"Ich habe alles genossen!"
Profis | 23. Juni 2020, 18:19 Uhr

"Ich habe alles genossen!"

"Ich habe alles genossen!"

Per Skjelbred spricht vor seiner letzten Bundesliga-Dienstreise über seine siebenjährige Zeit in der Hauptstadt, seine Rolle in der Kabine und einen möglichen Einsatz in Gladbach.

Berlin - Am Samstagnachmittag (27.06.20, 15:30 Uhr) ist es nach 2.427 Tagen soweit: Herthas langjähriger Mittelfeldmotor Per Skjelbred wird zum letzten Mal eine blau-weiße Bundesliga-Dienstreise mit antreten. Denn nach sieben Jahren an der Spree verlässt der Blondschopf bekanntermaßen den Hauptstadtclub und kehrt zurück in seine Heimat ins norwegische Trondheim. Somit bleibt Herthas Nummer 3 am Samstag beim Saisonfinale in Mönchengladbach eine letzte Gelegenheit, um Luft in der höchsten deutschen Spielklasse zu schnuppern. Damit das trotz einer Wadenverletzung – die ihn in den vergangenen beiden Partien außer Gefecht setzte – klappt, absolvierte der 33-Jährige in den zurückliegenden Tagen ein intensives Pensum. Im Vorfeld seines eventuellen 197 Einsatzes für die 'Alte Dame' sprach Skjelbred in einer virtuellen Medienrunde am Dienstagmittag (23.06.20) über seinen Gesundheitszustand, seine Gefühlslage vor dem Abschied und die Zukunftspläne in der Heimat. herthabsc.de hat alle Aussagen des Rechtsfuß schriftlich festgehalten. 

Per Skjelbred über … 

… seine Wadenverletzung: Die Wade ist okay und der Heilungsverlauf geht gut voran, es ist viel besser geworden. Ich habe in den vergangenen Tagen alles gegeben, um in Gladbach nochmal dabei sein zu können. Ich hatte täglich zwei Behandlungen und habe trainiert. Am Dienstag habe ich auch noch einen Lauftest. Anschließend schauen wir, wie es aussieht. Ich habe aber mit Absicht nicht zu früh wieder angefangen, sondern etwas abgewartet. Denn das Ziel ist klar: Ich möchte nach Mönchengladbach mitfahren und im Optimalfall noch einige Minuten in meinem letzten Spiel für Hertha BSC zum Einsatz kommen. Das ist meine Hoffnung und mein Ziel. Nach sieben Jahren möchte ich noch ein einziges Mal mit den Jungs gemeinsam auf dem Platz stehen und hoffentlich die Partie gewinnen.

… seine Gefühlslage unmittelbar vor dem Abschied: In der gesamten Saison hatte ich eigentlich keine großen Abschiedssorgen, aber ich habe auch nicht viel daran gedacht. In den vergangenen zwei, drei Wochen hat dieses Gefühl allerdings ordentlich zu genommen. Ich bin beispielsweise einfach alleine durch die Stadt gefahren und habe noch letzte Eindrücke von Berlin gesammelt. Das ist schon komisch. Heutzutage sind sieben Jahre in einem Verein eine verdammt lange Zeit. Ich habe das sehr genossen. Meine Kinder sind hier in Berlin aufgewachsen, das hat für uns als Familie natürlich auch eine große Bedeutung. Berlin ist es etwas Besonderes für mich. In ein paar Tagen einfach 'Tschüss' sagen, fühlt sich schon seltsam an. Auf der anderen Seite freue ich mich natürlich, dorthin zurückzukehren, wo alles begonnen hat. Der Kreis schließt sich für mich.

… seine schönsten Momente in Berlin: Natürlich sind Spiele gegen Bayern München und Borussia Dortmund immer etwas Spezielles und sind hervorzuheben, aber ich mochte auch immer sehr gerne die Partien, in denen wir 90 Minuten lang gekämpft und alles reingehauen haben – egal, ob gegen Freiburg oder in Düsseldorf, wo wir beispielsweise in der Rückrunde nach einem 0:3-Rückstand noch ein 3:3 geholt haben. Das sind Momente, warum ich den Fußball liebe. Alles ist möglich und es müssen nicht immer die großen Vereine sein. Ich habe mit Hertha BSC sehr viele tolle Momente erlebt. 

