erleben. Denn nach einer Niederlage kann auch eine schöne Tasse Kaffee, den er in Berlin für sich entdeckt hat, seine Laune nicht verbessern.

(fw/City-Press)

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Ich möchte spielen, bis ich 40 bin. Momentan fühle ich mich gut und schließlich habe ich nur eine Karriere – die muss ich genießen.
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-Rune Jarstein

von Hertha BSC