
"... wie Tanzen ohne Musik!"
"... wie Tanzen ohne Musik!"
Berlin - Wenn Santiago Ascacibar später einmal auf das Jahr 2020 zurückblickt, wird er vermutlich an eine turbulente, emotionale aber auch bisweilen völlig verrückte Zeit denken. Schon in den ersten knapp vier Monaten erlebte der 23-Jährige wahrscheinlich so viel, wie manche seiner Mitspieler in mehreren Jahren nicht. Angefangen hat das Jahr für den Mittelfeldspieler mit einer wegweisenden Entscheidung. Am Neujahrstag vollzog er den Wechsel vom zweitklassigen VfB Stuttgart zu Hertha BSC, nur einen Tag später reiste er mit seiner neuen Mannschaft gleich ins Trainingslager nach Florida. Kurz darauf debütierte er für die 'Alte Dame' im ausverkauften Olympiastadion gegen Bayern München. "Auch wenn wir nicht wissen, wann es wieder losgeht, müssen wir bereit sein. Das ist jetzt unsere Aufgabe", berichtet der Argentinier, der 2017 aus seiner Heimat nach Deutschland gekommen war. Das größte Highlight folgte jedoch am 23. Januar, als er zum ersten Mal Vater wurde. Und auch sportlich lief es für den bissigen Abräumer vor der Abwehr persönlich ganz ordentlich, erkämpfte er sich doch auf Anhieb – trotz Trainerwechsel – einen Stammplatz im Zentrum der Berliner. Dennoch blieben die Hauptstädter immer etwas hinter den eigenen Erwartungen. Über die ersten Monate an der Spree, aber auch die Saisonunterbrechung durch den Coronavirus hat herthabsc.de mit dem Blondschopf gesprochen.
herthabsc.de: Santi, die wichtigste Frage gleich zu Beginn. Wie geht es dir und deiner Familie?
Ascacibar: Uns geht es gut, danke! Wir sind - wie momentan vermutlich alle - auch die meiste Zeit zu Hause und gehen nicht mehr oft raus. Die Stimmung ist trotz der Umstände aber noch sehr angenehm (schmunzelt). Das hängt natürlich mit unserem Sohn Benicio zusammen, seit seiner Geburt hat sich unser Leben natürlich ganz schön verändert. Wir sind rund um die Uhr an seiner Seite. Bei all den schlimmen Seite der Coronakrise ist es für mich schön, so oft und so lange zu Hause bei meiner Familie zu sein. So habe ich mehr Möglichkeiten, meiner Freundin zu helfen und mehr Zeit mit unserem Sohn zu verbringen. Ich spreche auch oft mit meiner Familie in Argentinien, dort herrschen auch Ausgangsbeschränkungen und präventive Maßnahmen, die Menschen dürfen sogar nur vor die Tür, wenn sie in den Supermarkt, in Apotheken oder zu Ärzten wollen.
herthabsc.de: Der Alltag hat sich seit Mitte März für alle grundlegend unvorstellbar gewandelt, zuvor ganz selbstverständliche Dinge sind weggebrochen. Wie hast du persönlich die zurückliegenden Wochen mit Quarantäne, geschlossenen Restaurants und Geschäften sowie den Ausgangsbeschränkungen erlebt?
Ascacibar: Es war komisch, ganz klar. Für uns alle ist das eine neue, ungewohnte und beklemmende Situation. Aber wir haben diese Regeln zu akzeptieren, schließlich geht es um unsere Gesundheit – und die ist das Allerwichtigste. Teilweise war es schon ein wenig monoton, aber neben der gemeinsamen Zeit habe ich oft in der Küche gestanden, neue Serien geschaut und mal wieder zwei Bücher gelesen.
herthabsc.de: Nach Ablauf der Quarantäne trainiert ihr seit fast drei Wochen wieder in kleinen Gruppen und unter strengen Vorgaben der Politik auf dem Schenckendorffplatz. Zweikämpfe sind wegen den Abstandsregelungen nicht möglich. Wie schwierig ist das für jemanden, der das körperbetonte Spiel liebt?
