
"Wenn du zufrieden bist, ist es immer das Ende"
"Wenn du zufrieden bist, ist es immer das Ende"

Im großen Jahresinterview spricht Pál Dárdai über die Hinrunde, die sportliche Situation der Mannschaft, die Talententwicklung und die Ziele für die zweite Saisonhälfte.
Berlin – An Weihnachten 2018 ist Pál Dárdai seit 1418 Tagen Cheftrainer von Hertha BSC. Nachdem der Ungar bereits als Spieler eine Ära beim Hauptstadtclub geprägt hat, gelingt ihm das seit Februar 2015 auch als Coach. Nur Helmut 'Fiffi' Kronsbein und Jürgen Röber waren an der Spree länger im Amt. Seit 1997 lebt der 42-Jährige inzwischen in Berlin, wenig verwunderlich, dass er stets betont, wie wohl er sich hier fühlt. "Hertha BSC ist wie eine Familie und diese Stadt ist Heimat geworden", betont Dárdai regelmäßig, wenn er über seine besondere Verbindung zum Verein spricht. In den nun fast vier Jahren als Profitrainer hat der Herthaner viel erlebt - zwischen Abstiegskampf und Europapokal war alles dabei. Auch die Hinrunde der Saison 2018/19 hatte Höhen und Tiefen, schöne und weniger schöne Momente. Über die Highlights, die sportliche Situation der Mannschaft, die Talententwicklung und die Ziele für die Rückrunde spricht der leidenschaftliche Fußballlehrer im großen Jahresinterview mit herthabsc.de.
herthabsc.de: Pál, eine ereignisreiche Hinserie hinterlässt Jahr für Jahr ihre Spuren. Wie verbringst du die Feiertage und entspannst dich?
Dárdai: Heiligabend verbringen wir mit unserer Familie am Plattensee. Ein befreundetes Pärchen und ihre Tochter sind auch mit dabei. Vormittags werde ich noch laufen gehen, danach essen wir bis zum geht nicht mehr (lacht). Mittags gibt es eine kleine Mahlzeit, nachmittags die nächste und am Abend essen wir dann eine Fischsuppe vom Karpfen – das ist ein ungarischer Brauch. Bevor es Bescherung gibt, hören wir uns noch ein Gedicht an, das mich daran erinnert, dass ich in meinem Leben auch schon etwas verloren habe. Das wird sicher emotional. Wir packen die Geschenke aus, stoßen an und spielen Karten. Am nächsten Tag geht es mit dem Essen und der Entspannung weiter. Den 2. Weihnachtsfeiertag feiern wir bei meiner Cousine und ihrer Familie.
herthabsc.de: Dir wird oft die Frage gestellt, ob die Fußball-Familie Dárdai die freien Tage überhaupt ohne den geliebten Sport verbringen kann?
Dárdai: Nicht so ganz (schmunzelt). Am 27. Dezember findet in dem ungarischen Dorf, in dem meine Oma noch lebt und mein Vater aufgewachsen ist, in der Turnhalle der Schule ein kleines Fußballturnier statt. Dort spielt auch das 'Team Dárdai' mit mir, meinen Söhnen und anderen Familienmitgliedern. Wir haben immer großen Spaß dabei, die Leute aus dem Dorf schauen zu und am Ende essen und trinken wir alle zusammen. Aber wir schalten schon auch ein bisschen ab vom Sport: Am 30. Dezember gehen wir wie jedes Jahr zusammen in Budapest ins Theater und Silvester feiern wir mit Freunden am Plattensee und machen ein wenig Party (lacht). Neujahr erholen wir uns davon und am 2. Januar geht’s zurück nach Berlin.

herthabsc.de: Nach 17 Spieltagen hat Hertha BSC 24 Punkte gesammelt und steht auf dem achten Rang. Wie bewertest du die erste Saisonhälfte?
