
Eine bemerkenswerte Rückkehr
Eine bemerkenswerte Rückkehr

Im Jahr 1939 musste die Familie Tugend vor den Nazis fliehen und emigrierte in die USA. 80 Jahre später kehrte Tom Tugend nach Berlin zurück und besuchte dabei auch Hertha BSC.
Berlin – Es war ein bemerkenswertes Bild, welches sich den Beobachtern am Schenckendorffplatz bot. Während auf dem grünen Rasen die blau-weißen Profis trainierten, sah ihnen vom Rand aus ein älterer Herr zu. Sein Lächeln verriet seine ungetrübte Liebe zum Fußballspiel und die Freude darüber, an diesem Tag auf dem Olympiagelände unterwegs zu sein. Denn es gab Zeiten, in denen der 94-jährige Tom Tugend nicht unbedingt damit rechnen konnte, in seine Heimatstadt zurückkehren zu können. Der 1925 als Thomas Tugendreich in Berlin geborene Fußballfan musste 1939 mit seiner Familie über London nach Los Angeles fliehen, da es für die Tugendreichs aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln und der Verfolgung durch die Nazis in Deutschland immer gefährlicher wurde. 80 Jahre nach der Flucht besuchte Tom mit seiner Tochter Alina nun seine alte Heimatstadt, um an der Verlegung von vier 'Stolpersteinen' teilzunehmen, die vor dem ehemaligen Wohnhaus in der Reichsstraße 104 an die Familie Tugend(reich) erinnern. "Ich hätte nie erwartet, dass ich noch mal nach Berlin zurückkehre. Es ist eine zweite Chance, meine Kinderzeit zu erleben", sagt Tugend mit einem Lächeln.

Eine Autogrammsammlung als Erinnerung an Berlin
In dieser spielte der Fußball, wie in Tugends gesamtem Leben, eine große Rolle. "Ich war ein enthusiastischer Fußballspieler", erzählt der 94-Jährige. "Fußball hat einen Großteil des Lebens ausgemacht. Tagelang haben wir darüber geredet." Erlebnisse, bei denen Tugend als Kind in Berlin sogar die immer präsentere Bedrohung durch die NS-Diktatur vorübergehend ausblenden konnte. "Jede Generation konnte sich für diesen Sport begeistern. Im Stadion konnte man für einige Zeit dann auch Politik und Probleme ausblenden", berichtet der gebürtige Berliner. Über die Leidenschaft entstand auch die Verbindung zu Hertha BSC. Wie die meisten Kinder und Jugendlichen war auch Tugend in jenen Jahren ein passionierter Autogrammjäger. Mit Freunden wartete er vor den Hotels auf die dort einquartierten Fußballer, um seine Sammelbilder von diesen unterschreiben zu lassen. So gelangte er auch an die Autogramme der Herthaner Hermann Schwarz und 'Hanne' Sobek – zwei Highlights seiner Sammlung, die er später auf der Flucht vor den Nazis mit in die USA bringen konnte. "Das Buch hat mich in dunklen Momenten oft gerettet", erzählt Tugend.
Ein Kreis schließt sich
Der Fußball half Tugend dann auch, sich in der neuen Umgebung schneller zurecht zu finden – auch, wenn sich die Einheimischen mit dem Spiel noch eher schwertaten. "Als ich nach Amerika kam, hat kaum jemand Soccer gespielt - an der Universität waren im Team auch nur Einwanderer", schmunzelt Tom. "Beim Fußball sind die engsten Freundschaften entstanden, die mir sehr viel bedeutet haben." Mit der Rückkehr nach Berlin und auf das Olympiagelände schloss sich für den Journalisten nun 80 Jahre später in gewisser Weise ein Kreis. Auf Einladung des Hauptstadtclubs erhielt Tugend mit seiner Tochter eine Führung durch das Olympiastadion und schaute anschließend beim Training der Hertha-Profis vorbei. Zum Abschluss erhielt der gebürtige Berliner noch einige blau-weiße Souvenirs zur Erinnerung an einen besonderen Tag. "Vielen Dank für den Blick hinter die Kulissen und die Gastfreundschaft – es war ein großer Spaß", sagt ein glücklicher Tom Tugend abschließend – und erklärt mit einem Augenzwinkern: "Ich hoffe, dass Hertha BSC nächstes Jahr Deutscher Meister wird. Dann komme ich wieder!"
(kk/HerthaBSC)