#HerthaMuseum: Rettung am letzten Spieltag?
Historie | 31. Mai 2018, 17:44 Uhr

#HerthaMuseum: Rettung am letzten Spieltag?

#HerthaMuseum: Rettung am letzten Spieltag?

Auch zur Partie am letzten Spieltag der Saison 1979/80 gegen den VfB Stuttgart nehmen wir euch wieder mit in die Historie des Hauptstadtclubs.

Berlin - Es ist Samstag, der 31. Mai 1980, der 34. und letzte Spieltag der 1. Bundesliga der Saison 1979/1980. Nachdem Helmut "Fiffi" Kronsbein, bereits von Juli 1966 bis März 1974 sehr erfolgreich für die Blau-Weißen tätig, nach dem Rauswurf von Kuno Klötzer am 27.10.1979 die Mannschaft zur Rückrunde von Interimstrainer Hans "Gustav" Eder als Tabellen-Schlusslicht übernommen hat, ist die Mannschaft nach sieben Siegen, zwei Remis und sieben Niederlagen zu diesem Zeitpunkt zwar die zehntbeste Rückunden-Mannschaft, doch die Ausgangslage für die Mannschaft von Hertha BSC ist denkbar ungünstig. 

Die Berliner, die vor Saisonbeginn die Abgänge von zahlreichen Leistungsträgern, darunter Norbert Nigbur, Erich "Ete" Beer, Hans "Hanne" Weiner und zur Winterpause auch Jürgen Milewski zu verkraften haben, müssen als Tabellensechzehnter mit 27:39 Punkten das letzte Saisonspiel gegen den VfB Stuttgart, der sich bereits für die Teilnahme am UEFA-Pokal-Wettbewerb der Saison 1980/1981 qualifiziert hat, unbedingt gewinnen und auf eine gleichzeitige Niederlage des Tabellenfünfzehnten Bayer 05 Uerdingen mit 29:37 Punkten beim 1. FC Köln hoffen, um den drohenden Abstieg noch abzuwenden.

Dies sind aber nicht die beiden einzigen Hürden für die Berliner, denn Bayer 05 Uerdingen weist mit 43:60 Toren (-17) gegenüber Hertha BSC mit 37:59 Toren (-22) das in einem Spiel nahezu kaum aufzuholende bessere Torverhältnis auf. Hierbei wiegt das 0:4 (0:1) am vorletzten Spieltag bei der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch abstiegsbedrohten Fortuna aus Düsseldorf besonders schwer, zumal zwei der vier Gegentore erst in den letzten sieben Spielminuten hingenommen werden müssen.

Das Berliner Fußball-Programm titelt "Ob Abstieg oder nicht: In Berlin wird die Sonne nicht untergehen" und schreibt "Fußballfreunde, Herthas Chancen sind auf ein Minimum herabgesunken. Wenn der Abstieg nicht mehr zu verhindern sein sollte, der alte Schlachtruf gilt auch zukünftig: Ha-Ho-He - Hertha BSC!".

Das Berliner Olympiastadion ist mit der Saison-Rekordkulisse von 51.000 Zuschauern, viele von ihnen mit kleinen Transistorradios ausgestattet, bei angenehmen Temperaturen um die 20°C der perfekte Rahmen, um das scheinbar Unmögliche doch noch möglich zu machen. Die nach einer euphorischen Ansprache von Wolfgang Holst durch Mannschaftskapitän Uwe "Funkturm" Kliemann angeführte Mannschaft beginnt unter lautstarker Unterstützung des blau-weißen Publikums druckvoll und geht durch Ole Rasmussun bereits in der 11. Spielminute verdient mit 1:0 in Führung.

Zeitgleich macht unter den Anhängern von Hertha BSC das 1:0 durch Dieter Müller für den 1. FC Köln gegen Bayer 05 Uerdingen vor lediglich 12.000 Zuschauern im Müngersdorfer Stadion die Runde. In der 13. Minute bietet sich Hertha BSC die große Chance auf 2:0 zu erhöhen, doch der Stuttgarter Torhüter Helmut Roleder pariert einen von Jürgen Diefenbach getretenen Foulelfmeter.

