
Nicht an den Plan gehalten
Nicht an den Plan gehalten

Freiburg/Berlin - Die zweite Halbzeit stand unmittelbar in ihren Startlöchern. Bruno Labbadia schnappte sich an der Seitenlinie den kurz vor seiner Einwechslung stehenden Javairô Dilrosun, herzte ihn innig und gab ihm noch ein paar Instruktionen mit auf den Weg – und diese fruchteten! Herthas Nummer 16 brachte von Beginn an des zweiten Abschnitts deutlich mehr Schwung und offensive Spielfreude in die Partie. So war es auch kein Wunder, dass der Niederländer den Ausgleichstreffer von Dodi Lukébakio mit einer Flanke von links auf den zweiten Pfosten vorbereitete (52.). Beinahe kam es noch besser: Erst zeigte der 22-Jährige mit einem Solo seine ganze Klasse und donnerte das Spielgerät an den rechten Außenpfosten (56.), ehe er 60 Sekunden später den schönsten Spielzug der Blau-Weißen einleitete. Doch Krzysztof Piątek verfehlte aus bester Position die Führung (57.). "Man hat in der zweiten Hälfte gesehen, wie wir plötzlich zu Torchancen gekommen sind und den Gegner auseinandergezogen haben, als wir uns an den Plan gehalten haben. Nach dem Ausgleich hätten wir ganz klar das 2:1 machen müssen, Freiburg hatte in dieser Phase keinen Zugriff mehr", kommentierte Bruno Labbadia die beste Phase seiner Schützlinge beim Gastspiel im Breisgau am Sonntag (20.12.20).
Dilrosun nicht zu bändigen, Stark an die Latte – doch der SCF trifft
Doch aus dieser guten Phase schlugen die Spreeathener kein Kapital: Denn ließen die Herthaner in der ersten Viertelstunde in Durchgang zwei insgesamt drei – Niklas Stark köpfte noch an die Latte (51.) – Hochkaräter liegen, jubelten die Hausherren plötzlich aus dem Nichts. Ermedin Demirović verwertete einen abgefälschten Schnittstellenpass zur erneuten Freiburger Führung (59.), nachdem Vincenzo Grifo bereits nach sieben Minuten das erste Tor des Tages erzielte (7.). Es war ein herber Nackenschlag für Dilrosun und Co.. Von dieser kalten Dusche erholten sich die Blau-Weißen im weiteren Spielverlauf nicht mehr. Manuel Gulde (67.) und Joker Nils Petersen per Foulelfmeter (90.) zogen der 'Alten Dame' endgültig den Stecker, die die Heimreise in die Hauptstadt somit mit hängenden Köpfen und leeren Händen antrat. Ein Jahresabschluss, den man sich so überhaupt nicht vorgestellt hat. "Anstatt das 2:1 zu erzielen, haben wir ein unnötiges Gegentor kassiert. Wir müssen uns an die eigene Nase fassen. Wir hätten unsere Chancen besser nutzen müssen und die Treffer nicht so einfach kassieren dürfen. Es ist bitter, so in die Pause zu gehen", nannte auch Maximilian Mittelstädt das Kind beim Namen.
Lag beim ersten Blick der Analyse das Manko in den ausgelassenen Torchancen, machte Coach Labbadia jedoch die Leistung des ersten Durchgangs verantwortlich für die Niederlage, mit der die Serie von vier ungeschlagenen Spielen endete. "Wir sind überhaupt nicht ins Spiel gekommen. Das ist ein No-Go, wie wir uns da verhalten haben. Dafür habe ich auch kein Verständnis, weil wir uns überhaupt nicht an den Plan gehalten haben", legte der Fußballlehrer den Finger in die Wunde. Bei seinen Ausführungen benannte der 54-Jährige die Punkte, die ihm missfielen. "Wir haben in der ersten Halbzeit grundlegende Dinge, wie die Einhaltung des taktischen Plans, ein gemeinsames Arbeiten, nach Ballverlust direkt ins Pressing zu gehen oder auch die Körpersprache vermissen lassen", erklärte Labbadia, der zusammenfasste: "Wir hätten das Spiel definitiv in der zweiten Halbzeit gewinnen können. Aber wir haben die Quittung dafür bekommen, dass wir nicht von Beginn so aufgetreten sind."
"..., warum wir so nicht von Beginn an gespielt haben"
Den kritischen Äußerungen seines Trainers stimmte Schlussmann Alexander Schwolow zu. "Mir ist es ein Rätsel, wie wir in der ersten Halbzeit so auftreten konnten. Wir haben im Vorfeld mehrmals die Aggressivität der Freiburger angesprochen und wussten, dass wir mindestens genau so viel Energie reinwerfen müssen", haderte 'Schwolli' bei seiner erstmaligen Rückkehr an die alte Wirkungsstätte. "Bei der Anfangsphase im zweiten Durchgang wundere ich mich, warum wir so nicht von Beginn an gespielt haben", formulierte der Torwart abschließend eine Fragestellung, die den Auftritt an der Dreisam aus Sicht des Hauptstadtclubs treffend zusammenfasste. So verließen die Spreeathener schnellen Schrittes, mit leeren Blicken und einer gehörigen Portion Wut im Bauch das Grün, während die Gastgeber fröhlich ihren geglückten Jahresabschluss zelebrierten.
Genau das hatten sich eigentlich die Blau-Weißen vorgenommen. "Es ist einfach Schade, weil unabhängig von der aktuellen Tabellensituation haben wir gemerkt, dass wir im Aufwärtstrend sind, haben die vergangenen Partien immer gepunktet. Mit dem Spiel in Freiburg, aber auch schon gegen Mainz, hätten wir uns ein ganzes Stück nach vorne bringen können. Jetzt ist es eine Situation, in der wir eindeutig sagen, dass wir damit nicht zufrieden sein können", beklagte Labbadia. Mittelstädt teilte diese Auffassung und gab im selben Atemzug die Marschroute für die kommenden Aufgaben aus. "Wir müssen das jetzt verdauen, aufarbeiten und nach der Winterpause endlich punkten!" Die erste Gelegenheit, um etwas Zählbares einzufahren, bietet sich für die Berliner nach der kurzen Weihnachtspause bereits am 2. Januar 2021 um 18:30 Uhr gegen den FC Schalke 04 im Olympiastadion – dann mit dem Willen und der Gier, von Minute eins an voll da zu sein.
(sj/City-Press)