Signalwirkung
Profis | 28. Mai 2020, 12:37 Uhr

Signalwirkung

Signalwirkung

Beim Remis in Leipzig bietet Hertha BSC einem Spitzenteam der Liga Paroli und lässt sich auch nach Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen.
Leipzig/Berlin - Jedes Mal, wenn Hertha BSC und RasenBallsport Leipzig in der Bundesliga bislang aufeinandergetroffen sind, wiederholten sich zwei Ereignisse: Der Hauptstadtclub kassiert mindestens zwei Gegentore. Und es gibt immer einen Sieger – in sechs von sieben Fällen sehr zum Nachteil der Blau-Weißen. Auch am Mittwochabend (27.05.20) trafen die Sachsen zwei Mal ins Schwarze, doch weil die Berliner ebenfalls zwei Tore schossen, endete im achten Anlauf erstmals ein Kräftemessen mit einem Remis; ein 2:2, das mit Führungswechseln, einem Platzverweis und einem späten Elfmeter viel zu bieten hatte und in manchen Phasen des Spiels durchaus in eine Richtung hätte kippen können. "Wir sind hier mit dem Ziel angereist, gegen einen richtig guten Gegner drei Punkte zu holen – am Ende müssen wir uns mit dem Punkt begnügen, aber ich glaube, es wäre mehr drin gewesen", bewertete Bruno Labbadia in einer ersten Reaktion das Resultat. Was sich auf Anhieb vielleicht etwas enttäuscht anhört, relativierte der Trainer schnell, schließlich gastierten die Seinen beim Tabellendritten, einem aktuellen Viertelfinalisten der UEFA Champions League. "Die Mannschaft hat ein richtig gutes Spiel abgeliefert gegen eine Top-Mannschaft, die eine Riesenqualität hat. Dieser Zähler ist mehr als verdient", lobte der 54-Jährige seine Schützlinge.

Vor der Begegnung hätten wohl viele Fans der Herthaner – gerade im Hinblick auf die vorangegangenen Duelle beider Clubs – diesen einen Zähler blind unterschrieben. Wenngleich die Freude über den couragierten Auftritt samt Punktgewinn überwiegt, sind die gemischten Gefühle des Fußballlehrers nach 94 intensiven Minuten nachvollziehbar. Schließlich führte die 'Alte Dame' zunächst und agierte nach dem Platzverweis von Marcel Halstenberg rund eine halbe Stunde mit einem Mann mehr. "Wenn man so ein Spiel abliefert, wie wir es getan haben – und dann auch noch phasenweise in Überzahl – hätten wir diese Partie vielleicht auch gewinnen können. Nichtsdestotrotz können wir mit dem Punkt zufrieden sein", fasste Maximilian Mittelstädt die blau-weiße Gefühlswelt treffend zusammen.

Führung, Rückschlag, Reaktion

Als eben jener Mittelstädt schon nach elf Minuten für den angeschlagenen Marvin Plattenhardt ins Spiel gekommen war, führten seine Farben bereits durch den Treffer von Marko Grujic, der ausgerechnet nach einer Plattenhardt-Ecke erfolgreich war (9.). Das frühe 1:0 war bereits das siebte Erfolgserlebnis nach ruhendem Ball in der Rückrunde. Doch die Hausherren schlugen ebenfalls nach Standardsituation und dem Kopfball von Lukas Klostermann (zu) früh zurück (24.). "Wir sind sehr gut in die Partie gekommen und haben das 1:0 gemacht. Es war etwas unglücklich, dass wir gleich das 1:1 kassiert haben", beschrieb Labbadia die erste Phase des Spiels, in der es den Herthanern gelang, das Offensivspiel der Nagelsmann-Elf mit viel Fleiß und resoluter Zweikampfführung zu unterbinden. Auch das Anlauf-Spiel funktionierte, gegen die bis dato beste Defensive der Liga setzten die Hauptstädter nach Ballgewinn immer wieder Nadelstiche.

