"Diese Zeit war ein Geschenk!"
"Diese Zeit war ein Geschenk!"
Berlin – Jeder Sportler und Sportfunktionär hat Rituale und geregelte Abläufe, mit denen er öffentliche Auftritte angeht. Manche sind bewusst, manche unbewusst, manche mehr, manche weniger offensichtlich. Beobachter von Hertha BSC konnten ein solches Ritual auch regelmäßig bei Pál Dárdai und seinen Pressekonferenzen nach den Auftritten der Profis von Hertha BSC beobachten. Egal wie begeisternd, hitzig oder ernüchternd die voranliegenden 90 Minuten verlaufen waren, der Übungsleiter gratulierte zu Beginn seines Statements gerne – sei es seinen Jungs zu einer guten Vorstellung oder eben aber einem an diesem Tag besseren Gegner zu dessen Erfolg. Mit dem Schicksal zu hadern oder gar nachtragend zu sein, ist nicht Dárdais Stil. Weder im sportlichen Alltag, noch beim vorläufigen Ende seiner zweiten sportlichen Ära bei Hertha BSC – dem Verein, den er nach seiner Zeit als Spieler auch von der Seitenlinie aus prägte.
Am Samstag, an seinem 1563. Tag im Amt, nimmt der Ungar zum letzten Mal bei einem Bundesliga-Spiel auf der Trainerbank der Blau-Weißen Platz. Es wird ein Abschied von seinem Job, nicht aber von seinem Verein. "Ich spüre keine Abschiedsgefühle und bin nicht wütend oder nachtragend deswegen. Ich bin Herthaner und ich bleibe Herthaner", betonte Dárdai im Vorfeld. "Ich genieße jeden Augenblick hier im Verein und auf dem Gelände. Wir haben hier in den vergangenen Jahren gemeinsam etwas Tolles geschafft und ich konnte hier so viele Erfahrungen sammeln. Dafür bin ich Hertha BSC dankbar - diese Zeit war ein Geschenk!"
Stabilität, Pokal-Erfolge und Ausflüge nach Europa
Die sportliche Bilanz unterstreicht die Meinung des Fußballlehrers. Unter der Leitung des Coaches stabilisierte sich Hertha BSC und entwickelte sich wieder zu einer festen Größe in der Bundesliga. Zweimal gelang sogar die Qualifikation für den europäischen Wettbewerb, zudem zog die 'Alte Dame' 2016 erstmals seit 35 Jahren wieder ins DFB-Pokal-Halbfinale ein und kam dem großen Traum aller Herthanerinnen und Herthaner, dem Finale im Olympiastadion, so nahe wie lange nicht. "Pál ist ein wichtiger Bestandteil der positiven Entwicklung unseres Clubs und hat sich nicht nur als Rekordspieler, sondern nun auch in den vergangenen Jahren als Cheftrainer große Verdienste um Hertha BSC erworben", erklärte Michael Preetz. "Viereinhalb Jahre sehr guter und konstruktiver Zusammenarbeit sind eine sehr lange Zeit im Profigeschäft."
Ein Blick auf die Zahlen bestätigt die Aussage des Geschäftsführers Sport. Nur Helmut 'Fiffi' Kronsbein und Jürgen Röber waren als Hertha-Trainer länger im Amt, und auch nur diese beiden sammelten mehr Bundesliga-Siege mit dem Hauptstadtclub als der Ungar (54). "Natürlich bin ich schon ein bisschen stolz darauf", schmunzelte Dárdai, als der 50. Sieg zum Rückrundenauftakt in Nürnberg gelang. "Aber mein Dank gilt den Spielern, denn sie gewinnen am Ende die Partien!"
