Profis | 23. September 2020, 16:34 Uhr

"Das ist das Leben eines Torwarts"

"Das ist das Leben eines Torwarts"

Alexander Schwolow spricht im Interview über seine ersten Pflichtspiele als Herthaner, das Miteinander der Torhüter und die reizvolle Begegnung mit Eintracht Frankfurt am Freitag (25.09.20, 20:30 Uhr).

Berlin - Wer einen weiteren Beleg dafür benötigt, wie schnell es im Fußball und all seinen Facetten gehen kann, der muss nur einen Blick auf die vergangenen Wochen von Alexander Schwolow werfen. Nach seinem Wechsel zu Hertha BSC setzte sich der Ex-Freiburger im Konkurrenzkampf durch und startete als neue Nummer 1 im Tor des Hauptstadtclubs in die Saison. Groß war die Vorfreude auf das Pflichtspieldebüt im DFB-Pokal, größer die Enttäuschung nach dem bitteren Aus mit fünf Gegentoren bei der Eintracht aus Braunschweig. Gar als "Albtraum" bezeichnete der 28-Jährige seinen ersten Einsatz für die 'Alte Dame'. Am vergangenen Samstag (19.09.20) beim Bundesliga-Auftakt in Bremen zeigten der Schlussmann und seine Kollegen beim 4:1 (2:0) an der Weser ein anderes Gesicht. Auch wenn Torhüter immer gerne zu Null spielen wollen, war Schwolow der sichere Rückhalt, der zur Stelle war, wenn sein Team ihn brauchte. "Keine Frage, als Torwart möchte ich immer zu Null spielen, aber ich ärgere mich jetzt nicht stark über das Gegentor. Am Ende haben wir gewonnen, deshalb war es zu verschmerzen", so der Keeper. Über die beiden Premieren-Spiele, das Torwarttraining mit Zsolt Petry und das bevorstehende Heimspiel am Freitag (25.09.20, 20:30 Uhr) gegen Eintracht Frankfurt hat der ehemalige U-Nationalspieler mit herthabsc.de gesprochen.

herthabsc.de: Schwolli, zunächst gratulieren wir dir noch zur Ernennung als Nummer 1, das soll an dieser Stelle nicht untergehen. Wie groß war die Freude über die Entscheidung von Coach Bruno Labbadia? 

Schwolow: Danke, ich habe mich natürlich sehr gefreut. Es war mein Ziel - und das habe ich erreicht. Der Trainer hat einen Tag vor dem Spiel in Braunschweig mit uns gesprochen. Sein Vertrauen möchte ich ihm mit Leistung zurückzahlen.

herthabsc.de: Der Coach sprach stets von einem Dreikampf und einem förderlichen Konkurrenzkampf zwischen dir, Rune Jarstein und Nils Körber. Welchen Eindruck hast du von deinen Kollegen?
Schwolow: Rune und Nils sind super Jungs, es macht jeden Tag Spaß, mit ihnen zu trainieren. Natürlich ist ein gesunder Konkurrenzkampf da, aber der ist konstruktiv und pusht. Ich weiß, dass ich mich nie ausruhen darf und immer alles geben muss. Am Ende kann eben nur einer spielen, das ist das Leben eines Torwarts. Als Feldspieler gibt es vielleicht mehr Positionen, das ist bei uns leider anders (schmunzelt). Ich kenne das Gefühl aus Freiburg, beim SC war ich zu Beginn meiner Karriere auch auf der Bank. Jeder Sportler ist da enttäuscht, aber dennoch ist es wichtig, sich immer für den mannschaftlichen Erfolg einzubringen und da zu sein, wenn man gebraucht wird. So schwierig das manchmal ist, die persönlichen Egos müssen hintenanstehen.  

herthabsc.de: Zsolt Petry genießt in der Szene einen ausgezeichneten Ruf und ist dafür bekannt, das Spiel seiner Schützlinge weiterzuentwickeln. Nach wenigen gemeinsamen Wochen: Wie gefällt dir eure gemeinsame Zusammenarbeit
Schwolow: Jeder Torwarttrainer hat seinen eigenen Stil, deswegen sind die Übungen von Zsolt schon anders im Vergleich zu denen in Freiburg. Aber mir macht es unheimlich viel Spaß! Was ich bei Zsolt so schätze: Er ist immer offen im Austausch. Ich weiß ganz genau, dass ich ihm beispielsweise sagen könnte, wenn mich etwas in der täglichen Arbeit stören würde. Wir würden eine Lösung finden. Er ist niemand, der seinen Stiefel einfach ohne Rücksicht auf Verluste durchzieht. Mit seiner großen Erfahrung hat er einfach das Gefühl dafür, was wir Torhüter in bestimmten Situationen brauchen. Durch seine eigene Karriere weiß er, wie wir uns fühlen und hilft uns mit seinem Fingerspitzengefühl ungemein.

herthabsc.de: Du hast dich bei deiner Vorstellung in Berlin als kommunikativen und mitspielenden Torwart charakterisiert, der mit dem Ball am Fuß Ruhe ausstrahlen möchte. Deine ganz genauen Zielsetzungen wolltest du uns damals nicht verraten. Möchtest du uns denn sagen, in welchen Bereichen du dich gerne verbessern würdest?
Schwolow: Meine persönlichen Ziele behalte ich nach wie vor lieber für mich (grinst). Ich würde mich schon als kompletten Torwart bezeichnen, der aber überall noch Potenzial hat, sich zu verbessern. Ich glaube ganz fest daran, dass ich mich noch weiterentwickeln kann. Es wäre aber auch traurig, wenn ich mit 28 Jahren mein Niveau nur noch halten wollen würde (lacht). Ich versuche jeden Tag, mich ein Stück zu verbessern. 

