Ein Schmuckstück in der Premierenausgabe
Fans | 15. November 2020, 17:44 Uhr

Ein Schmuckstück in der Premierenausgabe

Ein Schmuckstück in der Premierenausgabe

Sören Kablitz-Kühn kann einen ganz besonderen Artikel der Blau-Weißen als sein Eigentum nennen. Der 40-Jährige besitzt die erste Ausgabe der Club-Nachrichten nach dem 2. Weltkrieg aus dem Jahre 1949.

Berlin - Die moderne Technologie hat sich in der Welt des Fußballs längst etabliert und ist kaum mehr wegzudenken. Sei es durch die Übertragung der Partien auf Streaming-Plattformen, dem Videobeweis oder auch die Torlinientechnik - alles Möglichkeiten der Digitalisierung in den vergangenen Jahren. Daher ist es umso erstaunlicher, wovon die Club-Nachrichten bereits Mitte des 20. Jahrhunderts berichteten. "Wir befinden uns in einer schnelllebigen und schnell vergessenen Zeit", liest Sören Kablitz-Kühn im Gespräch mit herthabsc.de begeistert aus der ersten Ausgabe vor und fügt an: "Meine absolute Lieblingsstelle, weil das lässt sich Eins zu Eins auf die heutige Zeit übertragen und das haben die vor über 70 Jahren schon geschrieben" - in Zeiten der Schreibmaschine und als es weder Kassettenrecorder noch das Internet gab. Das Jahr 1949, in dem die Club-Nachrichten der Blau-Weißen erstmals wieder nach Kriegsende und unter dem ursprünglichen Vereinsnamen erschienen, ist ein ganz besonderes in der Historie der 'Alten Dame', ohne das Hertha BSC in der heutigen Form nicht existieren würde.

Rettung durch den "Hertha-Geist"

Nach der Gründung im Jahr 1892, die den Hauptstadtclub zum ältesten Verein aller aktuellen Bundesligisten macht, lösten die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 nahezu jeden deutschen Verein auf. Auch der Elf von der Spree widerfuhr dieses Schicksal. Die Club-Nachrichten berichteten in der Ausgabe vier Jahre später darüber. Fredy Stahr, Teil der Meistermannschaft von 1930 und 1931, schrieb von einem Fußballplatz, der in dieser Zeit ein "Asyl für jeden" war. Weiter dokumentiert der spätere 'Sonderbeauftragte des Traditionswesens': "Jeder Einfluss wurde uns entzogen und Mitgliedern, die unser Eigentum schützen wollten, wurde mit Verhaftung gedroht." Die Situation war alles andere als einfach, schließlich waren die 400 Mitglieder zu dieser Zeit "in alle Winde verstreut." Der Ur-Herthaner spricht von dem "Hertha-Geist", der die Fußballspieler schlussendlich wieder zusammenbrachte, die zunächst unter der Bezeichnung SG Gesundbrunnen aufliefen und den Club damit am Leben hielten. Die Rückkehr zum Namen 'Hertha BSC.' erfolgte 1949 im Rahmen einer Mitgliederversammlung, als sich die Regularien entsprechend veränderten. Eingefleischten Herthanerinnen und Herthanern fällt dabei sofort ins Auge, dass sich hinter der Vereinsbezeichnung noch ein Punkt befand. Eine Besonderheit, die auch dem 40-Jährigen nicht entgangen ist: "Es wäre interessant herauszufinden, bis wann dieser Punkt dahinterstand." Das Jahr 1949 war die zweite Geburtsstunde der 'Alten Dame', ohne die nach Meinung des Familienvaters "ein unfassbarer Teil von Berlin fehlen würde, auch wenn es dann möglicherweise einen anderen großen Verein aus der Hauptstadt gegeben hätte."

Ein echter Herthaner mit einer Sammelleidenschaft

Der gebürtige Berliner weiß, wovon er spricht, schließlich ist Kablitz-Kühn mit den blau-weißen Farben groß geworden. Der damals 6-Jährige besuchte erstmals 1986 das Olympiastadion mit seinem Vater, 1992 folgte die erste Dauerkarte. Der Hauptstädter begleitet seinen Lieblingsverein auch regelmäßig zu Auswärtsspielen, wie in der UEFA Champions League-Saison 1999/00 zur Partie beim FC Chelsea. Die Erfahrung an der Stamford Bridge zählt zu seinen bisherigen Highlights im Fandasein der Blau-Weißen, zu denen auch das sehenswerte Freistoßtor von Ronny gegen den 1. FC Union oder die Pokalsaison der Zweitvertretung von Hertha BSC 1992/93 gehört. Gemeinsam mit seinem Vater begleitete der Spreeathener hautnah den kompletten Weg der 'Bubis' von der 1. Runde gegen Heidelberg bis zum Finale gegen Bayer 04 Leverkusen - eben ein Herthaner durch und durch!

Gesagt...

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Es ist faszinierend, was damals die Sorgen und Nöte der Leute waren. Ich finde das erdet einen unglaublich und verdeutlicht, in welchem Luxus wir leben.
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-Sören Kablitz-Kühn

Daher musste der Fan auch nicht zweimal überlegen, als sich die Möglichkeit für das Schmuckstück bot. Die Ausgabe befand sich jahrzehntelang im Besitz eines Altspielers und wurde ihm zum Verkauf angeboten. "Hefte sind eigentlich nicht mein Gebiet, ich sammle eher Trikots und Bücher, aber das war so besonders, dass ich gesagt habe, das muss ich haben", verrät der Anhänger der 'Alten Dame', der hinzufügt: "Bei mir ist es in guten Händen aufgehoben. Es befindet sich in meinem blau-weißen Sammelsurium." Durch das Werk erfuhr der Familienvater nochmal einiges über die Geschichte seines Herzensvereins, nimmt aber auch etwas für sein privates Leben mit: "Es ist faszinierend, was damals die Sorgen und Nöte der Leute waren. Ich finde das erdet einen immer so unglaublich und verdeutlicht, in welchem Luxus wir mittlerweile leben." Ein Blick in den Textabschnitt über die Jugend der Hauptstädter unterstreicht diesen geschilderten Eindruck. "Sportmaterial war nicht vorhanden, es gab noch nicht mal einen Ball. Aber von irgendwo wurde er beschafft; gespielt wurde mit der Sorge, ob er hält", gewinnt der Leser in der Ausgabe einen Einblick in das damalige Leben eines 'Bubis', die zu den 600 Mitgliedern von Hertha BSC zählten.

71 Jahre später hat der Hauptstadtclub mehr als das Sechzigfache an Mitgliedern, Schreibmaschinen sind längst Geschichte und aus einem Club, der einst gerade noch so elf Spieler zusammenkratzen konnte, entwickelte sich eine feste Größe in der Bundesliga sowie der mitgliederstärkste Verein Berlins. Für Kablitz-Kühn sind die Club-Nachrichten ein "besonderes Sammlerstück", die Informationen seines Herzensvereins konsumiert der 40-Jährige aber hauptsächlich digital. "Die Neuigkeiten über Hertha BSC beschaffe ich mir mittlerweile fast ausschließlich über das Internet, egal ob auf Social Media, über die Homepage oder in der App", gibt der langjährige Herthaner abschließend Preis.

(mb/privat)

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Jeder Einfluss wurde uns entzogen und Mitgliedern, die unser Eigentum schützen wollten, wurde mit Verhaftung gedroht.
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-Fredy Stahr in den Club-Nachrichten

von Hertha BSC