
Das Momentum nicht genutzt
Das Momentum nicht genutzt

Die erste knappe Stunde des Spiels ist eigentlich schnell erzählt. Die Bayern hatten vor leeren Rängen zwar mehr Spielanteile, aber die Herthaner zeigten genau die Tugenden, die eine Gastmannschaft an der Isar zeigen muss. Bissig in den Zweikämpfen, dazu kompakt und clever verschiebend. Im Rückwärtsgang stoppten die Hauptstädter so viele Angriffsbemühungen des Triple-Siegers. "Taktisch haben wir sehr, sehr gut gespielt. Wir haben wenige Torchancen zugelassen, insgesamt hat die Mannschaft vieles richtig gemacht", urteilte Labbadia, dessen Elf auch in der Offensive immer wieder Akzente setzte. Jhon Córdoba entnervte seine Gegenspieler nicht nur in den Duellen, sondern netzte auch zur vermeintlichen Führung ein - allerdings aus Abseitsposition (15.). Aus diesem Grund zählte auch das 1:0 der Bayern durch Thomas Müller nicht (36.). Die Gastgeber konnten sich jedoch auf Robert Lewandowski verlassen, der mit einem Doppelschlag vor und nach der Pause (40., 51.) eigentlich für klare Verhältnisse sorgte. Eigentlich! Denn die Berliner steckten nicht auf, symbolisch der Anschlusstreffer von Córdoba, der einen Freistoß von Matheus Cunha mit aller Wucht vorbei an Manuel Neuer in die Maschen wuchtete (59.). "Jhon hat eine gute Einstellung, was er in diesem Spiel gemacht hat, war stark. Er hatte die körperliche Präsenz, hat die Bälle gut festgemacht. Wie er sich durchgesetzt hat, hat uns sehr geholfen", lobte der Fußballlehrer seine Nummer 15, dem er "sogar noch Luft nach oben" attestierte.
Herthaner zeigen Moral und schlagen zurück
Das 1:2 weckte die Hoffnung der Herthaner und setzte zusätzlich Energie frei. "Ich hatte immer das Gefühl, dass wir rankommen können", sagte Labbadia. Angetrieben vom präsenten Cunha, der Ball um Ball forderte, suchten die Spreeathener ihre Chance - und nutzen eine, die erst gar nicht wie eine aussah. Herthas Nummer 10 ließ gleich mehrere Gegenspieler stehen, spielte Doppelpass mit dem eingewechselten Krzysztof Piątek und schob das runde Leder überlegt ins Tor (71.) - sein zweites Saisontor und der Ausgleich nach 0:2! "Wir sind gegen das beste Team, gegen die besten Einzelspieler nach Rückstand zurückgekommen, weil wir einen guten Spirit auf dem Platz hatten und viele positive Dinge gezeigt haben", schilderte Kapitän Dedryck Boyata seine Eindrücke.
Der sechste Punktgewinn aus den vergangenen acht Duellen wirkte plötzlich wieder ganz nah und war der Auftakt in eine Schlussphase, in der es wohl keinen Fan im Stadion auf den Sitzen gehalten hätte. Angestachelte Bayern bissen sich immer wieder die Zähne an der Defensive des Hauptstadtclubs aus oder scheiterten an dem glänzend aufgelegten Alexander Schwolow. Als fünf Zeigerumdrehungen vor dem Ende der regulären Spielzeit Lewandowski den BSC-Schlussmann jedoch zum dritten Mal überwand, schien die Niederlage in der bayrischen Landeshauptstadt besiegelt. Diese verrückte Partie hatte allerdings noch eine weitere Wendung parat: Nur Sekunden nach seiner Einwechslung glich Jessic Ngankam mit seinem ersten Bundesliga-Tor erneut aus (88.)!
Das Spiel hätte in diesem Moment in jede Richtung kippen können, am Ende entschied allerdings die Abgebrühtheit und Qualität des Meisters die Partie. Lewandowski zwang Maximilian Mittelstädt, der das 3:3 kurz zuvor noch aufgelegt hatte, zu einem Foul im Strafraum. Elfmeter, Tor und Abpfiff nach 94 Minuten. Nach dem Gefühl der Enttäuschung folgte Labbadias Zusammenfassung. "Eine vielversprechende Niederlage gibt es nicht. Mir reicht es nicht, ein gutes Spiel gegen die Bayern gemacht zu haben. Wir hatten das Momentum, aber haben durch kleine individuelle Fehler, die die Bayern ausgenutzt haben, verloren", sagte der Fußballlehrer und erhielt Zustimmung seiner Schützlinge. "Wir hatten einen guten Matchplan, aber schlussendlich haben wir vier Gegentore kassiert – zu viele, um etwas aus München mitzunehmen", übte Boyata Selbstkritik. Treffend fasste es auch Schwolow zusammen: "Ich bin noch etwas fassungslos, dass wir diese Partie doch noch aus der Hand gegeben haben. Wir kamen zwei, eigentlich sogar drei Mal überragend zurück und haben es dann kurz vor Schluss in der Szene vor dem Elfmeter leider insgesamt nicht gut gemacht. Dennoch muss ich der Mannschaft für diese Partie ein Riesenkompliment machen, wir haben uns nie aufgegeben, eine Top-Leistung gezeigt und riesige Moral bewiesen."
Gesagt...
[>]Eine vielversprechende Niederlage gibt es nicht. Mir reicht es nicht, ein gutes Spiel gegen die Bayern gemacht zu haben. Wir hatten das Momentum.[<]
(fw/City-Press)