… seine abschließende Saison beim Hauptstadtclub: Vor Saisonbeginn habe ich gespürt, dass das meine letzte Spielzeit sein wird. Da habe ich mir gesagt: Genieße jeden Tag, genieße jedes Training und jeden Moment mit den Jungs. Ich habe diese Saison einfach alles genossen. Klar, war es eine turbulente und schwierige Phase. Dieses Jahr habe ich gefühlt alles erlebt, was man im Fußball erleben kann: Von der Bank aufs Feld, wieder zurück auf die Bank, mehrere Trainerwechsel und in der Tabelle ging es hoch und runter. Ich habe viel gelernt und nehme alles Erlebte für meine weitere Zukunft mit. Aber das Wichtigste ist: Ich habe alles genossen. 

… über seine Rolle in der Kabine: Niemand kann mich in der Kabine ersetzen (lacht). Es gibt schon sehr viele gute Jungs in unserem Verein. Das ist doch immer so: Wenn einer geht, muss der Nächste einen Schritt vorwärts machen und versuchen, die Rolle neu auszufüllen. Das wird kein Problem sein. Ich werde aber auch zurückkommen und es kontrollieren, wie es in der Kabine läuft. Wenn es nicht gut läuft, muss ich mit Michael Preetz über eine Leihe nach Weihnachten sprechen – damit ich die Truppe im sozialen Bereich wieder in die richtige Spur bringen kann (lacht). Sportlich kriegen die das auch ohne mich hin (grinst)

… eine mögliche nachzuholende Abschiedsfeier mit den Fans: Zurzeit ist es für uns alle in leeren Stadien ohne Zuschauer ganz, ganz komisch. Gerade im Fußball sind Fans und Emotionen ein wichtiger Faktor. Ich hoffe, dass ich zurückkomme und mich von den Fans und der Mannschaft richtig verabschieden kann – wenn es die Vorgaben und Regeln in der Zukunft irgendwann zulassen.  

… die Zukunftschancen der 'Alten Dame': Ich merke schon, dass die Jungs gemeinsam mit dem neuen Trainerteam alles investieren. Bruno Labbadia hat einen klaren Plan, wie er Fußball spielen möchte. Die Mannschaft ist auf dem richtigen Weg und ich bin gespannt, was in der Zukunft alles so möglich ist. Die Rahmenbedingungen in Berlin sind der Wahnsinn. Das sieht sehr gut aus für die kommenden Jahre.  

… das Leben in Norwegen: Für mich ist es endlich das Gefühl, nach Hause zu kommen. Ich habe sehr aktive Kinder: Sie spielen Fußball und Handball und turnen. Da möchte ich sie unterstützen und viel für sie da sein. Darüber hinaus möchte ich in meinem Heimatverein die Jugendabteilung unterstützen. Da ist der Tag schon ziemlich voll: Erst selbst trainieren und anschließend dann meine Kinder trainieren. Darüber hinaus habe ich auch eine Ehefrau, die die vergangenen neun Jahre alles für mich getan hat. Da muss ich natürlich jetzt auch eine größere Rolle spielen, damit sie auch mehr Zeit für sich hat. 

… die Planungen für die kommenden Wochen: Wenn ich nach Norwegen komme, muss ich erstmal zehn Tage lang in Quarantäne. Das ist für mich wie mein Urlaub, denn danach geht es direkt los für mich. In Norwegen spielen sie jetzt fast ausschließlich nur noch Englische Wochen. Die Saison soll bis Weihnachten beendet werden. Nebenbei gibt es dann noch den Pokalwettbewerb und eventuell auch noch die UEFA Europa League. Das werden dann ganz schön viele Spiele für uns. Leider ist Rosenborg Trondheim mit einem Unentschieden und einer Niederlage nicht gut in die Saison gestartet. Die warten schon auf mich. Aber erstmal freue ich mich auf die zehn Tage mit meiner Familie.  

… seine langfristige berufliche Zukunft: Im Anschluss an meine aktive Laufbahn habe ich einen Anschlussvertrag bei Rosenborg als Akademie-Leiter. Es war immer mein Wunsch, dass ich dem Fußball treu bleibe und meine Erfahrungen an die Kinder und Jugendlichen weitergebe. In Trondheim bestehen dazu die besten Möglichkeiten, da der RBK der größte Fußballverein in Norwegen ist. Ich hoffe, ich kann dem norwegischen Fußball mit meiner Erfahrung weiterhelfen. Darüber hinaus lebt auch noch mein Traum vom Feuerwehrmann. Es gibt da zwar bestimmte Altersgrenzen und Fitnessvorgaben, aber der Traum ist immer noch präsent. Vielleicht kann ich am Wochenende zur Feuerwehr und unter der Woche in der Akademie arbeiten (lacht)

(sj/City-Press)

von Hertha BSC