
"Uns war klar, dass wir einen historischen Moment miterleben"
"Uns war klar, dass wir einen historischen Moment miterleben"

Berlin - 28 Jahre und 88 Tage - so lange stand die Berliner Mauer. 28 Jahre und 88 Tage trennte sie Familien voneinander und teilte eine Stadt, ein ganzes Land in Ost und West. 28 Jahre und 88 Tage, mit denen jede Berlinerin und jeder Berliner, jeder Ost- und jeder Westdeutsche ganz persönliche Erinnerungen, Momente und Schicksale verbindet. Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, war das der Grundstein für die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober des Folgejahres. Ein Meilenstein in der Geschichte. Ein Meilenstein für das Berlin, in dem wir heute leben und das wir heute so schätzen. In diesem Jahr jährt sich der Tag des Mauerfalls zum 30. Mal. Als Verein für das gesamte Berlin und das Brandenburger Umland hatte dieses Ereignis auch unmittelbar Einfluss auf Hertha BSC - in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft.
In der aktuellen Kampagne 'Wir sind ein Berliner.' greift der Hauptstadtclub die einzigartige Geschichte der Stadt Berlin auf und rückt den Mauerfall in den Mittelpunkt. Auf herthabsc.de wollen wir bis zum 9. November 2019 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu Wort kommen lassen und sie berichten lassen, wie sie dieses historische Datum erlebt haben, was sie mit ihm verbinden und wie sich ihr Leben dadurch verändert hat. Wir wollen dabei natürlich erfahren, welchen Einfluss die Mauer und ihr späterer Fall auf die Verbindung zu Hertha BSC hatte. Wir wollen eure ganz persönliche blau-weiße Mauergeschichte! Den Anfang unserer Serie macht Sven Kretschmer, damals Profi bei Hertha BSC, beim legendären Spiel gegen Wattenscheid auf dem Rasen und heute Leiter Scouting bei den Blau-Weißen. "Das Spiel gegen Wattenscheid war ein Riesenerlebnis. Normal waren im Schnitt vielleicht 5.000 bis 10.000 Zuschauer da, dieses Mal inoffiziell über 60.000", erinnert sich der 48-Jährige, der zurückblickt:
Wir hatten Verwandtschaft im Osten, die wir oft besucht haben. Ich erinnere mich noch, dass meine Eltern an der schwer bewachten Grenze jedes Mal ein wenig nervös geworden sind. Damals als Kind habe ich das schon gespürt und hatte auch immer einen kleinen Kloß im Magen. Als gebürtiger Berliner habe ich natürlich auch mitbekommen, dass das Leben im Ostteil etwas anders lief. Am Tag, als die Mauer fiel, war ich zu Hause. Ich war damals mit 18 Jahren Schüler und habe noch bei meinen Eltern in Reinickendorf gewohnt. Als die Nachrichten liefen, waren wir im ersten Moment sehr überrascht, dann auf eine Art und Weise geschockt, aber am Ende überglücklich. Meine Eltern und ich sind dann zur Bornholmer Straße gefahren und haben alles aus nächster Nähe verfolgt. Auch wenn wir nicht jedes Detail erfasst haben, war uns klar, dass wir einen historischen Moment miterleben. Die Gefühle, die damals hochgekommen sind, kann man gar nicht richtig beschreiben. Für mich und meine Generation war die Mauer Normalität, wir kannten es gar nicht anders und hätten niemals damit gerechnet, dass sie irgendwann einmal nicht mehr stehen würde. Der 9. November 1989 bedeutet mir sehr viel, wir hatten im Nachhinein betrachtet viel Glück, dass die Revolution friedlich verlaufen ist. Einfach großartig!
Die erste Zeit nach dem Mauerfall war natürlich wahnsinnig interessant. Ich war sicher auch mal länger auf, als es für einen Profisportler gut gewesen wäre. Die Ablenkung drumherum war einfach besonders groß. Aber unser Trainer hat uns, wenn es darauf ankam, schnell wieder in die Spur gebracht. Am 11. November hatten wir schließlich unser nächstes Ligaspiel, Spitzenduell in der 2. Bundesliga gegen Wattenscheid 09 - das war ein Riesenerlebnis. Normal waren im Schnitt vielleicht 5.000 bis 10.000 Zuschauer im Olympiastadion, dieses Mal inoffiziell über 60.000! Als wir vorgefahren sind, haben wir die faszinierende Stimmung wahrgenommen und die vielen Menschen gesehen, die vor Freude geweint haben, gejubelt haben und einfach glücklich waren. Das lässt einen natürlich nicht kalt. Es war nicht so leicht, sich auf den Fußball zu konzentrieren. Ich habe damals dann als 18-Jähriger das 1:1 geschossen. Der Treffer war der Gipfel der Gefühle und ist mit Sicherheit der, der mir am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben ist. In diesem Ausmaß hatte ich das nie erlebt. Fußballerisch war das Spiel eher durchwachsen, aber darum ging es an dem Tag gar nicht. Außerdem sind am Saisonende eh beide Mannschaften aufgestiegen. Auf den Sport bezogen veränderte der Mauerfall in der Folgezeit viel: Durch die DDR-Fußballer, die taktisch und körperlich gut ausgebildet waren, ist die Konkurrenzsituation noch größer geworden. Man musste sich noch stärker behaupten als zuvor schon, aber das hatte auch seine Vorteile - und am Ende ging es ohnehin um mehr als den Fußball.
Wenn auch ihr eure Mauergeschichte berichten möchtet, dann schreibt eine E-Mail an mauergeschichten@herthabsc.de! Gemeinsam tauchen wir dann in die Vergangenheit ein und werden die vergangenen Momente und Erinnerung neu erzählen!
(fw,herthabsc/herthabsc)