Julian Nagelsmann im Gespräch mit Leroy Sane.
Profis | 27. August 2021, 14:57 Uhr

Kiek ma, wo dit hinjeht: München

Mal wieder liegen ereignisreiche Tage hinter dem FC Bayern München. Supercup, Nachholspiel im DFB-Pokal, dazu die Auslosung in der UEFA Champions League – und ganz nebenbei die Vorbereitung auf das Bundesliga-Topspiel gegen unseren Hauptstadtclub. Während im Umfeld der Säbener Straße noch die Namen Barcelona, Lissabon und Kiew kursieren, richtet Julian Nagelsmann den Fokus ganz allein auf die kommende Aufgabe. Die heißt bekanntlich Hertha BSC. „Am Ende geht es um die eigenen Ansprüche und Ziele, egal gegen wen wir spielen. Du kriegst gegen jeden Gegner drei Punkte, wenn du gewinnst. Wir wollen 25.000 Fans eine tolle Leistung bieten, egal wer auf der anderen Seite ist“, sagt der neue Coach des Rekordmeisters vor dem Duell am Samstagabend (28.08.21, 18:30 Uhr). Wir werfen in der Gegnervorschau einen Blick auf den Branchenprimus.

Die sportliche Situation: Nach einer holprigen Vorbereitung ohne Sieg und einem Remis zur Eröffnung in Mönchengladbach (1:1) feierten die Bayern in der Vorwoche den prestigeträchtigen Sieg im Supercup gegen Borussia Dortmund (3:1). Drei Tore gelangen der Nagelsmann-Elf wenige Tage danach auch im ersten Liga-Heimspiel gegen den 1. FC Köln. Trotz zweier Gegentore reichte es am Ende zu drei Punkten, die jedoch offenbarten, dass es hier und da – bei all der unbestritten hohen Qualität – noch ein wenig quietscht. „Wir haben gegen Dortmund stabiler verteidigt, gegen Köln war es wieder ein kleiner Rückschritt“, hielt der Übungsleiter fest und sieht Steigerungspotenzial. „Die Handschrift ist noch nicht so extrem da. Wir haben wenig Einheiten gehabt, einige Spieler haben erst drei Spiele gehabt, das sind aber schon drei Pflichtspiele gewesen.“ Der 34-Jährige bleibt jedoch in gewohnter Manier unaufgeregt. „Es wäre aber auch blöd, wenn wir jetzt schon alles könnten, dann hätten wir gar nichts mehr zu tun.“ Das 12:0 im Pokal gegen den Fünftligisten Bremer SV hat schon wieder die typische Mentalität der Münchner gezeigt. „Die Jungs wollten bis zur letzten Minute, egal welcher Spieler. Diese Gier an den Tag zu legen ist wertvoll. Es gab in der Vergangenheit schon andere Ergebnisse gegen Oberligisten. Das ist ein gutes Abbild des Charakters“, so der ehemalige Leipziger und Hoffenheimer Fußballlehrer.

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Leroy weiß, dass er kein Riesenspiel gemacht hat. Trotzdem erwarten wir immer, dass unsere Spieler von den Fans unterstützt werden.
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-Hasan Salihamidžić

Die Münchner im Fokus: Eine hochbegabte Defensive vor einem Weltklasse-Torwart, ein spiel- und willensstarkes Mittelfeld und eine Offensive gespickt mit Ausnahmekönnern und dem wohl treffsichersten Stürmer der Gegenwart: Der FCB verfügt über einen Kader, den jeder Trainer der Welt gerne betreuen würde. Im Mittelpunkt der vergangenen Tage rückte ein Akteur, auf den in seinem zweiten Jahr in der bayerischen Landeshauptstadt die Augen gerichtet sind: Leroy Sane. Nachdem die eigenen Fans die Auswechslung des flinken Flügelspielers gegen Köln mit Pfiffen bedacht haben, hat sich eine hitzige Debatte entwickelt. Mitspieler und Club-Vertreter stehen dem 25-Jährigen zur Seite. „Was gegen Köln passiert ist, ist nicht nur unglücklich, das fand ich schon echt frech und bitter“, sagte Joshua Kimmich, der Anfang der Woche seinen Vertrag beim Serienmeister verlängert hat. Sportvorstand Hasan Salihamidžić wurde noch deutlicher: „Leroy weiß, dass er kein Riesenspiel gemacht hat. Trotzdem erwarten wir immer, dass unsere Spieler von den Fans unterstützt werden. Wir sind eine Truppe, ein Team und wir können einen Einzelnen in der Allianz Arena nicht auspfeifen lassen.“

Die Schnittstellen: Durch personelle Veränderungen auf beiden Seiten gibt es am Samstag nicht die große Wiedersehensfreude aus vergangenen Jahren. Unser Eigengewächs Jérôme Boateng spielt nicht mehr für die Bayern. Durch den Abgang von Matheus Cunha kommt es auch nicht zum Aufeinandertreffen mit Nagelsmann – seinem Coach aus Leipziger Zeiten – und dem Ex-Kollegen Dayot Upamecano. Sami Khedira, der unter anderem mit Manuel Neuer und Thomas Müller 2014 die Weltmeisterschaft gewann, hat seine Karriere bei unserem Hauptstadtclub beendet. Ein weiteres Händeschütteln, das ausfällt: Unser ehemalige Leihspieler Nemanja Radonjić stand gemeinsam mit Bayerns Verteidiger Bouna Sarr in der Ligue 1 für Olympique Marseille auf dem Feld. Aber Bayerns Chefcoach arbeitete bei der TSG aus Hoffenheim mit unserem Neuzugang Ishak Belfodil zusammen und sagt über ihn: „Ishak ist ein sehr witziger Typ, hat einen guten Körper, einen guten Torabschluss. Er war bei mir ein sehr wichtiger Spieler, hat viele Tore gemacht. Ich mag ihn als Typ und Spieler sehr gerne."

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Hertha hat sich interessant verstärkt, hat einen guten Kader und eine gute Struktur. In der Offensive haben die Berliner viel Körper, dazu schnelle Spieler.
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-Julian Nagelsmann

Die besonderen Duelle: Ein ‘früher‘ Auftritt beim Triple-Sieger von 2020 ist für unsere Herthaner nichts Neues. Bereits in der Vorsaison, die coronabedingt später losging, waren unsere Blau-Weißen am 3. Spieltag zu Gast an der Isar. Vier Tore von Robert Lewandowski, das letzte davon per Elfmeter in der 93. Minute, besiegelten damals im Oktober 2020 die bittere 3:4-Niederlage. Im Jahr davor eröffnete die Mannschaft von Trainer Ante Čović die Saison bei den Bayern und eroberten in einer abwechslungsreichen Begegnung ein 2:2. Am 4. Spieltag 2016/17 mussten sich unsere Hauptstädter, die nach drei Siegen in drei Spielen punktgleich mit dem FCB Richtung Süden aufgebrochen sind, mit 0:3 geschlagen geben.

Die Meinung über unsere Elf: Nagelsmann schaut interessiert auf die Entwicklungen bei unserem Hauptstadtclub. „Hertha hat sich interessant verstärkt, hat einen guten Kader und eine gute Struktur. In der Offensive haben die Berliner viel Körper, dazu schnelle Spieler. Ich gehe davon aus, dass wir mehr den Ball haben werden, in der Restsicherung aber sehr aufpassen müssen.“ Die beiden Niederlagen unserer Jungs hängt er nicht zu hoch: „Die zwei Spiele sind unglücklich verlaufen. Wir müssen ein gutes Spiel machen, um erfolgreich zu sein."

von Florian Waldkötter