Zum 75. Jahrestag der Deportation von Dr. Hermann Horwitz
Club | 19. April 2018, 12:24 Uhr

Zum 75. Jahrestag der Deportation von Dr. Hermann Horwitz

Zum 75. Jahrestag der Deportation von Dr. Hermann Horwitz

Am 19. April 2018 jährt sich die Deportation von Herthas ehemaligem Mannschaftsarzt zum 75. Mal. Sein genaues Todesdatum ist bis heute ungeklärt.

Berlin - S-Bahn-Station Westhafen: Nur ein paar Minuten sind es zu Fuß, bis man vor den quasi unsichtbaren Resten des alten Güterbahnhofs Moabit steht. Dies ist der Ort, an dem die Nationalsozialisten Dr. Hermann Horwitz am Donnerstag (19.04.18) vor genau 75 Jahren in einen Zug zwangen, der ihn in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz brachte – nur wenige Kilometer vom Sitz seines ehemaligen Vereins Hertha BSC entfernt.

Im Jahr 1924 war Horwitz Vereinsmitglied und erster Sportarzt beim Hauptstadtclub geworden. Trotz interner Widerstände hatte er die Sportmedizin im Verein etabliert und die Meistermannschaft betreut. Noch 1930, auf der Meisterschaftsfeier der Herthaner, dankte ihm das Team für seinen aufopferungsvollen Einsatz mit einer Liedstrophe. Nur gute acht Jahre später folgte der Vereinsausschluss.

Inhaftiert und verschleppt

Am 3. April 1943 wurde Horwitz, als einer der wenigen noch in Berlin lebenden Juden, aus seiner Wohnung in der Prager Straße 24 abgeholt und in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße, einem ehemaligen Altenheim der Jüdischen Gemeinde Berlin im Herzen der Stadt, gebracht. Dort war er rund zwei Wochen inhaftiert. Hertha BSC spielte zu dieser Zeit um den Tschammer-Pokal, den Vorläufer des heutigen DFB-Pokals. Am 10. April 1943 gewann die Mannschaft 8:2 gegen den Wilmersdorfer SC. Neun Tage später wurde der ehemalige Mannschaftsarzt mit weiteren Gefangenen aus dem Sammellager zum Güterbahnhof Moabit, unweit des heutigen Westhafens, verschleppt.

Erinnerungen an die Deportation haben sich ins Gedächtnis gebrannt

An die Ereignisse des 19. April 1943 erinnert sich Anneliese-Ora Borinski genauestens. Sie war in Berlin-Mitte gemeinsam mit Horwitz inhaftiert: "Heute hat sich die Tür wieder geöffnet. Davor stehen wieder die Lastwagen. Einer nach dem anderen wird vollgeladen, fährt ab. Richtung Norden. An einem der Güterbahnhöfe steigen wir aus. Da steht schon ein Zug. Geschlossene Viehwaggons, ganz kleine Fenster." Weitere 687 Personen haben die Nazis neben Horwitz an jenem Tag vor den Augen der Berliner Bevölkerung deportiert. Auch den Verlauf des Transports hat Borinski bis heute nicht vergessen: "Gegen Morgen, als es eben anfängt, hell zu werden, passieren wir Breslau. Wir fahren ziemlich rasch. Durch das kleine Fenster sehen wir, dass die Landschaft sich ändert. […] Ab und zu Menschen, die an der Bahn arbeiten, manche von ihnen mit Judenstern. Wir fragen sie nach der Richtung, nach dem Ziel unseres Zuges. Sie zucken die Achseln. Einer deutet gegen den Himmel. Wir verstehen nichts", so die Jüdin. "Es ist gegen Mittag, als wir an einem Bahnhof mit dem Schild Auschwitz vorbeikommen. Kurze Zeit später halten wir wieder."

An einem Nebengleis des Bahnhofs der Stadt Auschwitz (heute: Oświęcim) mussten Horwitz und die anderen Gefangenen unter Schlägen der Schutzstaffel (SS) aussteigen – es ist der 20. April 1943, der Geburtstag von Diktator Adolf Hitler. Weitere Überlebende dieses Transportes erinnern sich an Musik, die während der Ankunft des Zuges gespielt wurde.

Horwitz' Todesdatum bis heute ungeklärt

Der Großteil der deportierten Menschen kam unmittelbar nach der Ankunft in Auschwitz in den Gaskammern um – Horwitz jedoch wurde zur Zwangsarbeit selektiert und musste fortan als Häftlingsarzt arbeiten. Unter extremsten Bedingungen rettete er mindestens einem Mitgefangenen das Leben. Ob er selbst noch lebte, als Hertha BSC am 19. September 1943 das Finale um den Tschammer-Pokal vor 20.000 Zuschauern im Berliner Poststadion verlor, ist unklar. Sein Todesdatum ist bis heute ungeklärt. Heute gedenken wir Hermann und Horwitz und allen Menschen, die den Verbrechen des NS-Regimes zum Opfer gefallen sind.

Die Broschüre über die Geschichte Hermann Horwitz, die eine Gruppe Hertha-Fans erstellte, gibt es hier.

(juli/HerthaBSC)

von Hertha BSC