Harmonische Zusammenarbeit mit Widmayer und Hamzagić
Eine Aussage, die typisch für den Teamplayer Pál Dárdai ist. Bei jeder Gelegenheit betonte der 43-Jährige die Wichtigkeit der Arbeit seiner Spieler – und die seiner Trainerteamkollegen Rainer Widmayer und Admir Hamzagić. "Ohne die beiden könnte ich meine Arbeit nicht machen", sagte Dárdai gerne. Hamzagić, mit dem Herthas Cheftrainer bereits im Jugendbereich erfolgreich zusammenarbeitete, verfeinerte als wichtiger Teil des Trainerstabes insbesondere die Ausarbeitung und das Training von Standardsituationen. Widmayer, der sich um taktische Belange kümmerte, bestätigte den harmonischen Eindruck. "Wir haben ein sehr, sehr gutes Trainerteam. Die Aufgaben sind klar verteilt und jeder macht in seinem Bereich einen klasse Job", betonte der Schwabe, der damit ausdrücklich auch die hervorragende Arbeit der Athletiktrainer Henrik Kuchno und Hendrik Vieth sowie Torwarttrainer Zsolt Petry einschließt. Widmayer selbst kehrt nach der laufenden Saison in seine Heimat zurück und schließt sich dem VfB Stuttgart an. "Rainer hat hier Spuren hinterlassen und sich total mit seiner Aufgabe in Berlin identifiziert. Er hat sich nicht gegen Hertha BSC, sondern für eine Rückkehr in seine Heimat entschieden", erklärte Michael Preetz. Vor dieser will Widmayer mit seinen Kollegen sicherstellen, eine schöne Zeit auch erfolgreich zu beenden. "Wenn man viereinhalb Jahre mit einer Mannschaft zusammenarbeitet, dann ist da natürlich etwas entstanden", betonte der 52-Jährige. "Wir haben es in jeder Saison geschafft, gut ins Ziel zu kommen – und das wollen wir auch nun schaffen!"
Nach einem zwischenzeitlichen "sportlichen Loch", wie Pál Dárdai es selbst formulierte, sieht es inzwischen ganz so aus, als würde das auch gelingen. Seit vier Spielen sind die Herthaner unbesiegt, zuletzt gelangen gegen Stuttgart und Augsburg zwei Siege in Serie. Am Samstag soll nun nach einer insgesamt durchwachsenen Saison noch ein gelungener Abschluss gegen Bayer Leverkusen her, um eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit einem letzten, gemeinsamen Heimsieg zu beenden.
"Blau-weißes Blut und ein ungarisches Herz"
"Ich werde nie auch nur ein negatives Wort über Hertha BSC verlieren. Ich habe dem Club viel zu verdanken", sagte Pál Dárdai. Die gegenseitige Wertschätzung zwischen dem Fußballlehrer und dem Hauptstadtclub unterstrich Michael Preetz. "Pál wird auch über seine Zeit als Cheftrainer der Profis hinaus ein großer Faktor der Hertha-Familie bleiben", betonte der Geschäftsführer Sport. Dárdai selbst sagt gerne, er habe "blau-weißes Blut in den Adern und ein ungarisches Herz." Nach jahrelangem Einsatz für den Hauptstadtclub wird sich der Ungar nun eine berufliche Erholungspause gönnen, ehe der Trainer wieder eine Aufgabe bei den Blau-Weißen übernehmen soll. "Hertha BSC ist und bleibt mein Zuhause", sagte Dárdai, den stets sportliche Etikette und Fairness auszeichneten. Die Profimannschaft übergibt der akribische Arbeiter in einer guten Ausgangslage an seinen Nachfolger Ante Čović.
Bevor dies im Sommer der Fall ist, hat der Ungar am Samstag noch einmal das Sagen. Nach dem Abpfiff heißt es dann aber endgültig: auf Wiedersehen. Dann wird sich der Coach von den Fans, seiner Mannschaft und dem Team hinter dem Team verabschieden. Anschließend wird Dárdai ein letztes Mal im Bauch des Olympiastadions sitzen und auf der Pressekonferenz sein Fazit zum Spiel abgeben. Was sich alle Herthanerinnen und Herthaner für diesen Moment wünschen, ist klar: Sie wollen noch einmal erleben, dass ihr langjähriger Trainer seine Mannschaft zu einem würdigen Saisonende beglückwünschen darf. Verdient wäre das nach all der gemeinsamen Zeit und der harten Arbeit allemal. Glückwünsche sind an diesem Abend aber auch unabhängig vom Ergebnis angebracht. Für einen Herthaner, der sich stets in den Dienst des Vereins gestellt hat. Danke, Pál!
(kk/City-Press)
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[>]Hertha BSC ist und bleibt mein Zuhause.[<]