
Im letzten Drittel um den Lohn gebracht
Im letzten Drittel um den Lohn gebracht

Berlin – Die Vorfreude und Euphorie auf den Rückrundenauftakt gegen den FC Bayern München war im blau-weißen Lager groß. 29 Tage nach dem torlosen Remis gegen Mönchengladbach zum Hinrundenabschluss wollten die Schützlinge von Trainer Jürgen Klinsmann gegen den deutschen Rekordmeister ihre Serie von vier ungeschlagenen Bundesliga-Partien in Serie ausbauen und die gute Form aus der 21-tägigen Wintervorbereitung mit drei Siegen aus drei Testspielen bestätigen. Um dieses Vorhaben erfolgreich umzusetzen, agierten die Herthaner im ausverkauften Olympiastadion aus einer stabilen Defensive. Diese kompakte Grundordnung führte dazu, dass die hochveranlagte Münchner Offensive im ersten Durchgang bis auf zwei Abschlüsse von Robert Lewandowski und Philippe Coutinho kaum zur Entfaltung kam (25., 35.). Viel mehr besaß der Hauptstadtclub durch Davie Selke eine vielversprechende Gelegenheit zur Führung, Herthas Nummer 27 köpfte das Spielgerät nach einer Flanke von Kapitän Marvin Plattenhardt jedoch freistehend über das Gehäuse (21.).

Erstes Gegentor als Wirkungstreffer
Nach dem torlosen ersten Abschnitt intensivierten die Bayern in der zweiten Halbzeit ihre Offensivbemühungen und wurden gefährlicher vor dem Tor von Rune Jarstein. Doch der Norweger und seine Vorderleute hielten dem Druck stand. Entweder parierte der Schlussmann selbst oder Jordan Torunarigha, der zu seinem zweiten Startelf-Einsatz kam, und Dedryck Boyata bereinigten per Kopf auf der Linie (52., 58.). So waren die Herthaner knapp 330 Bundesliga-Minuten ohne Gegentor, doch dann traf Thomas Müller zur 1:0-Gästeführung und beendete diese über drei Spiele andauernde weiße Weste (60.). Und dieses Tor war ein Wirkungstreffer. Während die Berliner kaum mehr zurück ins Spiel fanden, drehte der UEFA Champions League-Sieger von 2013 nun auf und erhöhte binnen weniger Minuten durch einen verwandelten Elfmeter von Lewandowski (73.), Thiago (76.) und Ivan Perisic (84.) auf 4:0. Dennoch kamen die Blau-Weißen beinahe noch zum Anschlusstreffer. So hatte der eingewechselte Pascal Köpke kurz vor Schluss die große Chance auf 1:4 zu verkürzen, doch erst scheiterte der Blondschopf an Manuel Neuer, ehe der Nachschuss an den Pfosten prallte (85.). Am Ende der 91 Minuten stand somit eine deutliche Niederlage, mit der nach zwei Drittel des Spielgeschehens nicht unbedingt zu rechnen war.
Entsprechend sahen auch die Einschätzungen der Akteure nach Spielende in der Mixed Zone aus. "Nach den ersten 45 Minuten hatten wir ein gutes Gefühl und haben unsere Chance gesehen, mindestens einen Punkt zu holen. Aber wie man nach Abpfiff an unseren Gesichtern sehen kann, sind wir sehr enttäuscht", sagte etwa Marko Grujic. Lukas Klünter bestätigte den Eindruck seines Mannschaftskollegen: "Wir haben 60 Minuten lang gut gespielt und das, was wir vorhatten, richtig gut umgesetzt. Daraus müssen wir die positiven Schlüsse ziehen." Doch auch die Protagonisten konnten sich den Leistungsabfall in den letzten 30 Minuten nicht wirklich erklären, begaben sich aber direkt auf Ursachenforschung und fassten sich dabei an die eigene Nase. "Wir wollten in der Offensive über unsere schnellen Außenspieler für Gefahr sorgen. Das hat aber nur bedingt geklappt. Leider haben wir unsere wenigen Chancen nicht genutzt und zu wenig Druck auf das gegnerische Tor ausgeübt", suchte Klünter einen Erklärungsansatz für den ausbleibenden Torerfolg.
Enttäuschung nach dem Schlusspfiff - doch der Blick geht nach vorne
Kapitän Plattenhardt, der mit 75 Prozent gewonnener Duelle der beste Zweikämpfer auf dem Platz war, sah es ähnlich. "In den letzten 30 Minuten hat uns die Entlastung gefehlt, wurden immer mehr in die Defensive gedrängt und haben zu schnell zu viele Tore kassiert. Das ist sehr schade, weil es dann natürlich schwer wird, noch einmal zurückzukommen", haderte 'Platte' mit der fehlenden offensiven Entlastung im zweiten Abschnitt. Trotz der Enttäuschung unmittelbar nach Schlusspfiff richteten die Hauptstädter den Blick im Anschluss auf die kommenden Aufgaben. "Wir nehmen diese Niederlage wie Männer und wollen nach diesem Spiel unseren Weg trotzdem weitergehen", untermauerte Selke und bekam dabei Unterstützung von seinen Teamkameraden. "Wir sind nicht weit vom Relegationsplatz entfernt, aber wir haben definitiv eine höhere Qualität, als die Tabelle aussagt. Wir müssen jetzt zurückschlagen", erklärte Grujic.
Chefcoach Klinsmann vermittelte auf der anschließenden Pressekonferenz im Bauch des Olympiastadions einen ähnlichen Eindruck, wie seine Spieler kurz zuvor bei den Interviews: Enttäuscht über die Niederlage, aber zeitgleich auch bemüht, den Blick auf die anstehenden Aufgaben zu richten. "Die Stimmung, die Kameradschaft und die Energie ist sehr gut bei uns in der Truppe. Die Jungs sind bereit Wege zu gehen und sich reinzuhängen, das haben wir in den ersten 60 Minuten ja auch gesehen. Da ist richtig guter Esprit drin. Von daher glaube ich nicht, dass diese Niederlage ein großes Problem in den Köpfen der Spieler oder gar einen Nackenschlag darstellen wird", sagte der Fußballlehrer, ehe er sich abschließend auf die Offensivqualitäten seines Teams bezog und dabei einen klaren Wunsch äußerte. "Wir brauchen einfach mehr Durchschlagskraft und Mut nach vorne. Selbst wenn du 0:4 hinten liegst und eine Chance zum 1:4 bekommst, dann musst du die als Stürmer machen. Da wünsche ich mir, dass die Jungs die Tore erzwingen wollen!" Bereits am Samstag (25.01.20, 15:30 Uhr) beim Gastspiel beim VfL Wolfsburg haben die Klinsmann-Schützlinge die Gelegenheit den Wunsch ihres Trainers zu erfüllen – und dabei das eigene Torekonto zu erhöhen.
(sj/City-Press)
Gesagt...
[>]Wir müssen jetzt zurückschlagen![<]