
Hoch hinaus
Hoch hinaus

Schladming - 1.906 Meter geht es mit der Gondel hoch, rauf auf die Planai. Rund um Schladmings Hausberg tummeln sich im Sommer Wanderer und Mountainbiker, im Winter pflügen Ski- und Snowboarder durch die schöne Schneelandschaft. Andreas Thom, Individual- und Techniktrainer bei Hertha BSC, fühlt sich in der luftigen Höhe wohl. Ihn zieht es normalerweise in der kalten Jahreszeit in die Berge. "Ich fahre sehr gerne Ski, allerdings im Rahmen meiner Möglichkeiten. Mein Körper musste schon ein paar Blessuren einstecken. Skifahren ist zum Glück noch eine Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen, die funktioniert", sagt der 52-Jährige schmunzelnd und verrät, dass er erst im vergangenen Winter mit seinen beiden Söhnen ganz in der Nähe Urlaub gemacht hat.
Pauken bis zum Umfallen
In Schladming ist der Ex-Profi in diesen Tagen das erste Mal, im Vorjahr gehörte er dem Reisetross der Blau-Weißen nicht an. Nun ist er bei jeder Einheit auf dem Trainingsplatz an der Seite von Pál Dárdai und seinem Trainerteam. In erster Linie gilt das Hauptaugenmerk des Vize-Europameisters von 1992, der zwischen 1998 und 2001 für den Hauptstadtclub kickte, dann den Offensivspielern. "Fußball ist kein Sport, den einer alleine spielt. Meine Arbeit befasst sich ganz individuell mit einzelnen Spielern und Gruppen in bestimmten Spielsituationen", skizziert Thom seinen Job, dem er nicht nur bei den Profis, sondern auch bei den Nachwuchsteams der Akademie runter bis zur U14 nachgeht. Während den Einheiten erklärt er die Übungen, zeigt die Laufwege und feuerte die Spieler lautstark an. Fällt ihm etwas auf, greift er ein. Das Credo des gebürtigen Rüdersdorfers lautet: "Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung. Das ist der Weg, der Früchte trägt. Das Ziel meiner Arbeit ist es, dass sich die Spieler sicherer fühlen." Thom ergänzt: "Vor dem Tor sollte man immer einen Plan haben und wissen, wie man den gegnerischen Torhüter von seiner Position in die größten Schwierigkeiten bringen kann."
Details zu seiner Arbeit möchte der Ex-Leverkusener, der 1993 mit seinen Farben den DFB-Pokal im Finale gegen die Hertha-Bubis gewann, nicht preisgeben. "Nur so viel: Als Spieler kann man lernen, wie man sich in jeder Situation des Spiels verhalten soll. Das hat auch ein bisschen mit Mathematik und Winkelberechnung zu tun", erklärt Thom, der als Jugendlicher beim BFC Dynamo schon einen Individual- und Techniktrainer hatte. "Er hat uns damals eine Menge beigebracht."
Doch Thoms Wirken beginnt nicht mit dem Schritt auf den Trainingsplatz und endet nicht nach der Einheit. "Ich schaue mir viele Spiele unserer Mannschaften an und spreche mit Spielern, wenn mir etwas aufgefallen ist oder die Videoanalyse etwas aufzeigt", sagt der ehemalige Angreifer, der 51 Mal für die DDR auflief und nach der Wiedervereinigung zehn Mal für Deutschland, letztmals 1994. Nun, 24 Jahre später, weiß der Herthaner, dass sich im Vergleich zu seiner aktiven Karriere einiges verändert hat. "Der Fußball ist schneller, dynamischer geworden, auch das ganze Drumherum hat sich extrem weiterentwickelt. In unserer Zeit war es noch nicht möglich, so viele Daten der Spieler zu erheben, um zu sehen, wer wie intensiv trainiert und welche Laufwege macht."
Genau auf diese wertvollen Daten greift Thom nun gerne zurück, für den ehemaligen Nachwuchscoach der Berliner ist aber noch etwas anderes von Bedeutung: Instinkt. "Die Spieler müssen lernen, welche Möglichkeiten sie beim Abschluss haben. Jede Mannschaft ist taktisch geschult und konditionell fit, da ist Kreativität gefragt, gerade weil die Spieler heutzutage nur noch den Bruchteil einer Sekunde Zeit haben, um zu entscheiden." Froh ist der ehemalige Leistungssportler dann, wenn er in den Spielen Dinge erkennt, die er mit den Akteuren im Training geübt und besprochen hat. "Das ist schon schön zu sehen", sagt Thom mit einem verschmitzten Grinsen. Einem Grinsem, mit dem er auch kurz vor der Abfahrt auf dem Mountainbike zurück ins Tal noch einen Wunsch äußert. "Ich hoffe auf eine erfolgreiche Saison mit vielen schönen Spielen! Hoffentlich bleiben die Jungs verletzungsfrei und werden von den Fans lautstark unterstützt - gerade auch dann, wenn es mal nicht so läuft." Wenn das so eintritt, denkt Thom in rund neun Monaten vielleicht zurück an seinen Ausflug hoch hinaus auf die Planai. Nach Österreich, wo die Herthaner im Idealfall auch dank seiner Unterstützung den Grundstein für eine gute Spielzeit gelegt haben.
(fw/City-Press)