Auf kurze Druckphasen der Messestädter fand die blau-weiße Defensive um die starken Dedryck Boyata und Jordan Torunarigha stets die passende Antwort. Als Geburtstagskind Matheus Cunha nach etwa einer Stunde das zweite gelbwürdige Foul von Halstenberg erzwang, schien sich das Blatt zugunsten der Berliner zu wenden. Allerdings patzte nur fünf Zeigerumdrehungen später der zuletzt so sichere Rune Jarstein, als er einen Schuss von Patrick Schick im Nachfassen ins eigene Tor bugsierte (68.). "Das war ein ekliger Aufsetzer, den Ball habe ich mir selbst reingeschlagen", sagte der Norweger, der die beiden vergangenen Partien zu Null spielte. Die Köpfe ließen seine Vorderleute trotz des Rückschlags aber nicht hängen – ein Zeichen des gestiegenen Selbstbewusstseins. "Der Platzverweis hat uns das Gefühl gegeben, dass wir wirklich gewinnen können – und dann so ein Gegentor. Aber wie wir nach dem etwas überraschenden Rückstand zurückgekommen sind, war fantastisch. Nach so einem Wirkungstreffer klappen hier manche Mannschaften zusammen“, attestierte Labbadia den Blau-Weißen eine gute Moral. Gleichzeitig nahm er seinen Schlussmann in Schutz. "Ich finde, dass er auch gegen Leipzig eine gute Partie gemacht hat. Fehler passieren nun mal, aber entscheidend ist, dass die Mannschaft für sowas geradesteht. Rune hat uns einiges gerettet, das haben wir angesprochen und das Ding ist erledigt für uns. Er ist ein Top-Torhüter."

Eine positive Wirkung für den Endspurt

In der Schlussphase war es wieder einmal Cunha, frisch gebackener Vater und Geburtstagskind, der an seinem Ehrentag an alter Wirkungsstätte den Unterschied ausmachte, indem er mit seinem Dribbling im Strafraum den Elfmeter herausholte (81.). Diesen versenkte der eingewechselte Krzysztof Piątek wie schon in Düsseldorf souverän und glich zu diesem Zeitpunkt verdient aus. "Ich bin sehr glücklich, dem Team geholfen zu haben. Für mich ist das das Wichtigste. In dem Moment habe ich mich selbstbewusst gefühlt – und habe getroffen", kommentierte der Pole sein zweites Saisontor, das die Serie von ungeschlagenen Auswärtsspielen verlängerte. Seit der Pleite in Augsburg im November 2019 sammelten die Blau-Weißen in der Fremde immer mindestens einen Punkt.

Unterm Strich bleibt nach dem 28. Spieltag also nicht nur stehen, dass Partien zwischen Hertha BSC und RasenBallsport Leipzig sehr wohl unentschieden ausgehen können. Der Hauptstadtclub bleibt zum fünften Mal in Folge ohne Niederlage und hat in den drei Spielen unter Labbadia sieben Punkte geholt. "Für uns war das super interessant, sich mit so einer Top-Mannschaft zu messen. Es war enorm wichtig, nach dem Re-Start gut reinzukommen. Wir sind sehr froh über unserer Punkteausbeute. Die war bitter notwendig", betont der Coach. Statt grundlos in Euphorie zu verfallen, richtet er den Blick aber bereits wieder auf den kommenden Samstag (30.05.20, 15:30 Uhr), wenn zum Abschluss der Englischen Woche der FC Augsburg im Olympiastadion gastiert. "Ich hoffe, dass dieses Ergebnis in Leipzig eine positive Wirkung auf die Mannschaft hat", sagt Labbadia – wohlwissend, dass weitere Punkte gegen den FCA für einen nahezu perfekten Re-Start sorgen würden.

(fw)

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Es war enorm wichtig, nach dem Re-Start gut reinzukommen. Wir sind sehr froh mit unserer Punktausbeute. Die war bitter notwendig.
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-Bruno Labbadia

von Hertha BSC