Profis | 13. Mai 2020, 18:38 Uhr

"Wie beim Fremdsprachen lernen"

"Wie beim Fremdsprachen lernen"

Niklas Stark spricht über Gedanken in der Quarantäne, das Miteinander als Mannschaft und den Re-Start am Samstag (16.05.20, 15:30 Uhr) bei der TSG Hoffenheim.
Berlin - Fast auf den Tag genau vor zwei Monaten sorgte die Entscheidung für ein Gefühl irgendwo zwischen Verblüffung und Verwunderung: Das Auswärtsspiel der Herthaner bei der TSG Hoffenheim Mitte März sollte wegen der Corona-Pandemie als Geisterspiel steigen. "Wir müssen die Situation annehmen", hatte Niklas Stark wenige Tage später im Interview auf herthabsc.de im Hinblick auf die für Liebhaberinnen und Liebhaber des Ballsports befremdliche Situation erklärt. Was zu diesem Zeitpunkt weder der Vize-Kapitän der Blau-Weißen noch (Fußball-)Deutschland ahnen konnte: Die neuartige Virusinfektion sollte den gesellschaftlichen Alltag in der Folgezeit komplett auf den Kopf stellen und das Miteinander in allen Bereichen grundlegend prägen. Für die Bundesliga bedeutete die gefährliche Ausbreitung der Lungenkrankheit nicht nur eine kurzfristige Absage des 26. Spieltags, sondern unterm Strich eine etwa neunwöchige Saisonunterbrechung. In dieser Zeit musste der 25-Jährige zwei Mal in Quarantäne, trainierte erst zu Hause und später dann in Kleingruppen. Nun blickt er gespannt auf den geplanten Re-Start am Samstag (16.05.20, 15:30 Uhr), der seine Mannschaft dieses Mal wirklich in den Kraichgau zum Tabellen-9. führt.  

herthabsc.de:
Nik, als wir uns im März unterhalten haben, waren dieses Ausmaß und diese Entwicklungen rund um das Coronavirus noch nicht absehbar. Beklemmende und ungewisse Wochen liegen hinter uns. Kannst du einmal beschreiben, wie du die zurückliegende Zeit erlebt hast?
Stark: Die begann mit einer Schocknachricht. Wir waren auf einmal mitten in der Corona-Krise, die gefühlt schon noch etwas weiter weg war. Es macht einen Unterschied, ob man nur darüber spricht oder es dann etwas näher am eigenen Leib erfährt. Durch die Spielabsage, aber vor allem durch die Quarantäne, die kurz darauf folgte, da wir einen positiven Befund in unserer Mannschaft hatten. Es hat sich anders angefühlt, weil wir ab diesem Zeitpunkt betroffen waren und als Kontaktpersonen galten. Für den infizierten Spieler war es natürlich noch einmal schlimmer. Ab diesem Punkt habe ich mir schon viele Gedanken gemacht. Habe ich mich angesteckt? Habe ich vielleicht wen angesteckt? Wie geht es der Familie und den Freunden? Oder ganz allgemein: Wie geht es jetzt weiter? Ich glaube, viele hatten ähnliche Sorgen. Das Gefühl in der Quarantäne verstärkt die Wahrnehmung sicher noch einmal - vor allem musste ich trotz negativer Testungen noch ein zweites mal als mögliche Kontaktperson in Quarantäne.

herthabsc.de: Zumindest im Fußball geht es nun endlich wieder weiter. Wie groß ist deine Vorfreude auf das Spiel am Samstag (16.05.20, 15:30 Uhr) in Hoffenheim?

Stark: Es ist eine riesen Chance, die die Bundesliga und wir bekommen haben. Entsprechend ist die Erwartungshaltung und Verantwortung, der wir unbedingt gerecht werden wollen. Jetzt haben wir die Möglichkeit, weiter zu spielen und damit vielleicht auch ein wenig aus dieser beschriebenen Situation herauszukommen. Wir wissen alle, dass es komisch wird. Diese Situation müssen wir annehmen und in sie reinwachsen. Natürlich spüre ich Vorfreude, aber die ist gepaart mit ein bisschen Ungewissheit. Allein die leeren Stadien werden extrem ungewohnt sein, auch wenn wir jetzt schon mal im Olmypiastadion trainiert haben. Normal saugen wir die Atmosphäre auf, die Fans pushen uns und ziehen uns häufig mit. Das fällt nun alles weg.

herthabsc.de: Es gibt öffentliche Diskussionen, ob die Wiederaufnahme des Spielbetriebs aktuell vertretbar ist. Durch das Video von Salomon Kalou seid auch ihr in der Vorwoche unfreiwillig in die Medien geraten. Habt ihr sein Fehlverhalten intern noch einmal aufgearbeitet?
Stark: Wir haben uns intern intensiv über das Video unterhalten. Der Verein hat uns alle noch mal sensibilisiert, wie wichtig es ist, uns an die Vorschriften zu halten. Wie wichtig es ist, die Hygieneregeln genauestens zu beachten. Wir alle wissen und Salomon selbst auch, dass er einen großen Fehler gemacht hat. Es tut ihm auch unendlich leid, dass er der Mannschaft und Hertha BSC damit geschadet hat. Damit muss Sala auch leben, weil er es sich selbst eingebrockt hat. Trotzdem ist es mir sehr wichtig klarzustellen, dass ich ihn in den fast fünf Jahren, in denen wir zusammengespielt haben, immer als ein umsichtigen und verantwortungsvollen Teamplayer erlebt habe, der für andere da war und sich vorbildlich verhalten hat.