Dárdai: Ich bin kein Trainer, der sich über Verletzungen beklagt, aber in der Hinrunde war es schon extrem. Wir mussten viel basteln und konnten nur zwei Mal hintereinander die gleiche Startelf aufstellen. Wir mussten sogar immer mal wieder das System wechseln, weil wir nicht mehr genug Spieler hatten, die in das eigentliche Konzept gepasst hätten. Insofern sind 24 Punkte ganz ordentlich. Die Jungs haben die Ausfälle gut kompensiert und gut mitgezogen. Respekt! Bei all den Widrigkeiten hätten es auch zehn Zähler weniger sein können.
herthabsc.de: Nach Helmut 'Fiffi' Kronsbein und Jürgen Röber kannst du in die Riege der blau-weißen Trainer aufsteigen, die 50 Bundesliga-Siege oder mehr mit ihren Teams errungen haben. Erfüllt dich diese Bilanz mit Stolz?
Dárdai: 50. Bundesliga-Siege wären eine schöne Sache. Aber als Trainer zählt immer nur das nächste Spiel. Ohnehin gilt mein Dank den Spielern, denn sie gewinnen die Partien. Nichtsdestotrotz bin ich schon ein bisschen stolz darauf. Aber noch glücklicher macht mich, dass ich als Spieler die meisten Partien für Hertha BSC bestritten und die meisten Punkte für diesen Verein geholt habe.
herthabsc.de: Insbesondere zu Beginn der Saison feierte die Mannschaft viele schöne Erfolge. An welche Highlights der vergangenen Monate denkst du als Trainer zurück?
Dárdai: An den Sieg auf Schalke, der besonders für unsere Fans sehr wichtig war. Wir haben dort nicht irgendwie gewonnen, sogar zu Null (Anm. d. Red.: Hertha BSC gewann am 2. Spieltag mit 2:0 in Gelsenkirchen). Auch der 2:0-Sieg gegen Bayern war ein Highlight, nachdem uns im Februar 2017 noch die lange Nachspielzeit einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte (schmunzelt). Schön war auch der Heimsieg gegen Mönchengladbach, als wir fußballerisch wirklich richtig gut waren und vier Tore geschossen haben (Anm. d. Red.: 4:2-Sieg am 4. Spieltag).
herthabsc.de: Die Mannschaft hat einige sehr gelungene Auftritte abgeliefert – manchmal auf Kosten der Balance zwischen Defensive und Offensive. Was hat in der Hinrunde gut, was weniger gut funktioniert?
Dárdai: Vor der Saison im Sommer waren die Erwartungen von außen an uns nicht sonderlich groß, aber die Mannschaft hat sich in den vergangenen Monaten spielerisch gesteigert und sich weiterentwickelt. Wir haben in der Hinrunde guten Fußball gezeigt, taktisch waren wir variabler. Auch beim Gegenpressing und bei Kontern haben wir uns verbessert, solche Umschaltsituationen trainieren wir aber auch Tag und Nacht. Es waren aber auch zwei, drei schwarze Spieltage dabei, an denen wir schlecht gespielt haben. Solche Leistungen dürfen wir in der Rückrunde nicht mehr zeigen. Wir müssen gierig und bissig bleiben und dahinkommen, dass wir nie zufrieden sind. Wenn du als Fußballer zufrieden bist, ist es immer das Ende der Entwicklung.
herthabsc.de: Maximilian Mittelstädt, Jordan Torunarigha und Arne Maier schicken sich an, den nächsten Schritt zu gehen und sind dabei, sich in der Bundesliga zu etablieren. Inwiefern bestärkt dich diese Entwicklung, weiter auf junge Spieler zu setzen?
Dárdai: Ich hätte auch gerne Mané, Henderson und Salah von Liverpool hier, aber wer soll die Ablöse bezahlen (lacht)?! Daher müssen wir vermehrt auf junge und entwicklungsfähige Spieler setzen, aber das machen wir gerne. In den vergangenen Jahren haben wir das sehr erfolgreich getan, wenn man sich die Entwicklungen von Marvin Plattenhardt, Niklas Stark und Valentino Lazaro anschaut. John Brooks haben wir als Eigengewächs für viel Geld verkauft und dafür neue Talente geholt. Auf die Entwicklung von Maxi, Jordan und Arne dürfen wir stolz sein. Sie stehen auch exemplarisch für die gute Arbeit der Akademie. Wir freuen uns, dass wir so viele Eigengewächse haben – das ist gut für die Identifikation und für unsere ganze Nachwuchsarbeit. Wir erzählen hier nicht nur, dass wir Talenten eine Chance geben. Wir tun das auch!
