Vladimír Darida beglückwünscht Stevan Jovetić zu seinem Tor.
Profis | 6. Dezember 2021, 10:42 Uhr

Charakter gezeigt

Hannover, Leverkusen, Stuttgart und nun Berlin. Auch mit unserer ’Alten Dame‘ hält die Serie von Tayfun Korkut, der auf diesen Bundesliga-Stationen in seinem ersten Spiel als Trainer ungeschlagen geblieben ist. Wer den 47-Jährigen jedoch in seinen ersten Tagen in der Hauptstadt erlebt hat, der hat einen Fußballlehrer kennengelernt, für den es einzig und allein um sein neues Team geht. Persönliche Befindlichkeiten, gar eigene Statistiken, sind nebensächlich. „Der volle Fokus lag auf dem Spiel, alles andere habe ich ein Stück weit ausgeblendet“, sagte Korkut folglich. Dabei wäre es verständlich gewesen, schließlich kehrte der Ex-Profi bei seinem blau-weißen Einstand ausgerechnet in seine Heimatstadt und an seine alte Wirkungsstätte zurück. Stattdessen thematisierte er lieber die Leistung seiner Schützlinge. „Ich freue mich unheimlich für die Mannschaft und muss ihr ein Riesenkompliment machen. In einem solchen Spiel so zurückzukommen, das war schon speziell.“

Rückstand abgeschüttelt und mutig geblieben

Das Lob ihres neuen Chefs haben sich die Herthaner durchaus verdient – auch wenn die beiden frühen und unnötigen Gegentore (15.,19.) nicht verschwiegen werden dürfen. „Wir haben nicht gut verteidigt und uns das eine oder andere Mal überraschen lassen. Die Gegentore müssen wir uns anschauen und analysieren“, räumte Alexander Schwolow selbstkritisch ein. Dennoch überwog danach das Positive. „Wir haben sehr gut angefangen, aber zwei einfache Gegentore bekommen. Danach haben wir aber nicht nachgelassen – das war für mich das Wichtigste“, sagte Korkut.

Ein Beleg dafür folgte noch vor dem Pausenpfiff: Der vom VAR einkassierte Anschlusstreffer von Ishak Belfodil, der wegen einer passiven Abseitsstellung von Vladimír Darida nicht zählte, warf unsere Spreeathener nicht aus der Bahn (34.). „Für mich ist es keine Abseitsposition. Der Ball ist über mich drüber geflogen, ich habe den Torwart nicht behindert und er hatte freie Sicht auf die Kugel“, schilderte der tschechische Jubilar, der sein 150. Bundesliga-Spiel für unsere Farben bestritt, seine Sicht der Dinge. Sechs Zeigerumdrehungen später nämlich verkürzte Stevan Jovetić doch noch sehenswert – und setzte damit weitere Kräfte frei (40.).  „Wir haben Charakter gezeigt und spätestens ab da angefangen, besseren Fußball zu spielen. In der Pause hat unser Trainer gesagt, dass wir an uns glauben und weiter den Ball laufen lassen sollen“, berichtete unsere Nummer 19.

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Entscheidend war, dass die Mannschaft mutig geblieben ist, immer wieder rausgeschoben und vertikal in die Räume gespielt hat. Eines darf man nämlich nicht machen: Nach Rückstand aufzuhören, Fußball zu spielen.
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-Tayfun Korkut

Jovetić beweist seine Klasse

Details der Ansprache wollte unser Coach derweil nicht verraten. „Das sind Sachen, die in der Kabine bleiben. Entscheidend war, dass die Mannschaft mutig geblieben ist, immer wieder rausgeschoben und vertikal in die Räume gespielt hat. Eines darf man nämlich nicht machen: Nach Rückstand aufzuhören, Fußball zu spielen.“ Mit zunehmender Dauer agierten unsere Herthaner in der zweiten Hälfte mit Ball klarer – der Wille war Kapitän Dedryck Boyata und seinen Kollegen ohnehin jederzeit anzumerken. Bei einem scharf getretenen Freistoß von Jovetić lag der Torschrei schon auf der Zunge (74.), zwei Minuten danach gelang ihm sein umjubelter vierter Saisontreffer (76.). Vorausgegangen war eine wunderbare Ballzirkulation nach Flanke von Marvin Plattenhardt und Ablage von Belfodil. „Jeder Einzelne hat hohes Engagement gezeigt und auch fußballerisch alles reingehauen. Was Jovetić auszeichnet, hat man gesehen. Er bewegt sich clever in den Räumen, hat ein gutes Gefühl und kann natürlich mit dem Ball umgehen. Wichtig ist, dass wir ihn körperlich in guter Verfassung haben“, sprach Korkut über seinen Doppeltorschützen, der die blau-weiße Gefühlslage nach Spielende treffend zusammenfasste: „Natürlich wollten wir gewinnen, aber nach einem Zwei-Tore-Rückstand geht das Remis in Ordnung und ist verdient.“

Rückschlüsse, die für Zuversicht sorgen, ließ das dritte Unentschieden der Saison auf jeden Fall zu. „Die Mannschaft war die ganze Woche sehr aufmerksam und neugierig. Am Ende haben wir mit Ballbesitz dominiert, das ist ein gutes Zeichen für uns. Es war ein kleiner Schritt für uns. Mit diesem Start können wir leben“, bewertete Korkut seine Premiere abschließend. Einverstanden wären unser neuer Coach und alle Blau-Weißen sicher damit, wenn unser Team am Samstag gegen Bielefeld (11.12.21, 15:30 Uhr) nachlegen und der Ex-Profi auch im zweiten Spiel ungeschlagen bleiben würde.

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Am Ende haben wir mit Ballbesitz dominiert, das ist ein gutes Zeichen für uns. Es war kein großer, aber ein kleiner Schritt für uns. Mit diesem Start können wir leben.
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-Tayfun Korkut

von Florian Waldkötter