Ascacibar: Gute Frage (lacht)! Lass es mich einmal versuchen zu erklären. Natürlich war es überragend, wieder auf den Platz zu dürfen und gegen den Ball zu treten. Einfach alles ist mit dem Ball schöner. In kleinen Gruppen ist das immer noch besser als alleine zu Hause. Ich ließe den Fußball einfach. Aber Fußball ohne Zweikämpfe ist wie Tanzen ohne Musik. Ohne Gegner, Zweikämpfe und Emotionen kann ich zwar auch spielen, aber es fühlt sich nicht ganz richtig an (schmunzelt).
herthabsc.de: In Bruno Labbadia habt nun den dritten Trainer in der Rückrunde. Welchen Eindruck hast du von ihm in den ersten Tagen sammeln können?
Ascacibar: Ich habe natürlich gewusst, dass er zuletzt Wolfsburg trainiert hat und selbst einmal Spieler war, aber ich kenne seine Karriere nicht im Detail. Der Anfang unter ihm war sehr gut. Wir haben direkt gespürt, dass er brennt und seinen Job gerne macht. Wir arbeiten viel mit dem Ball, aber machen auch technische und vor allem taktische Übungen, um seine Ideen schnell zu verinnerlichen. Auch wenn wir nicht wissen, wann es wieder losgeht, müssen wir bereit sein. Das ist jetzt unsere Aufgabe.
herthabsc.de: Du bist inzwischen knapp vier Monate in Berlin, hast in dieser Zeit viel erlebt. Du bist in einer neuen Umgebung, in der du zum ersten Mal Vater geworden bist, dazu das sportliche Auf und Ab samt Trainerwechsel und nun die Unterbrechung. Realisierst du manchmal schon, wie ereignisreich dieses Jahr bislang gelaufen ist?
Ascacibar: (lacht) Ich habe darüber noch gar nicht so genau nachgedacht. Es sind viele schöne Dinge passiert wie eben die Geburt meines Kindes. Dazu spiele ich wieder Bundesliga und habe bis auf eine Partie, in der ich gesperrt war, immer in der Startelf gestanden. Das war mein Ziel und ich bin froh, dass ich den Trainern bisher zeigen konnte, dass sie auf mich setzen müssen. Aber auch wenn ich nicht gespielt hätte, hätte ich nicht aufgegeben und um meinen Platz gekämpft. Am Ende zählt eh immer nur die Mannschaft. Aber das ist auch ein wenig meine Einstellung. Probleme treten ab und zu immer auf, aber du musst trotzdem positiv und fröhlich bleiben, um die Situationen zu meistern. Viele Dinge so schnelllebig, viele Dinge kannst du manchmal auch gar nicht beeinflussen. Ich konzentriere mich darauf, die Probleme zu lösen, statt zu lange zu hadern. Sportlich bin ich mir sicher, dass wir wieder ein bisschen Ruhe reinbekommen. Denn Hertha BSC hat eine große Zukunft.
Gesagt...
[>]Ich liebe den Fußball einfach. Aber Fußball ohne Zweikämpfe ist wie Tanzen ohne Musik.[<]

herthabsc.de: Für sportlich bessere Zeiten möchtest du mit den anderen beiden Winter-Neuzugängen Matheus Cunha und Krzysztof Piątek sorgen, mit denen du dich auf Anhieb gut verstanden hast. Habt ihr euch zumindest ein paar Ecken von Berlin noch anschauen können?
Ascacibar: Ja! Wir haben vor der Corona-Pandemie viel Zeit miteinander verbracht, sind in Berlin das eine oder andere Mal essen gegangen. Es war immer lustig zusammen, wir mixen die Sprachen immer und wechseln aus dem Italienischen ins Spanische und zurück. Dabei habe ich Italienisch nie richtig gelernt, sondern immer nur Fetzen bei einem Stuttgarter Kumpel aufgeschnappt. Irgendwann habe ich es einfach versucht, ein wenig zu sprechen, das scheint ganz gut zu klappen. Ich hoffe, dass wir alle bald wieder die Vorzüge Berlins genießen können.
herthabsc.de: Eine nicht ganz ernst gemeinte Frage zum Abschluss: Wie kommst du aktuell an deinen Mate-Tee, den du traditionell trinkst?
Ascacibar: Keine Sorge, ich bin bestens versorgt und habe bestimmt noch zwei bis drei Kilo zu Hause (lacht).
(fw/City-Press)
Gesagt...
[>]Ich liebe den Fußball einfach. Aber Fußball ohne Zweikämpfe ist wie Tanzen ohne Musik.[<]