
"Ich hatte meine beste Zeit in Berlin!"
"Ich hatte meine beste Zeit in Berlin!"

Berlin - Am 31. Januar 2018 kehrte Sebastian Langkamp Hertha BSC nach insgesamt 121 Pflichtspielen in viereinhalb Jahren den Rücken. Der zuverlässige Abwehrspieler, der innerhalb der Mannschaft stets ein beliebter Wortführer war und sich den Respekt der Fanszene wegen seines unermüdlichen Einsatzes verdient hatte, schloss sich Werder Bremen an. Seit dem Wechsel des 32-Jährigen sind inzwischen 30 Monate vergangen, nach der geglückten Relegation lief der Kontrakt des Innenverteidigers bei den Norddeutschen aus. Seitdem ist der ehemalige Junioren-Nationalspieler, der auch ein Karriereende nicht ausschließen möchte, auf Vereinssuche. Der Kontakt nach Berlin und den Herthanern ist indes nie abgerissen – und damit eine besondere Konstellation ermöglicht. Seit rund einer Woche trainiert Langkamp mit der blau-weißen U23, um sich "fit zu halten bzw. fit zu machen", aber auch, "um die Freude am Fußball wiederzufinden, denn ehrlicherweise war das vergangene Jahr sportlich und durch Verletzungen nicht so spaßig." Im Interview mit herthabsc.de spricht der Rechtsfuß gewohnt humorvoll über seine sportlichen und beruflichen Gedankenspiele, die besondere Beziehung zu Berlin und natürlich den Bundesliga-Auftakt zwischen seinen beiden Ex-Clubs am Samstag (19.09.20, 15:30 Uhr).
herthabsc.de: Basti, schön, dich zu sehen! Ein bekanntes Gesicht auf dem Olympiagelände. Was führt dich nach Berlin?
Langkamp: Ich habe bei Hertha in der U23 die Möglichkeit bekommen, wieder ein bisschen ins Teamtraining hinein zu schnuppern. Durch Corona hat sich nicht nur in der freien Marktwirtschaft, sondern auch im Fußball und insbesondere auf dem Transfermarkt viel verändert. Es verzögert sich alles ein bisschen und nach fast neun Wochen ohne Mannschaftstraining war es wirklich mal wieder Zeit, an die Murmel zu treten, wenngleich ich von meiner überragenden Technik sicher nichts verloren habe (lacht).
herthabsc.de: Im Januar 2018 hast du den Hauptstadtclub verlassen und dich Werder Bremen angeschlossen. Zweieinhalb Jahre später scheint die Verbindung zu den Blau-Weißen immer noch eng zu sein. Wie kam es zu der Vereinbarung, dich in der Regionalliga-Elf fit zu halten?
Langkamp: Das stimmt, der Kontakt ist nie abgerissen. Ich habe nach wie vor einen guten Draht zu Paul Keuter, wir telefonieren recht häufig. Mit ihm habe ich auch über die Idee gesprochen, mich fit zu halten bzw. fit zu machen. Paul hat dann mit 'Zecke' (U23-Coach Andreas Neuendorf; Anm. d. Red.), Michael Preetz und Bruno Labbadia alles geklärt. Das war total unkompliziert, nach zwei Coronatests war der Weg geebnet. Ich bin sehr dankbar, dass es geklappt hat.
herthabsc.de: Wenn es einer nach seiner Zeit in der Hauptstadt beurteilen kann, dann du: Was hat sich in den vergangenen Jahren bei Hertha BSC verändert?
Langkamp: Infrastrukturell hat sich eigentlich alles um 180 Grad gedreht - angefangen mit den neuen Kabinentrakten für die Profis und Junioren, das Therapiezentrum HerthaMED oder auch der neuen Geschäftsstelle. Zu meinen Anfangszeiten sah es hier noch ganz anders aus. Jetzt hat der Verein die Grundvoraussetzungen geschaffen, die sich auf Jahre rentieren werden. Dafür sind noch einige vertraute Gesichter aus meiner Zeit da. Meine erste Bezugsperson war hier Physiotherapeut Michael Becker, der damals mehr mit mir zu tun hatte als meine Frau (grinst). Die Freude war groß, als wir uns gesehen haben. Aber auch Physio Frederick Syna oder die Zeugwarte, Benjamin Weber aus dem Nachwuchs... Pál Dárdai habe ich auch schon gesehen. Du bist ja auch noch so ein Gesicht, das ist nicht unser erstes Interview (lacht).
herthabsc.de: Zum Sportlichen: Wie hast du die ersten Trainingstage überstanden? Schließlich ist 'Zeckes' Mannschaft schon im Pflichtspielbetrieb.
Langkamp: Ich bin jetzt seit knapp einer Woche dabei und merke meine Gelenke und meine Muskeln (schmunzelt). Da die U23 am Wochenende spielfrei hatte, waren die Einheiten sehr intensiv. Geplant ist, dass ich diese Woche noch mit dabei bin, was danach kommt, werden wir sehen. Ich nutze die Zeit auch, um die Freude am Fußball wiederzufinden, denn ehrlicherweise war das vergangene Jahr sportlich und durch Verletzungen nicht so spaßig. Dann schaue ich, was sich ergibt und wie es sich bis Ende September entwickelt.
herthabsc.de: Dein Vertrag in Bremen ist nach der Relegation im Sommer ausgelaufen. Welche Erwartungen und Vorstellung verknüpfst du mit einem möglichen neuen Engagement?
