"Ich bin doppelt stolz, Hertha-Fan zu sein!"
Club | 21. September 2018, 02:12 Uhr

"Ich bin doppelt stolz, Hertha-Fan zu sein!"

"Ich bin doppelt stolz, Hertha-Fan zu sein!"

Holocaust-Überlebender und Hertha-Fan Walter Frankenstein diskutierte am Donnerstag (20.09.18) im Centrum Judaicum u.a. mit Senator Andreas Geisel über 'die Verantwortung des deutschen Fußballs heute'.

Berlin - Walter Frankenstein hatte allen Anwesenden in der Neuen Synagoge noch etwas Wichtiges mitzuteilen. Zum krönenden Abschluss des Abends reckte er seine rechte Hand in die Luft. "Ich habe meiner Hertha in den vergangenen Wochen so sehr die Daumen gedrückt, dass mein rechter Daumen blau geworden ist!", verkündete Frankenstein. Seit mehr als 80 Jahren hält er dem Hauptstadtclub nun schon die Treue. Die Nazis und den Zweiten Weltkrieg überlebte er zusammen mit seiner Familie im Untergrund. Seit einiger Zeit lebt er nun schon in Stockholm, verfolgt aber immer noch genauestens, wie es um seinen Herzensverein bestellt ist. Die Spiele mit blau-weißer Beteiligung guckt er live, wann immer er kann.

"Wann immer mich der Verein braucht, helfe ich gerne"

Mit großer Freude hat Frankenstein aber neben den jüngsten sportlichen Erfolgen auch noch etwas anderes zur Kenntnis genommen: "Ich freue mich darüber, dass Hertha viel dafür tut, um die eigene Geschichte nicht nur aufzuarbeiten, sondern auch mit ihr klarzukommen. Das macht mich doppelt stolz, Hertha-Fan zu sein!", so der Ur-Herthaner. "Wann immer mich der Verein braucht, helfe ich gerne." An diesem Donnerstagabend (20.09.18) war Frankenstein im Centrum Judaicum in Berlin-Mitte zu Gast, um gemeinsam mit Andreas Geisel (Senator für Inneres und Sport), Juliane Röleke (Historikerin und Vereinsarchivarin von Hertha BSC), Gerd Liesegang (Vizepräsident des Berliner Fußball-Verbandes) und Adam Kerpel-Fronius (Stiftung Denkmal für die ermodeten Juden Europas) über die gesellschaftliche Verantwortung des deutschen Fußballs in der heutigen Zeit zu diskutieren.

Zuvor hatten Beteiligte des Hertha BSC-Fanprojekts 'Spurensuche' ihre Arbeit vorgestellt und die Recherche-Ergebnisse zu den Lebensgeschichten von Herthas ehemaligem jüdischen Mannschaftsarzt Dr. Hermann Horwitz und dem ehemaligen Hertha-Mitglied Eljasz Kaszke präsentiert. Die beiden wurden im September 1939 ins Konzentrationslager Auschwitz respektive Sachsenhausen deportiert und später ermordet. "Es gibt noch eine Menge zu tun und zu entdecken. Das Ziel muss es sein, der Frage 'Was ist passiert?' nachzugehen und aus der Geschichte zu lernen", sagt Geisel. Eine ähnliche Meinung vertritt auch Röleke, die gleichzeitig aber auch noch einen Wunsch äußert: "Es gibt im Fußball, gerade in letzter Zeit, schon einige gute Projekte, anhand derer sich die Vereine mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen wollen. Dabei gehen die Vereine aber oftmals noch nicht weit genug", so die Historikerin. "So wichtig es nämlich ist, die Lebensgeschichten der Verfolgten zu recherchieren und zu dokumentieren, um an sie zu erinnern, muss eben auch eine wahre Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus stattfinden. Um das zu tun braucht man nicht nur viel Zeit, sondern vor allem auch Mut zur Selbstreflexion."

"Bei den Alten ist nicht mehr viel zu holen"


Ein Punkt, an dem auch Frankenstein anknüpft. Auf die Frage, ob der Fußball wirklich etwas gegen Hass, Gewalt und Diskriminierung tun könne, antwortet der 94-Jährige: "Dem Fußball kommt eine enorm wichtige Aufgabe für die Aufarbeitung unserer Vergangenheit zu. Ich erlebe immer wieder, wie wenig die jungen Menschen in Deutschland von der dunklen Vergangenheit zur Zeit des Nationalsozialismus wissen", stellt Frankenstein fest. Zum Abschluss der Diskussionsrunde richtet der Herthaner klare Worte an die Vereine: "Sie sollten sich öffnen, um den jungen Leuten näherzukommen. Ich bin nämlich überzeugt davon, dass es von Erfolg gekrönt sein wird, wenn Gruppen von Fußballfans - so wie es bei Hertha BSC passiert - zusammenkommen, um die Geschichte ihres Vereins aufzuarbeiten und das nach außen zu tragen. Es ist die Jugend, mit der man arbeiten muss! Bei den Alten ist nicht mehr viel zu holen."

Wer Näheres über die rührende Lebensgeschichte und die nimmermüde Lebenslust des wahrscheinlich treuesten Herthaners überhaupt erfahren möchte, der folge diesem Link.

(af/StiftungDenkmal,MarkoPriske)

Bildergalerie: Walter Frankenstein im Centrum Judaicum

von Hertha BSC