Man stelle sich einmal vor ...
Profis | 5. Dezember 2020, 12:46 Uhr

Man stelle sich einmal vor ...

Man stelle sich einmal vor ...

Die Herthaner hätten den 3:1-Derbysieg gegen den 1. FC Union am Freitagabend (04.12.20) nur zu gerne mit ihren Fans im Olympiastadion gefeiert.
Berlin - Man stelle sich einmal vor, die Ränge des Olympiastadions wären am Freitagabend (04.12.20) um kurz nach 22:30 Uhr nicht gähnend leer gewesen. Man stelle sich einmal vor, Mattéo Guendouzi und Krzysztof Piątek wären nach Abpfiff des 3:1-Erfolgs im Berliner Derby über die Werbebande gesprungen und mit den Teamkameraden im Schlepptau auf die eskalierende Ostkurve zu gerannt, hätten die Arme in die kalte Nachtluft gereckt und ihre Freude herausgeschrien. Man stelle sich einmal vor, das weite Rund wäre in einem ekstatischen Fahnenmeer metaphorisch explodiert. Die Ostkurve und das Olympiastadion waren leer, wie auch schon beim 4:0 über den 1. FC Union im Mai dieses Jahres, doch die Spieler der 'Alten Dame' ließen es sich nicht nehmen, dennoch dort ausgelassen zu feiern. "Dass wir am Ende in die Ostkurve gegangen sind, war ein Zeichen an die Fans. Wir brauchen sie und haben für sie gewonnen!", erzählte ein glücklicher Piątek nach der Partie.
Mit Herthas polnischem Angreifer und Peter Pekarík drehten die Blau-Weißen eine Partie, die nach den ersten 45 Minuten nicht nach großen Jubelorgien zum Abpfiff ausgesehen hatte. Das Team von Trainer Bruno Labbadia hatte sich vom Anpfiff an dem Spielvortrag angenommen. Die Gäste aus dem Südosten der Hauptstadt kümmerten sich vornehmlich um eine gesicherte Ordnung in der Defensive, machten die Räume extrem eng und es so den Herthanern schwer, in gute Abschlusspositionen zu kommen. Nach einigen noch nicht ganz zwingenden Torannäherungen der Hausherren, fiel die Unioner Führung in der 20. Minute somit auch vollkommen aus dem Nichts. Marcus Ingvartsen behauptete den Ball vor Herthas Strafraum, Alexander Schwolow war am Schuss von Taiwo Awoniyi zwar noch mit den Fingerspitzen dran, schaffte es aber nicht mehr, den holprigen Schuss am linken Pfosten vorbei zu lenken. "Aus so einer Situation darfst du niemals einen Gegentreffer kassieren. Es ist natürlich unfassbar bitter, dass der Ball erst an den Innenpfosten geht und dann ins Tor", ärgerte sich Herthas Nummer 1 später.

Dreimal P als Gamechanger - Pekarík, Piątek, Piątek treffen

Es war teilweise ein ruppiges Spiel. Unions Robert Andrich übertrieb es nur drei Minuten nach der Gäste-Führung: In Kung-Fu-Manier erwischte der defensive Mittelfeldspieler Lucas Tousart mit der Sohle am Hals. Nicht nur für Schiedsrichter Dr. Felix Brych eine klare Angelegenheit: Rot! Doch zwingender wurden die Spreeathener vorerst nicht - trotz Ballbesitz in bajuwarischen Dimensionen. "Nach der Roten Karte haben wir es im ersten Durchgang zu sehr gewollt und zu leicht den Kopf im Spiel nach vorne verloren", räumte so auch Niklas Stark ein. Das Trainerteam um Bruno Labbadia drehte beim Pausentee an einigen Stellschrauben und setzte mit der Hereinnahme von Piątek und Javairô Dilrosun die richtigen Akzente. "Wir haben es Union sehr einfach gemacht. Es war die gesamten 90 Minuten ein unfassbar unruhiges Spiel, weil wir nicht klar genug waren", erklärte Labbadia nach Schlusspfiff. "Wir haben daher zur Halbzeitpause reagiert. Es hat Früchte getragen, dass wir die Außenpositionen doppelt besetzt und Union mehr laufen lassen haben."
Matheus Cunha war in der 51. Minute der Ausgangspunkt für den Ausgleich. FCU-Keeper Andreas Luthe wehrte den Schuss des Brasilianers unkontrolliert zur Seite ab, genau vor die Füße von Herthas neuem Torjäger Peter Pekarík, der per Direktabnahme auf 1:1 stellte. Es war bereits der dritte Treffer in dieser Spielzeit des Außenverteidigers, der in den acht Jahren zuvor beim Hauptstadtclub gerade einmal zwei Tore erzielte. Dieser vielumjubelte Treffer wirkte als Brustlöser. Im Zusammenspiel der beiden Halbzeit-Joker servierte Dilrosun für Piątek, der erst zum 2:1 traf (74.) und nur drei Minuten später den Doppelpack zur Vorentscheidung schnürte. "Ich bin sehr froh, es ist ein überragendes Gefühl", freute sich Herthas Nummer 9 im Anschluss zurecht. "Für einen Stürmer ist es immer wichtig, Tore zu schießen, deshalb bin ich sehr, sehr glücklich, dass ich mit meinen Treffern dem Team helfen konnte. Dass wir eine Mannschaft sind, die besser ist als Union, haben wir gezeigt."

"Was gefehlt hat, waren die Fans"

Die Köpenicker versuchten in Unterzahl noch einmal, Akzente in der Offensive zu setzen, die Blau-Weißen ließen es aber nicht mehr brenzlig werden. Einziger Wermutstropfen: Matheus Cunha sah kurz vor Schluss seine fünfte Gelbe Karte und muss somit beim Gastspiel in Mönchengladbach am Fernseher mitfiebern. "Es ist nicht immer einfach gegen eine Mannschaft in Unterzahl zu spielen, aber wir haben es auch nicht top gemacht", bilanzierte Bruno Labbadia kritisch, freute sich aber wie alle Blau-Weißen über den Ausgang: "Die drei Punkte sind in unserer Situation extrem wichtig. Das Einzige, was gefehlt hat, waren die Fans - 75.000 Zuschauer wären natürlich gigantisch gewesen. Das fehlt mir extrem, aber wir können wenigstens den Herthanerinnen und Herthanern ein schönes Gefühl geben." Hoffentlich dauert es nicht mehr lange, ehe solche Siege wieder angemessen gefeiert werden können.

(war/City-Press)

Gesagt...

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Ich bin sehr, sehr glücklich, dass ich mit meinen Treffern dem Team helfen konnte.
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-Doppeltorschütze Krzysztof Piątek

von Hertha BSC