Vladimír Darida grätscht den Ball knapp links am Tor vorbei.
Profis | 24. Januar 2022, 10:35 Uhr

Ungenutzte Momente

Es ging ein lautstarkes Raunen durchs Olympiastadion. Der Großteil der 3.000 Anwesenden hatte den Torschrei bereits auf den Lippen: Maximilian Mittelstädt flankte den Ball von links scharf und punktgenau ins Zentrum, wo der perfekt eingelaufene Vladimír Darida die Kugel saftig per Grätsche traf – doch leider ging das Spielgerät Millimeter am von Manuel Neuer gehüteten FCB-Gehäuse vorbei. Sieben Minuten nach Wiederanpfiff wäre es der optimale Zeitpunkt zum 1:2-Anschlusstreffer gewesen (52.). Doch unsere Spreeathener ließen diese aussichtsreiche Möglichkeit leider liegen. „Wenn man gegen so eine Mannschaft gewinnen möchte, müssen ein paar Sachen zusammenkommen: Eine sehr, sehr konzentrierte Defensivleistung, ein wenig Glück und dass man die eigenen Momente nutzt“, zählte Cheftrainer Tayfun Korkut auf der Pressekonferenz die notwendigen Aspekte auf, die es braucht, um gegen den Tabellenführer Zählbares mitzunehmen.

Münchner Powerplay zu Beginn – Schwolow mit mehreren Glanzparaden

In seinen weiteren Ausführungen beantwortete der Fußballlehrer gleich selbst die Frage, welche dieser Eigenschaften seinen Schützlingen am Sonntag beim 1:4 (0:2) gegen den FC Bayern München fehlten. „Das notwendige Glück hatten wir zwar in der einen oder anderen Situation. Bei den Gegentoren haben wir uns aber nicht gut angestellt. Den Moment, den wir hatten, um das Anschlusstor zu erzielen, haben wir auch verpasst", haderte Korkut und bezog sich auf die eingangs beschriebene Darida-Chance zu Beginn des zweiten Durchgangs. Das Geschehen aus Hälfte eins ist relativ schnell zusammengefasst: Nach einem bereits nach 120 Sekunden aberkannten Treffer durch Corentin Tolisso entwickelten die Münchner vor allem in der Anfangsphase einen ungehörigen Druck. Als unsere Herthaner gerade etwas besser ins Spiel kamen und das rot-weiße Powerplay überstanden zu haben schienen, schlug die Elf von Julian Nagelsmann durch einen Tolisso-Kopfball eiskalt zu (25.). Unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff erhöhte Thomas Müller auf 2:0 (45.). Dass bis dato „nur" zwei Bayern-Treffer auf der Anzeigetafel standen, war vor allem Alexander Schwolow zu verdanken, der bei seinem 50. Pflichtspiel für Hertha BSC mit gleich mehreren Glanzparaden weitere Einschläge verhinderte – nach 90 Minuten hatte der Spitzenreiter 30 Torschüsse zu verbuchen.

Bildergalerie: Die Bilder zum Spiel: Hertha BSC - FC Bayern München

Dass ausgerechnet unser Keeper in Abschnitt zwei den dritten Gegentreffer verschuldete, war symbolisch für diese Partie. Dem Schlussmann geriet ein Zuspiel auf den Startelf-Debütanten Linus Gechter zu kurz. Der 17-Jährige, der mit Peter Pekarík, Márton Dárdai, Dedryck Boyata und Mittelstädt eine Fünferkette bildete, kam nicht mehr an das Spielgerät. Stattdessen spritzte Leroy Sané dazwischen und drückte den Ball zum 3:0 über die Linie (75.). Zu diesem Zeitpunkt mischten auch Neuzugang Fredrik Bjørkan, der seine Bundesliga-Premiere feierte, und Stevan Jovetić, der nach 41-tägiger Verletzungspause zurückgekehrt war, mit. „Mein Debüt war gleichzeitig ein gutes und ein weniger schönes Erlebnis. Wir wollten etwas Zählbares holen und eine insgesamt bessere Vorstellung abliefern. Es war trotz allem großartig, hier erstmals auflaufen und die Fans begrüßen zu dürfen“, ordnete unsere neue Nummer 3 seinen ersten Einsatz in unserer Heimspielstätte mit gemischten Gefühlen ein.

Aufgeben keine Option: Mehr gelaufen, Treffer erzielt

Doch auch das frische Personal bekam die gnadenlose Qualität des UEFA Champions League-Siegers von 2020 zu spüren. Konnte Gechter für den bereits geschlagenen Schwolow einen Heber von Serge Gnabry noch artistisch von der Linie kratzen (77.), war unsere Defensive zwei Zeigerumdrehungen später erneut geschlagen – Gnabry erhöhte auf 4:0 (79.). Doch unsere Alte Dame gab trotz aller spielerischer Dominanz des 31-maligen Meisters nicht auf und kam durch den zuvor eingewechselten Jurgen Ekkelenkamp noch zum 1:4 (80.). Die höhere Laufleistung (117,51 zu 116,22 Kilometer) untermauerte den blau-weißen Willen bis zum Schlusspfiff. Wir haben alle gekämpft, ich glaube das hat jeder gesehen, der das Spiel verfolgt hat. In Bezug auf den Einsatz kann man niemandem einen Vorwurf machen, jeder ist an seine Grenzen gegangen“, betonte Eigengewächs Gechter, der gemeinsam mit seinen Kollegen das Kunststück meisterte, Robert Lewandowski im zweiten aufeinanderfolgenden Gastspiel in Berlin torlos zurück in die bayerische Landeshauptstadt zu schicken. Mehr als eine Randnotiz ist dieser Fakt jedoch nicht wert.

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Wir müssen hart arbeiten und wollen uns auf die Aufgaben gut vorbereiten. Wir werden an unserer Idee festhalten und wollen in den nächsten Partien punkten.
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-Tayfun Korkut

Einen deutlich höheren Stellenwert als eine Randnotiz hat die Trainingsarbeit in den kommenden Tagen. Zwar legt die Bundesliga am kommenden Wochenende eine Pause ein, dennoch wird das Programm auf dem Schenckendorffplatz weiter voll durchgezogen und intensiviert. „Nach der Unterbrechung haben wir wichtige Spiele vor uns, wir müssen hart arbeiten und wollen uns auf die Aufgaben gut vorbereiten. Wir werden an unserer Idee festhalten und wollen in den nächsten Partien punkten“, gab Coach Korkut noch am Sonntagabend im Olympiastadion die Richtung für die wichtigen Leistungsvergleiche gegen Bochum (Fr., 04.02.22, 20:30 Uhr) und in Fürth (Sa., 12.02.22, 15:30 Uhr) vor. Die einstudierten Trainingsinhalte sollen dazu führen, dass alle Herthanerinnen und Herthaner in den kommenden Begegnungen ihren Torschrei auf den Lippen dann auch wieder vollends ausleben dürfen.

Unser Nachbericht in Leichter Sprache.

von Simon Jötten