Als Klaus-Dieter Jank in der 21. Spielminute den Ausgleichstreffer für die Schwaben markiert, scheint die Moral der Herthaner kurzzeitig gebrochen, da auch keine weiteren Treffer für den 1. FC Köln gegen den Mitkonkurrenten um den Klassenverbleib vermeldet werden.

Doch die Mannschaft bäumt sich erneut auf und geht durch zwei Tore von Wolfgang Sidka in der 29. Spielminute und Michael Sziedat in der 35. Minute mit einer 3:1-Führung in die Halbzeitpause, während der 1. FC Köln weiterhin das 1:0, welches zur Qualifikation für den kommenden UEFA-Pokal-Wettbewerb ausreicht, gegen die Krefelder lediglich zu verwalten scheint. 

Zum Pausentee sind beide Mannschaften punktemäßig gleichauf, das Torverhältnis der Krefelder von 43:61 Toren ist immer noch zwei Tore besser als das Torverhältnis der Herthaner mit 40:60 Toren.

Zwei weitere Hertha-Treffer würden Bayer 05 Uerdingen wegen der mehr erzielten Tore immer noch im Vorteil sehen, bei drei erzielten Toren würden die Berliner - bei einem in Köln unverändert bleibenden Spielstand - den Kontrahenten im Fernduell auf den Abstiegsplatz verweisen. Obwohl Wolfgang Sidka in der 74. Spielminute mit seinem zweiten Treffer den Zwei-Tore-Vorsprung nach dem zwischenzeitlichen Stuttgarter Anschlußtreffer durch Roland Hattenberger in der 72. Spielminute wiederherstellt und Bernd Förster kurz darauf sogar einen Foulelfmeter für die Schwaben über das von Wolfgang Kleff gehütete Berliner Gehäuse schießt, läuft den Berlinern die Zeit davon.

Aufgrund des hohen Kraftaufwandes und demoralisiert, weil die Kölner trotz überlegend geführten Spiels keine weiteren Treffer gegen Bayer 05 Uerdingen nachlegen, bleibt es am Ende beim 4:2 (3:1), was nach dem durch den DFB nach der Saison 1964/1965 ausgesprochenen Zwangsabstieg aufgrund der Zahlung von überhöhten Handgeldern, den zweiten Abstieg - dieses Mal aus sportlichen Gründen - aus der 1. Bundesliga bedeutet.

Trotzdem werden Trainer Kronsbein, mit 3.000 Tagen Amtszeit der dienstälteste Trainer in der Vereinsgeschichte, und die Mannschaft mit den Spielern Wolfgang Kleff, Michael Sziedat, Holger Brück, Uwe Kliemann, Jürgen Diefenbach, Hans-Günter Plücken, Wolfgang Sidka, Ole Rasmussen (Dieter Timme ab 74.), Henrik Agerbeck, Thorsten Schlumberger und Thomas Remark (Dietmar Krämer ab 81.) von den Zuschauern, viele von ihnen ebenso wie einige Spieler mit Tränen in den Augen, gefeiert. 

In der Geschichte der Bundesliga ist es die engste Entscheidung in einem Abstiegskampf, da die drei Mannschaften MSV Duisburg, Bayer 05 Uerdingen und Hertha BSC auf den Tabellenrängen 14 bis 16 bei allesamt 29:39 Punkte lediglich durch eine Tordifferenz von sechs Toren in der Abschlußtabelle getrennt sind.

Hertha BSC, dass nach diesem Sieg sogar auf dem siebten Tabellenplatz der Rückrunde mit den fünfmeisten Punkten (18) rangiert, ist bis zum heutigen Tage die einzige Mannschaft, die mit umgerechnet 40 Punkten – basierend auf der heutzutage gültigen Drei-Punkte-Regel – aus der höchsten deutschen Spielklasse absteigen muss.

(fs/HerthaBSC)

von Hertha BSC