
Wechselbad der Gefühle
Wechselbad der Gefühle

Im DFB-Pokal Achtelfinale beim FC Schalke 04 erfährt Hertha BSC am eigenen Leib, wie unfassbar eng Freud und Leid im Fußball beieinander liegen.
Gelsenkirchen - Als Per Skjelbred, Santiago Ascacibar und Maximilian Mittelstädt um kurz vor 23:30 Uhr am späten Dienstagabend (04.02.20) schnellen Schrittes die Katakomben der Schalker Fußballarena passierten, verliefen die versteinerten Blicke ins Leere. Sichtlich fassungslos und enttäuscht gingen die Herthaner in ihre Kabine. "Wie kann man so ein Spiel noch verlieren?", konnte auch Skjelbred den gekippten Spielverlauf, der mit einer 2:3-Niederlage nach Verlängerung aus Sicht der Blau-Weißen endete, nicht fassen. Dass sich diese Reaktionen im Lager des Hauptstadtclubs nach dem Abpfiff des Achtelfinals im DFB-Pokal beim FC Schalke 04 breit machen würden, damit war in 75 Minuten der regulären Spielzeit nicht zu rechnen.

Starke erste Hälfte - der Plan geht zunächst auf
Aus einer 3-5-2-Formation mit einer Doppelspitze aus Neuzugang Krzysztof Piątek und Pascal Köpke, die beide ihren ersten Startelfeinsatz in einem Pflichtspiel für die 'Alte Dame' feierten, wussten die Schützlinge von Trainer Jürgen Klinsmann zu überzeugen. Die Berliner erwischten die Hausherren vor 53.525 Zuschauern dabei auf dem falschen Fuß, die Balance zwischen kompromissloser Defensivarbeit und zwingenden Offensivakzenten stimmte hervorragend. So war es ausgerechnet Startelf-Debütant Köpke, der nach mustergültiger Vorarbeit von Marius Wolf die frühe 1:0-Führung markierte (12.). Und es kam noch besser: Nach einem glänzend vorgetragenen Konter über Köpke erzielte Piątek noch vor dem Pausenpfiff das 2:0 und konnte erstmals seinen 'Pistolen-Jubel' auspacken (39.). Das Momentum war also klar aufseiten der Elf von der Spree. "In der ersten Halbzeit haben wir überragend gespielt und zwei schöne Tore gemacht", bestätigte Skjelbred, der mit 86 Prozent gewonnener Duelle der beste Zweikämpfer auf dem Platz war.
Als die Minuten auch im zweiten Durchgang immer weniger wurden und die komfortable 2:0-Führung weiterhin Bestand hatte, schien das Viertelfinale für den Hauptstadtclub zum Greifen nah zu sein. Doch leider erlebte der Abend noch eine entscheidende Wende: Erst verkürzte Daniel Caliguri (76.), ehe Amine Harit binnen sechs Zeigerumdrehungen den 2:2-Ausgleichstreffer erzielte (82.). Nun sprach einiges für die Hausherren, die von ihrem Publikum lautstark nach vorne gepeitscht wurden und auf den Last-Minute-Treffer hofften. Die Herthaner zeigten sich davon jedoch nicht beeindruckt und erzwangen somit die Verlängerung. In dieser wurde es zum Ende des ersten Abschnitts sehr hektisch. Der bereits mit Gelb verwarnte Jordan Torunarigha, der schon während der regulären Spielzeit aufgrund von rassistischen Beleidigungen von Seiten einiger Schalker Anhänger gegen seine Person emotional sehr aufgebracht war und immer wieder von seinen Mitspielern aufgebaut werden musste, sah wegen Wegwerfens einer Getränkebox die Ampelkarte. Nach Ansicht der Videobilder schickte Schiedsrichter Harm Osmers nach dieser Szene auch S04-Übungsleiter David Wagner mit Rot auf die Tribüne (102.).
Raman trifft die Herthaner ins Herz
Als sich die Gemüter wieder beruhigten und vieles auf ein Elfmeterschießen hindeutete, setzen die 'Knappen' fünf Minuten vor Abpfiff der Verlängerung den entscheidenden Konter und trafen durch den eingewechselten Benito Raman zum 3:2-Siegtreffer – und die 'Alte Dame' mitten ins Herz. Das lange Zeit beinahe schon sicher geglaubte Viertelfinale war dahin. Anstatt mit den rund 1.800 mitgereisten Hertha-Fans zu feiern, mussten die Klinsmann-Schützlinge Erklärungsversuche für das noch aus der Hand gegebene Spiel suchen. "Es war klar, dass Schalke im zweiten Durchgang mehr investieren musste, wir wollten den entscheidenden Konter setzen, das ist uns leider nicht gelungen. Der unglückliche Anschlusstreffer, der Ausgleich und später dann die Gelb-Rote Karte haben es aber immer schwerer gemacht, das ist für den Kopf nicht leicht", haderte Torschütze und Vorlagengeber Köpke mit den Begleitumständen im zweiten Durchgang sowie in der Verlängerung.
Doch an diesem Abend wurden den Herthanern nicht nur Fragen zum Sportlichen gestellt. "Was da aus den Rängen kommt, an Affengeräuschen und rassistischen Beleidigungen – tut mir leid, aber ich kann mir das nicht vorstellen. Wenn ich mich da auch nur ein bisschen hineinversetze, kommt mir schon alles hoch und Jordan trifft es noch viel mehr. Sowas geht gar nicht. Da müssen wir als Mannschaft, als Verein, eigentlich die ganze Bundesliga hinter ihm stehen! Man muss sich ganz klar davon distanzieren, das ist kein Verhalten", bezog Kapitän Niklas Stark deutlich Stellung zu den Äußerungen rund um Torunarigha. So ging ein aufregender und emotionaler Pokal-Abend, der für alle Blau-Weißen denkwürdig begann, enttäuschend zu Ende. Ein absolutes Wechselbad der Gefühle in Gelsenkirchen!
(sj/City-Press)
Gesagt...
[>]Man muss sich ganz klar davon distanzieren, das ist kein Verhalten![<]