Langkamp: Um ehrlich zu sein, ist nicht auszuschließen, dass ich vielleicht gar nicht weiterspiele. Die Möglichkeit, einen neuen Vertrag zu unterschreiben, war schon da, aber ich gehöre mit bald 33 Jahren nicht mehr zu den Jüngsten. Die Entscheidung treffe ich auch nicht alleine, meine Frau und ich erwarten Nachwuchs, deshalb muss alles hundertprozentig stimmen. Corona erleichtert die Situation natürlich nicht. Es gibt Angebote aus dem Ausland, die ich so wahrscheinlich vor einem Jahr angenommen hätte, weil ich schon immer Bock aufs Ausland hatte. Durch die Pandemie und die bevorstehende Geburt ist das aber nicht mehr so leicht realisierbar. Was der neue Verein haben muss? Ich bräuchte ein gutes Gefühl, mein Herz müsste mitspielen. Ich habe schon nochmal Bock, irgendwo zu kicken und bin offen für Angebote!
Gesagt...
[>]Ich hatte persönlich und sportlich meine beste Zeit in Berlin, da muss ich nicht groß drumherum reden. Viereinhalb Jahre haben Spuren hinterlassen.[<]

herthabsc.de: Im Fall der Fälle eines Karriereendes: Welche beruflichen Perspektiven hast du im Hinterkopf?
Langkamp: Ich könnte mir dann schon vorstellen, im Fußball zu bleiben, aber eher in einer Funktion als externer Dienstleister. Ein paar Ideen habe ich im Kopf, etwas Innovatives, das einen Mehrwert für den Fußball schaffen könnte. Aber ich habe in den Vorjahren auch parallel schon über den Sport hinaus etwas gemacht. Mit meinem Bruder habe ich eine Firma für Ferienhausvermietungen aufgebaut, zusätzlich mit drei anderen Investoren ein Startup gegründet, in dem es um Fußballdaten für Fans und Hobby-Nationaltrainer geht (schmunzelt). Nach einem möglichen Karriereende wird es für mich wichtig sein, Einblicke in viele verschiedene Berufssparten zu gewinnen und möglichst viel auszuprobieren. Den einen Weg habe ich noch nicht gefunden, deswegen ist Berlin auch immer wieder eine Anlaufstelle, weil es hier so viele Möglichkeiten gibt. Vielleicht tauche ich auch weiter in die Startup-Szene ein, wir werden sehen.
herthabsc.de: Zum Bundesliga-Auftakt treffen deine beiden Ex-Vereine aufeinander, wenn die 'Alte Dame' am nächsten Samstag (19.09.20, 15:30 Uhr) bei Werder Bremen antritt. Mit welchen Gefühlen verfolgt du die Partie?
Langkamp: Das Spiel ist ein Muss, aber es werden zwei Herzen in meiner Brust schlagen. Ich hatte persönlich und sportlich meine beste Zeit in Berlin, da muss ich nicht groß drumherum reden. Viereinhalb Jahre haben Spuren hinterlassen, obwohl Bremen auch prägend und es besonders war, mit den Fans im Rücken in diesem Stadion zu spielen. Falls du jetzt auf das Ergebnis hinauswillst, dann...
herthabsc.de: … ist die letzte Frage gestrichen.
Langkamp: Da hätte ich auch nicht mitgemacht (lacht). Ein schönes Unentschieden ist doch ein guter Auftakt, oder? Hauptsache das Spiel wird interessant. Unabhängig davon ist Hertha BSC für die Zukunft gut aufgestellt. Der Verein wird in den nächsten Jahren mit seiner Struktur und den Voraussetzungen eine gute Rolle spielen können. Die Frage ist, wie lange es dauert, bis die Mannschaft ein neues Gesicht und eine neue Identität findet. Das ist ein Prozess, in dem es wichtig ist, Schlüsselspieler zu halten und Geduld zu haben. Ich habe das Gefühl, dass Bruno Labbadia auf einem gutem Weg ist. Er hat bewiesen, dass er seinen Mannschaften eine Spielidee und eine Philosophie verpassen kann. Die Mannschaft muss schlussendlich für einen bestimmten Fußball stehen. Ich rechne mit Hertha!
herthabsc.de: Dann schieben wir eine andere Frage hinterher, du hast es so gewollt. Was können die U23-Spieler von Sebastian Langkamp lernen?
Langkamp: (lacht) Athletisch oder beim Thema Spritzigkeit vermutlich nicht so viel. Nach wie vor bin ich grandios im Kreisspiel mit zwei Kontakten, das hat bei Hertha schon immer gut geklappt (grinst). Ansonsten habe ich über 14 Jahre als Profi hinter mir, das eine oder andere gibt es sicher schon, was sie sich abschauen können, aber das sollen sie für sich entscheiden.
(fw/City-Press, Imago/Nordphoto)