herthabsc.de: Ihr seid als Mannschaft nun zwei Monate ohne Pflichtspiel, eigentlich ohne Wettkampfpraxis. Auf welche Anlaufschwierigkeiten und Herausforderungen stellt ihr euch zum Re-Start ein?

Stark: In den ersten Einheiten nach der Quarantäne hat man schon gespürt, dass ein wenig Fitness und dadurch Konzentration fehlt, aber wir sind besser reingekommen. Ein bisschen fühlt es sich an wie nach der Sommerpause oder nach einer Verletzung, wenn man Schritt für Schritt zurückkommt. Erst haben wir individuell gearbeitet, dann in kleinen Gruppen und nun eine knappe Woche wieder als Mannschaft. Wir müssen sicher erst wieder unseren Rhythmus finden. Es ist ein bisschen wie beim Fremdsprachen lernen. Wenn du sie länger nicht gesprochen hast, vergisst du ein paar Wörter. Auch im Fußball bekommst du durch Wiederholungen Sicherheit - und im Spiel müssen wir jetzt auch wieder ein bisschen lernen, was genau in welcher Situation richtig ist.

herthabsc.de: Wie es ist, wieder mehr Zeit miteinander zu verbringen, erlebt ihr momentan in der Hotel-Quarantäne, in der ihr seit dem vergangenen Sonntag seid. Wie laufen die Tage momentan ab?

Stark: Ein bisschen so wie im Trainingslager (schmunzelt). Wir werden in zwei Bussen, damit wir genug Abstand halten können, zum Training gebracht und abgeholt. Im Hotel gibt es Besprechungen, Schulungen und Mahlzeiten. Der Trainer spricht viel mit uns. So sehen momentan die Umstände aus. Wir akzeptieren das. Immerhin können wir dadurch unserem Job nachgehen und haben zum Glück die Chance, das Beste aus dieser ganzen Situation zu machen.  

herthabsc.de: Der neue Coach nutzt die Zeit, um euch noch besser kennenzulernen. Welcher Eindruck hat sich bei dir von Bruno Labbadia verfestigt?
Stark:
Mein positiver Eindruck hat sich auf jeden Fall bestätigt. Wir haben einen Trainer, der einen klaren Plan hat und klare Vorgaben an uns stellt. Ausreichend Zeit, um alles perfekt zu implementieren, war natürlich noch nicht, aber wir kommen jeden Tag ein kleines Stück weiter und wollen am Samstag natürlich schon so viel wie möglich zeigen und vor allem unbedingt gewinnen.

herthabsc.de: Auch wenn es ein Neustart ist, gilt die Tabelle nach 25 Spieltagen - und damit ist die Gefahr von unten noch nicht ganz gebannt. Wieso bist du optimistisch, dass ihr das letzte Saisondrittel erfolgreich absolviert?

Stark: Wenn wir jetzt nicht positiv in die Schlussphase gehen, haben wir ein Problem. Natürlich benötigen wir die nötige Selbstreflexion, dürfen nicht vergessen, was in der bisherigen Saison gut und was schlecht lief. In der Phase vor der Unterbrechung haben wir zu oft zu früh zu viele Gegentore kassiert, vielleicht war das auch eine Kopfsache. Damit dürfen wir auf keinen Fall wieder anfangen und ich glaube, dass uns die Pause gut getan hat, solche Gedanken ein wenig abzulegen. Ich spüre auf jeden Fall im Training, dass jeder voll da ist und sich anbietet.

herthabsc.de: Zwei Themen sind trotz der Unterbrechung (leider) noch immer aktuell. Der bislang letzte Hertha-Sieg im Kraichgau liegt inzwischen sechseinhalb Jahre zurück (3:2 im November 2013; Anm. d. Red.). Auf dem Platz stehend hast du gegen diesen Gegner noch keinen 'Dreier' geholt.
Stark: Und was habe ich im März gesagt? Dass mich solche Statistiken eigentlich nicht interessieren, aber ich sie dann gerne ein wenig aufpolieren würde, wenn ich schon davon höre (schmunzelt). Das zählt jetzt nach wie vor! Wir fahren mit einem guten Gefühl nach Hoffenheim und wollen dort etwas mitnehmen. Ein Erfolg zum Re-Start würde uns für das Saisonende sicher Rückenwind geben.  

(fw/City-Press)

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Der Verein hat uns alle noch mal sensibilisiert, wie wichtig es ist, uns an die Vorschriften zu halten. Wie wichtig es ist, die Hygieneregeln genauestens zu beachten.
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-Niklas Stark

von Hertha BSC