Gesagt...
[>]Wir erzählen hier nicht nur, dass wir Talenten eine Chance geben. Wir tun das auch![<]

herthabsc.de: Neben Dennis Jastrzembski hat auch dein Sohn Palko 2018 die ersten Minuten als Bundesliga-Spieler gesammelt. Überwiegt bei dir der väterliche Stolz oder der Blick als Trainer, wenn du auf ihn schaust?
Dárdai: Palko und ich trennen strikt. Bei uns zu Hause ist das irgendwie normal, das war bei meinem Vater und mir nicht anders. Ich muss immer schmunzeln, denn Journalisten interessiert diese Konstellation immer mehr als uns. Bei uns ist das gar kein Thema. Ich glaube, dass Hertha BSC an Palko und Dennis in Zukunft noch viel Freude haben kann. Sie sind beide noch jung, aber bereits torgefährlich und können Treffer vorbereiten.
herthabsc.de: In den vergangenen Jahren hat Hertha BSC in der Hinrunde stets besser gepunktet als in der Rückrunde. Warum wird es dieses Mal anders?
Dárdai: Wir sollten gar nicht so viel darüber reden. Je mehr wir darüber sprechen und die Spieler es im Kopf haben, desto schwieriger wird es, daran etwas zu ändern. Wenn alle Spieler gesund sind, bin ich überzeugt, dass wir die beste Rückrunde spielen, seitdem ich hier Trainer bin. Unser Potenzial hat man gesehen, als alle gesund waren. Wir sind zuversichtlich, dass die Verletzten Anfang des Jahres gesund und fit sind. Unser Ziel muss es sein, jedes Jahr um die Plätze fünf bis acht mitzuspielen und immer mal wieder in die Europa League zu rutschen.
herthabsc.de: Wie schon im Januar 2018 bereitest du die Mannschaft gemeinsam mit deinem Trainerteam in Berlin auf die Rückrunde vor. Weshalb bleibt ihr in der Hauptstadt und fliegt nicht ins Trainingslager?
Dárdai: Die Wintervorbereitung ist wieder richtig kurz. Wenn wir fünf Tage wegfahren würden, würden wir danach zurück nach Berlin kommen und uns beschweren, wie kalt, dunkel und schlecht hier alles wäre (lacht). Das brauchen wir nicht. Wenn die Vorbereitung länger wäre, würden wir vermutlich ein Trainingslager beziehen, aber so haben wir hier gute Trainingsbedingungen und dazu noch den Telekom Cup. Gegen Nürnberg werden wir gut vorbereitet in die Partie gehen!
herthabsc.de: Auf was wirst du in der Vorbereitung auf die zweite Halbserie besonders Wert legen? Wo siehst du das meiste Verbesserungspotenzial?
Dárdai: Ich erkläre das am Beispiel Ondrej Duda. Er hat sieben Tore geschossen, das ist eine gute Bilanz. Aber er hat keinen Treffer vorbereitet, obwohl er das Potenzial dafür hat. Aber es geht nicht um Ondrej, alle Spieler können sich beim letzten Pass noch deutlich verbessern und ihre Mitspieler häufiger in Szene setzen. Unser Fußball ist in der Hinrunde besser geworden, weil wir den vorletzten Pass schon besser an den Mann bringen. Aber wir müssen den Ball noch häufiger durchstecken, noch präziser passen und flanken. Wir haben am Anfang der Saison einen guten Weg eingeschlagen in puncto Ballbesitz, aber auch Gegenpressing. Diesen wollen wir fortsetzen. Wir haben handlungsschnelle und intelligente Fußballer. Wenn wir diese richtig zusammenstecken, dann funktioniert die Sache.
(fw/City-Press)
Gesagt...
[>]Wir haben am Anfang der Saison einen guten Weg eingeschlagen. Diesen wollen wir fortsetzen.[<]