herthabsc.de: Kommen wir auf die sportliche Situation. Auf die "Katastrophe" von Braunschweig folgte in Bremen die passende Reaktion inklusive der einen oder anderen guten Parade. Wie erleichtert warst du nach der Partie?
Schwolow: Nach dem enttäuschenden Ergebnis im Pokal tat dieser Sieg natürlich umso mehr gut. Wir haben als Mannschaft eine starke Leistung gezeigt. Ich bin der Meinung, dass wir das Spiel die meiste Zeit kontrolliert haben und es am Ende auch ein souveräner Erfolg war. Für mich persönlich war es schön, den Jungs in manchen Situationen geholfen zu haben. 

herthabsc.de: Kein Frust wegen des Gegentreffers? 

Schwolow: Keine Frage, als Torwart möchte ich immer zu Null spielen, aber ich ärgere mich jetzt nicht stark über das Gegentor. Am Ende haben wir gewonnen, deshalb war es zu verschmerzen. Aber ich analysiere mein Spiel immer und schaue, ob ich in den Situationen besser hätte coachen oder stehen können. Nach dem Braunschweig-Spiel lag ich aber abends im Bett, mir sind die Szenen nochmal durch den Kopf gegangen. Ich habe mich gefragt, wie dumm wir waren, dieses Spiel so aus der Hand zu geben. Aber am Ende müssen wir einen Strich drunter machen und daraus lernen, um es beim nächsten Mal besser zu machen. 

herthabsc.de: Am Freitag (25.09.20, 20:30 Uhr) folgt das erste Heimspiel. Immerhin 5.000 Personen dürfen gegen Eintracht Frankfurt im Olympiastadion dabei sein. Dein Heimdebüt mit der Fahne auf der Brust hättest du dir sicher anders ausgemalt…

Schwolow: Ich freue mich extrem auf das Heimspiel. Auf dem Weg zum Training fahre ich immer auf die Olympischen Ringe zu. Flutlichtspiel am Freitagabend - und dazu auch wieder Fans im Stadion. Das ist ein schönes Gefühl! Es ist erst einmal toll, dass wir wieder vor einem Publikum spielen können. Bei den aktuellen Entwicklungen rund um Corona ist es richtig, dass die Politik immer abwägt, was in dieser Hinsicht möglich ist. Für uns Fußballer verändert sich etwas, wenn Fans dabei sind. Wir spüren wieder einen Heimvorteil und es ist cool, wenn von den Rängen wieder etwas Unterstützung kommt. Das fühlt sich ein bisschen mehr nach Fußball an. Aber klar ist: Die Gesundheit ist das Wichtigste, da muss sich auch der Fußball hintenanstellen und mit aller Vorsicht und mit allem Verständnis reagieren.

Gesagt...

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Berlin ist der Hammer! Auch nach so kurzer Zeit schätze ich das Leben hier sehr. Fußläufig ist alles in der Nähe, was man braucht. Restaurants und Cafés sowie viele schöne Ecken.
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-Alexander Schwolow

herthabsc.de: Geboren bist du in Wiesbaden, in der hessischen Landeshauptstadt hast du auch im Jugendbereich gespielt. Hat die Begegnung gegen die 'Adlerträger' einen besonderen Reiz für dich?
Schwolow: Ich bin zwar in Hessen geboren, aber eigentlich haben wir 500 Meter entfernt von der hessischen Grenze in Rheinland-Pfalz gelebt. Trotzdem reicht dort der hessische Dialekt noch rein (schmunzelt). Natürlich gibt es in der Region viele Eintracht-Fans, durch meine Vergangenheit bei Wehen Wiesbaden waren die Duelle gegen Frankfurt immer das Highlight der Saison. Davon bin ich immer noch ein bisschen geprägt. In der Jugend hatten wir eine lange Serie ohne Niederlage, in Erinnerung habe ich aber ganz besonders das zurückliegende Spiel mit Freiburg - ein 3:3. So ein Spiel habe ich in meinem Leben noch nie erlebt. Gefühlt kam alle zwei Minuten ein Ball aufs Tor. Das war die wildeste Partie, die ich je erlebt habe. Aber ich hoffe und gehe davon aus, dass wir am Freitag eine stabilere Leistung zeigen. 

herthabsc.de: Gestatte uns am Ende eine persönliche Frage: Hast du dich in deiner neuen Heimat trotz der vielen Termine schon ein wenig eingelebt? Im Oktober 2020 erwarten deine Freundin und du das erste Mal Nachwuchs. 
Schwolow: Berlin ist der Hammer! Auch nach so kurzer Zeit schätze ich das Leben hier sehr. Fußläufig ist alles in der Nähe, was man braucht. Restaurants und Cafés sowie viele schöne Ecken. Mir gefällt es sehr gut hier. In der Wohnung sind wir seit knapp drei Wochen, noch ist nicht alles perfekt, aber wir können uns schon wohlfühlen. Unser erstes Kind kommt Anfang Oktober auf die Welt, ganz eventuell könnte das München-Spiel kompliziert werden, aber das wäre schon ein krasser Zufall (schmunzelt). Aber wenn das Kind kommen will, dann kommt es.

(fw/City-Press)

Gesagt...

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-Alexander Schwolow

von Hertha BSC